Sonnenscheinkomplett-Paket inbegriffen

Heute ziehen kleine weiße Wolken schnell am hellblauen Himmel vorüber. Auch das Meer sieht ständig anders aus. Es hat, bedingt durch die Einstrahlung des Sonnenlichts und die Einwirkung des Windes, tausend Gesichter.

Gestern war es sehr stürmisch. Höhere Wellen mit Gischt rollten auf den Strand. Man konnte von Brandung sprechen. Gegen Abend blickten wir auf ein silbrig-weiß glänzendes Meer unter schwarzem Himmel. Die Sonne stand tief im Westen, rechts neben dem Haus. Ich liebe es, wenn die Sonne gegen eine dunkle Wolkenwand scheint. Dann wurde das Meer grün und der Himmel stahlblau. Die Sonne strahlte auch die Steilküste gegenüber an, sodass diese naturgelb leuchtete. Wir haben die Abbruchkante täglich vor Augen. Deshalb ist uns aufgefallen, dass ein großes Stück abgebrochen war. Dann flog eine große Möwe an unserem Fenster vorüber. Ihre Flügel waren von oben schwarz und von unten schneeweiß. Es sah aus, als hätte sie einen weiß gefütterten schwarzen Umhang an. Später sah man viele verschiedene Grautöne und Orangetöne am hellblauen Himmel. Ich sah auf die Uhr und konnte es kaum glauben; es war 22 Uhr.

In den letzten Wochen habe ich viele Schiffe vorbei fahren sehen. Alles Mögliche war dabei. Vom schnittigen, strahlend weißen Segelboot bis zum düsteren alten Vintage-Segler, von der Luxus-Hochglanz-Motorjacht bis zum Fischkutter, vom Polizeikreuzer bis zum Kahn mit Dixi-Klo-Aufbau. Mir gefällt alles hier und ich kann sagen: „Ich liebe Dänemark und ich passe hierher wie meine beiden Vornamen.“

–  ENDE eines wunderschönen Sommerurlaubs  –

Es gibt zwar viele Reiseführer über Dänemark, aber bei ihnen vermisse ich das Kleingedruckte. Hier mein Vorschlag für die Verleger:

WICHTIGE HINWEISE

Für alle, die einen Dänemarkurlaub planen, muss auf Folgendes hingewiesen werden: Alle Angaben sind ohne Gewähr! Ähnlichkeiten mit anderen Urlaubszielen sind rein zufällig. Farb- und Qualitätsabweichungen sind möglich. Kleine Unregelmäßigkeiten und oder sogenanntes Schlechtes Wetter sind kein Reklamationsgrund, sondern unterstreichen das charakteristisch-authentische Gesamtbild. Kleine Schäden im und am Sommerhus, die von Touristen durch unsachgemäße Behandlung verursacht wurden, sind zu ignorieren. Für psychische oder physische Schäden durch Spinnen, Zecken, Mäuse und Ameisen wird keine Haftung übernommen. Folgendes ist im Umfang nicht enthalten und muss in Eigenleistung erbracht werden: gute Laune und Lebensfreude.

Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie vorher sich UND Ihren Lebenspartner.

GARANTIE

Unsere Gewährleistung umfasst folgende Punkte:

– Himmel, einschließlich Sonnenscheinkomplett-Paket mit Sonnenauf- und Untergang, Wolken, Regen und Vögel. Sogenanntes schlechtes Wetter ist beabsichtigt und gehört zum authentisch-charakteristischen Erscheinungsbild.

– Meer, einschließlich Strand, Wellen und ständig wechselndem Erscheinungsbild

– Landschaft, einschließlich Küste, Hügeln mit weitem Ausblick, Pflanzen und Tieren

– Frische Luft, einschließlich Duft, Geräuschen, Wind bzw. Sturm

– Einkaufsmöglichkeit, einschließlich umfangreicher Weinabteilung und separater, geräumiger Leergutannahme

– Urlaubsfeeling (entsprechende Wahrnehmungsfähigkeit wird vorausgesetzt)

Für mangelnde Erholung und Entspannung, die durch unsachgemäße Wahrnehmung und/oder falsche Kleidung und/oder mangelhaften Sonnenschutz entsteht, wird keine Haftung übernommen.

Strandkohl als Flugsalat?

Es ist Nachmittag. Am Horizont ist es dunkel graublau, aber von oben scheint die Sonne herunter. Schaffen wir es noch vor dem Regen? Egal, wir haben ja Kapuzen. Wir machen einen Spaziergang weit um unseren Haushügel herum und gehen an der flachen landeinwärts liegenden Bucht entlang. Am Strand wächst hier der selten gewordene Strandkohl. Man möchte ihn ernten. Er ist essbar und sieht aus wie ein Salatkopf.

Lachend erinnern wir uns an unseren Flugsalat vor einigen Jahren in Dänemark. Mein Mann hatte fürs Abendessen Salat in einem Seiher gewaschen. In Ermangelung einer Salatschleuder, die man in einem Ferienhäuschen nun wirklich nicht erwarten kann, band er eine Schnur an die Griffe des Seihers.

Draußen schleuderte er das Ganze wie ein Lasso. Super, zunächst funktionierte alles reibungslos. Die Zentrifugalkraft schleuderte zuerst das überschüssige Wasser aus dem Salat, aber dann leider auch den kompletten Seiher auf das Hausdach. Die Konstruktion hatte also nicht das gehalten, was mein Mann sich von ihr versprochen hatte. Der Knoten war aufgegangen und wir mussten hemmungslos lachen! Da hatten wir nun den Salat. Die gute Nachricht: Das Dach ragte sehr weit herunter, sodass wir den Salat wieder absammeln konnten, nachdem uns der Seiher schon entgegengekullert war.

Seitdem haben wir immer ein altes, aber stabiles Einkaufsnetz in unserer Urlaubsbox, mit dessen Hilfe man den Salatseiher problemlos durch die Gegend schleudern kann. Das nennt man genial.

Zum Abendbrot gab es an diesem Tag also Flugsalat – frisch gepflückt vom eigenen Hausdach.

Winkearm im Dauerbetrieb

Wegen der Autoparade, die (heute allerdings wohldosiert) an unserem Haus vorbeirollt, denken wir über die Anschaffung eines solarbetriebenen Winkearmes nach. Man will ja nicht unhöflich sein. Und so etwas müsste es doch geben. Ich denke, die Queen wird nie ohne aus dem Palast gehen. In ihren diversen Kutschen und Karossen werden die fest installiert sein. Mein Mann googelt schon mal nach. Vielleicht gibt es ja auch das Modell Wackeldackel, dass man bei Bedarf nur anzuticken braucht.

Es ist nicht langweilig die Parade anzusehen. Sogar Oldtimer waren heute dabei: Eine dunkelbraune Faltdach-Ente mit aufgesetztem Kofferraum und ein offener amerikanischer Straßenkreuzer. Und man glaubt es kaum, ein Hund hat hergeschaut, während Herrchen und Frauchen zum Meer sahen. Die kommen hier wohl öfter vorbei, denke ich, denn normalerweise ist es umgekehrt, während Mann und Frau den Blick starr auf unser Haus gerichtet halten, schaut ihr Hund auf dem Rücksitz in die andere Richtung, nämlich aufs Meer. Wahrscheinlich denkt er sich in dem Moment: „Das ist zwar eine geile Hundehütte aber ich will jetzt SORORT ins Wasser!“

Seebestattung für ein neues Gebiss

Ich sehe am entfernten Strand zwei Surfer. Warum ist der Anblick nur so ungewohnt? Jetzt weiß ich warum. Sie stehen auf großen „altmodischen“ Surfbrettern und halten sich große „altmodische“ Segel vor den Körper. Ich frage mich, kann man das heute schon als Vintage bezeichnen? Sonst sieht man hier nämlich ausschließlich Kitesurfer.

Einer der beiden Vintage-Sportler fällt bei jedem Wendemanöver mitsamt seinem Segel ins seichte Wasser. Aber er kann immer wieder gut aufsteigen, so flach wie es dort ist. Ideal für Anfänger. Hier gibt es für jeden die passende Freizeitbeschäftigung.

Ein Segelboot schaukelt auf dem Meer wie ein Schaukelpferd. Am Jachthafen sieht man auch Wohnmobile. Viele bleiben dort stehen, weil sie nicht wissen, dass man bei uns vorbeifahren darf. Nach sechshundert Metern kommt ein großer Wendeplatz mit schöner Aussicht und dem Knallert-Verbotsschild. Erst hier ist die Sackgasse zu Ende. Andere wissen aber von diesem Geheimtipp; täglich fährt das eine oder andere Auto an unserem höher liegenden Haus vorbei, auch Wohnmobile oder Motorräder. Letztere sind in Dänemark viel leiser als bei uns. Die Dänen mögen wohl keinen Knallert-Krach. Also, geht doch!

Während der Fahrt schauen alle immer starr nach rechts auf unser Haus und auf mich. Soldaten bei einer Parade könnten ihren Blick nicht besser seitlich gerichtet halten. Ich möchte ihnen dann immer zurufen: „Halloho, auf der anderen Seite ist das Meer!“ Sie fahren weiter. Aber dann wird die Straße immer enger, zum Teil ragen dann auch noch hohe Büsche rechts und links in die Fahrbahn; und siehe da, viele Urlauber trauen sich nicht weiterzufahren und kommen rückwärts wieder bei uns vorbei. In diesem Fall sind sie in Gedanken wieder bei ihrem geliebten Wohnmobil und schauen eisern in ihre Rückspiegel.

Einmal fuhren immer wieder Autos vorbei, dann sogar ein Bus. Eigenartig: alltags vormittags, keine Freizeitkleidung. Nach einiger Zeit kamen sie alle im Konvoi wieder zurück. Was wollten die da? Mein Mann hatte eine Erklärung: Sie waren bei einer Seebestattung!

Da erinnere ich mich an den inzwischen verstorbenen Lebensabschnittsgefährten meiner Mutter, der sich bei einer stürmischen Seebestattung (inklusive Catering) übergeben musste. Sein neues Gebiss war dabei ebenfalls über Bord und für immer von ihm gegangen.

Auf der Rückfahrt war er dann sehr schweigsam, ich denke nicht nur aus Pietät und Takt.

Großinvestition für Erbtanten

Morgens um 5 Uhr, als ich wieder einmal auf die Toilette muss, sehe ich nach draußen. Es sieht rau aus. Der Wind zerrt an den Büschen. Alles ist grau. Man sieht noch keinen Horizont. Gestern Abend hatte es geregnet. Am Tage aber kam immer wieder die Sonne durch. Ein roter Rettungskreuzer raste in der Ferne dahin. Ich dachte, im Augenblick übt er wohl nur das Rasen. Ein bisschen Spaß muss sein. Mein Mann war kurz im Meer. Gegen Abend kreischten Möwen. Ein riesiger Vogel flog landeinwärts. Für eine Brieftaube war er definitiv zu groß.

Apropos, falls Sie Ihren Lieben zu Hause aus Dänemark Ansichtskarten schreiben möchten, sollten Sie Folgendes wissen: Wenn ein Däne sagt, dass er etwas aus der Portokasse bezahlt hat, sind die Leute mehr als beeindruckt! Sie denken bei sich, muss der Kohle haben. Das Porto hier ist nämlich Anfang 2016 dermaßen erhöht worden, dass die Dänen selbst erst einmal schlucken mussten. Da würden jetzt manche sagen, das tun die ja sowieso, weil in Dänemark alles Mögliche teurer ist als in Deutschland. Aber bei den aktuellen Portogebühren wurde wirklich übertrieben. Ein Beispiel gefällig?

Ein Silikon-Teigschaber kostet 20 Kronen. Ein Standardinlandsbrief wird für 19 Kronen zugestellt, und eine Briefmarke für eine Postkarte ins europäische Ausland kostet ganze 25 Kronen. Für eine Ansichtskarte plus Porto muss man demnach 4,17 Euro bezahlen.

Das Schreiben von Ansichtskarten ist also nicht unbedingt zu empfehlen. Aber Whats App sei Dank ist man ja nicht mehr aufs Kartenschreiben angewiesen. Bei einer Erbtante allerdings sollte man über diese Investition nachdenken.

Ragoutgefüllte Sandkasten-Förmchen

Heute flog ein Schwarm großer Vögel direkt über unserer Terrasse vorbei. Mit jedem Flügelschlag gaben sie ein schrilles, rufendes Geräusch von sich. Ich konnte sogar das Geräusch ihres Fahrtwindes hören. Ob das wohl Schwäne waren?

Weil heute Sonntag ist, haben wir unser Ragout fin mit dänischen Blätterteig-Pasteten gegessen. Sie sind zart und knusprig. Solche Tarteletter in Form von Sandkasten-Förmchen gibt es von Karen Volf. Diese Backwaren-Firma ist hier in Dänemark das, was die Firma Bahlsen bei uns ist. Während ich nachmittags meinenTee genieße, lässt sich mein Mann Kekse von Karen Volf, ein Stück Strang  und einen Kaffee schmecken.

Ich erinnere mich lächelnd daran, als mein Mann diesen Kuchen zum ersten Mal gekauft hatte. Das liegt schon viele Jahre zurück. Damals war er vom Brötchen holen zurückgekommen und sagte beiläufig, dass er sich einen Strang mitgebracht hätte. Aha, dachte ich, was ist das? Ich war ziemlich irritiert, denn irgendwie ist dieser Ausdruck nun einmal negativ besetzt. Erleichtert stellte ich dann aber fest, dass es sich bei einem Strang um einen langen flachen Hefe- oder Blätterteigkuchen handelt, der vom Grundgeschmack in etwa mit einem Butterkuchen zu vergleichen ist.

Allerdings wird Butterkuchen bei uns großflächig auf einem Blech gebacken und man versucht immer vergeblich gleichgroße und gerade Stücke zu schneiden, bevor die Gäste eintreffen. Meistens werden die Stücke vor Aufregung dann besonders schief und alles andere als gleich groß. Nicht so bei dem Strang. Denn er hat ja genau die Breite eines Kuchenstücks und „geht“ nur in die Länge. Man kann also entspannt das Messer ansetzten und sich die gewünschten Zentimeter Genuss pur abschneiden.

Alles ist gut durchdacht bei den Dänen. Beim Bäcker legen sie den Strang auf eine Pappe, die in der Länge exakt passt, aber an den Seiten breiter ist. An den eingearbeiteten Falzlinien muss die Pappe dann nur noch seitlich hoch geknickt werden. Zum Schluss wird das Ganze geschickt in eine exakt passende Tüte mit Sichtfenster geschoben, fertig! So lässt sich der Strang wunderbar transportieren und  schmeckt noch nach ein paar Tagen.

Es gibt von diesem leckeren Gebäck übrigens folgende, teilweise kombinierte Ausführungen: mit Zimt, Haselnussblättern, Vanille-Pudding, Äpfeln, Mazarin, Mandelblättern, Marzipan, Schoko- oder Zuckerguss. Bei dieser Auswahl findet wohl jeder seine Lieblingssorte. Mein Mann nascht vier Tage an so einem Strang. Das nennt man Ergiebigkeit.

So, jetzt läuft eine Ameise über meine Laptop-Tastatur. Ich muss unbedingt nach dem Strang sehen. Es ist Tea-time. Das passt.

Ruinierte Frisur nach Naturschauspiel

Ich schaue vom Bett aus in den hellgrauen Himmel. Mein Mann hat es gern, wenn ich noch liegen bleibe, damit er sich in Ruhe seinen Morgenritualen hingeben kann. Ich setze mich auf und sehe das hellgraue Meer, drücke das Fenster einen Spalt auf und lasse mich wieder zurückfallen. Die frische Brise streicht mir übers Gesicht. Langsam drückt der Wind das Fenster immer weiter auf.

Diese dänischen Fenster schwingen nicht an Scharnieren leichtgängig hin und her. Man kann das Fenster schwergängig stufenlos nach außen öffnen. Normalerweise bleibt es dann so weit geöffnet, wie man es aufgedrückt hat.

Mit seinem sportlichen Fahrradoutfit bekleidet, gibt mein Mann mir einen Kuss. Er will Brötchen holen fahren. Und weil die Wolkendecke an einer Stelle plötzlich ein kleines Stückchen vom Himmel freigibt, setzt er sofort seine sportlich-schneidige Sonnenbrille auf. Sonst ist er nicht so optimistisch.

Ich habe ein Samstagmorgengefühl, wie ich es von einem arbeitsfreien Samstag  kenne. Später stelle ich fest: Es ist Samstag. Alles klar. Als wir frühstücken, fliegen mehrere Schwärme von Schwalben vorbei landeinwärts. So viele Schwalben hatte ich noch nie auf einmal gesehen. Später peitscht ein wolkenbruchartiger Regen gegen die Scheiben – das war wohl nichts mit dem Optimismus meines Mannes.

Dieses Naturschauspiel ist wunderschön anzusehen. Zum Glück müssen wir nirgendwo hin, können einfach zu Hause bleiben und es uns gemütlich machen. Im Gegensatz zu denen da draußen, die in einem Segelboot gerade verzweifelt den schützenden Jachthafen ansteuern. Sie schaffen es ohne Schaden, denn sie haben das Segel rechtzeitig blitzartig hinuntergleiten lassen. Nun liegt es kreuz und quer auf dem Kajütendach und sie müssen es nach dem Unwetter nur wieder hochziehen.

Vor dem Auslaufen hatte man ihnen bestimmt Mast- und Schotbruch zugerufen, so wie man anderen Hals- und Beinbruch wünscht. Und es hat gewirkt. Es ist alles heil geblieben. Man kann sagen: „Sie sind noch einmal mit einer ruinierten Frisur davongekommen!“

Express-Beutel für Fortgeschrittene

Ich schaue über den Laptop und sehe zwei uralte Vintage Segelschiffe hintereinander in Richtung Hafen fahren. Dunkles Holz, dunkelrote Segel, holländische Flagge. An den Seiten sind zwei Schwerter befestigt, die sie bei Bedarf herunterlassen können. Sie haben keinen Kiel, so dass sie auch in seichtem Wasser fahren können. Beide ziehen ein kleines Beiboot hinter sich her. Wie praktisch, so können sie vor Anker gehen und müssen keine Liegegebühren zahlen. Wir googeln schnell nach. Man nennt dieses Segelschiff Tjalk. Für mich sieht es unheimlich interessant aus, mehr unheimlich als interessant.

Es ist Mittag, mein Mann steht am innovativen Induktionsherd und rührt in unserer innovativen Green-Pan-Pfanne das Dosen-Ragout fin (mit 42% Fleisch), während sich der Express-Reis-Beutel in der Mikrowelle dreht. Das nennt man Multitasking für Fortgeschrittene. Warum sollte er hier auch zeigen, was er beim Kochen wirklich drauf hat. Dazu ist in den Ferien die Zeit zu kostbar. Auch ich halte den Ball flach: Hier ein bisschen aufräumen und abwaschen, da ein bisschen die Bettdecke glatt zupfen und die Ameisen in Schach halten. Fertig! …

Ups, was baumelt denn da? Wie schön!!! Es ist die Seele. Bloß nicht mit dem Kopf dran stoßen; da ist schließlich der Verstand drin und den mag sie gar nicht. Wieso ist der überhaupt mitgekommen? Kein Mensch braucht den hier. Der macht nur Ärger, erinnert einen dauernd an Dinge, die noch zu erledigen sind, und will ständig irgendetwas denken. Kurzum, er stört einen zu den unpassendsten Zeiten. In Gedanken pfeife ich ihn zurück: Nun fahr mal runter, chill ab Alter. ICH melde mich, wenn ich dich brauche.

Trotzdem bin ich natürlich froh, dass er meine Nummer hat. Manchmal ist es echt wichtig, dass er sich im richtigen Moment meldet! Also will ich ihn mal nicht vergraulen.

 

Ich sehe ROT – auch in puncto Fönwelle

Um 5 Uhr sah ich das Morgenrot am Himmel. Ein wunderschöner Anblick. Aber es soll nichts Gutes verheißen, sagt man. Der Wetterbericht hatte auch tatsächlich Blitz und Donner vorhergesagt. Wir haben Donnerstag, das passt! Schon gestern Abend schien die Sonne nur noch zwischen einer graublauen Wolkendecke hervor, durch einen weißen Weichzeichner hindurch. Es wirkte wie kaltes Licht. Aber irgendwie schön. Deshalb sind wir nicht, wie sonst jeden Abend, zum Sonnenuntergang gegangen, sondern mit den Rädern durch das Ferienhausgebiet gefahren. Hier fahre ich gerne. Nicht wenige Häuser haben den Meerblick zu beiden Seiten. Man sieht sehr schöne Häuser und es duftet nach Blüten und Wald. Viele Kiefern und überall wuchernde blühende Heckenrosen, Holunder und Jelängerjelieber.

Dann fuhren wir auf der schönen ruhigen Hauptstraße zurück. Kann eine Hauptstraße ruhig sein? Wenn es sich, wie in diesem Fall, um eine Sackgasse handelt, schon. Plötzlich hörten wir ein ungewohntes Geräusch hinter uns. In regelmäßigen Abständen flitzten immer wieder einzelne Rennräder an uns vorbei. Am Jachthafen wurden sie beim Wenden von jemandem registriert. Ohne abzusteigen, flitzten sie dann mindestens zwanzig Kilometer wieder zurück zu ihrem Ausgangspunkt. Dieses Rennen findet alljährlich statt.

Wir radelten weiter in eine wunderschöne Bucht. Hier schmiegen sich die Häuser an einen Hang, sodass alle Bewohner Meerblick haben. Mir fiel wieder ein „rotes Anwesen“ auf. Eindeutig die Lieblingsfarbe der Besitzer: Dach, Klinker, Fenster, Haustür, Rollos, Eingangstor, alles ROT. Im Vorgarten blühten Mengen von roten Mohnblumen, daneben stand eine Jacht mit roter Persenning. Ja, sogar an der Naturstein-Hangbefestigung wucherten rotblättrige Steingewächse. Wie die Besitzer wohl das riesige Boot über den Steinhang vom Grundstück herunter ins Wasser bekommen? Durch das Tor passt es jedenfalls nicht. Müssen sie einen Kran bestellen?

Ein kleiner Hund kam bellend angelaufen. Aufrecht stehend kratzte er am roten Gartentor, legte sein Köpfchen schief und sah uns aus seinen kleinen Knopfaugen an, ohne weiter zu bellen. Wie süß! Das weiße Fell war rotbraun gefleckt. Herrchen und Frauchen waren demnach auch bei der Wahl ihres Hundes ihrer Lieblingsfarbe treu geblieben. Dieses „rote Anwesen“ ist außergewöhnlich für Dänemark. Aber die Besitzer scheinen nun einmal die Farbe ROT zu lieben. Ich stellte mir vor, wie sie sich abends mit Rotwein zuprosten. Darin würden sie sich allerdings nicht von den anderen Dänen unterscheiden.

Jetzt schaue ich in den riesigen Spiegel, der hinter dem winzigen Waschbecken angebracht ist, und denke: Warum kann mein Mann nicht Haare schneiden, so wie ich es bei ihm kann? Ich sehe bald aus wie Donald Trump. Howard Carpendale hat die Frisur besser gestanden. Aber seine Spuren verschwanden im Sand, während Tramps Spuren ins Weiße Haus führten. Wie ich gehört habe, mussten die zuständigen Damen und Herren lange nach einer Friseurin fürs Weiße Haus suchen, die dieses Föhnwellenunikat beherrscht; schließlich haben sie eine in Hollywood aufgetan. Sie ist nicht mehr die Jüngste und etwas dement, hat es aber noch voll drauf. Ja, braucht man überhaupt ein Kurzzeitgedächtnis für diese spezielle Frisur, so solange wie die schon unmodern ist? Ich glaube nicht. Und es besteht sicher auch nicht die Befürchtung, dass sie wieder modern wird.

 

Sankt Hans auf allen Hügeln

Heute haben wir Mittsommernacht. Das Wetter ist leider nicht so schön, wir hatten in letzter Zeit schon schönere erlebt. Gegen Abend gehen wir auf unseren Haushügel. Der Weg führt langsam hinauf. Es ist eine Steilküste mit einem Spazierweg. Von da oben können wir unser Auto sehen und ein wenig vom Hausdach. Die ziemlich steile Meeresseite des Hügels ist stark bewachsen mit Büschen und Bäumen. Nach hinten fällt das Land flach ab. Man sieht Weiden und im Hintergrund Buchten – und überall Meer. Es gibt hier mehr Strand als Land. Ganz oben am Ende angekommen setzen wir uns auf eine Bank und genießen den Ausblick.

Auf der nächsten Hügellandschaft liegt die Landspitze, von der wir immer den Sonnenuntergang beobachten. Vor zwei Jahren machte dort ein junger Mann Geräusche mit Klangschalen. Es war ein heißer Tag mit einem roten Sonnenuntergang und einer ganz besonderen Atmosphäre. Als wir zurückgingen und uns umsahen, sah es aus, als stünde der Hügel in Flammen.

Jetzt geht mein Blick nach oben. Wenige große Möwen schweben im Wind, ohne einen einzigen Flügelschlag zu tun. Sehr viele kleine Schwalben flattern blitzschnell hin und her. Ein junges Paar kommt die steile, mindestens zwanzig Meter hohe Holztreppe den Hügel hinauf. Hier gibt es einen Grillplatz mit großem Schwenkgrill. Hej! Sie lächeln etwas gequält und machen ein paar Schritte an uns vorbei. Dann gehen sie die Treppe wieder hinunter. Als wir wenig später wieder unten ankommen, gehen sie freudestrahlend mit ihrem Grillgut und ihren Getränken wieder hinauf.

Nach den Mengen zu urteilen, erwarteten sie noch Freunde und dachten bestimmt, gut, dass die Alten nicht auch grillen wollen. Zurzeit sind die Weißen Nächte. Es wird nie wirklich dunkel. Und heute zur Mittsommernacht wird in ganz Dänemark gefeiert. Hier heißt es Sankt Hans, nach Johannes dem Täufer.

Wir gehen zurück zu unserem Sommerhus. Es ist ein schwarzes Holzhaus. Aber wenn man es von vorne betrachtet, scheint es nur aus einer riesigen, weißen dänischen Quersprossen-Fensterfront und einem tiefschwarz glitzernden Walmdach zu bestehen. Das Dach hat dreieckige, ebenfalls glitzernde Längsleisten. Das Ganze besteht bestimmt aus so einer Art Luxus Dachpappe. Solche Dachbedeckungen sehe ich nur in Dänemark.

Wir sitzen wieder im Haus. Plötzlich rast erneut der rote Seenotrettungskreuzer vorbei. Ich sehe durch mein Fernglas. Nein, es ist gar kein Rettungskreuzer, es sind die Jungs von der Polizei, die da immer so schnell unterwegs sind und deren Boot in royalem Rot leuchtet. Ich kann deutlich die Aufschrift Politi lesen.

Überall an den Ufern sieht man jetzt große Feuer aufflackern. Eins ist sicher, heute gibt es einen triftigen Grund zum Trinken. Skål!