Survival Tour für Ignoranten

Heute Morgen war der Himmel noch blau. Inzwischen sehe ich auf eine fast geschlossene Wolkendecke. Ab und zu blitzt die Sonne durch. Dafür sorgt der kräftige Wind. Gestern beim Sonnenuntergang wurde es schon sehr windig. Als wir nach Hause kamen, fiel mir wieder der Aufkleber an der Türscheibe ins Auge. Auf ihm wird in drei Schritten symbolisch erklärt, wie man die Tür zuschließt. Im Grunde ist es ganz einfach, man muss die Türklinke nur hochziehen und sie während des Schließvorgangs in dieser Position halten. Das ist alles. Dann frage ich mich aber, warum gefühlt ALLE Ferienhäuser in Dänemark wackelige Türgriffe haben. Vor ein paar Tagen kam ich der Ursache auf die Spur: Es liegt daran, dass die Touristen grundsätzlich an den Türgriffen herumrackeln.
Wenn kein Aufkleber angebracht wurde oder dieser total verblasst ist, sage ich nur: Schwamm drüber, ihr hattet nun einmal Pech.

Aber wenn ein Aufkleber gut sichtbar angebracht war, und trotzdem gerackelt wurde, gibt es dafür folgende Gründe:

1. Die Leute haben keinen Verstand.

2. Die Leute haben Verstand, aber diesen im Urlaub kurzzeitig ausgeklinkt.

3. Die Leute haben Verstand, machen aber grundsätzlich erst einmal alles mit Gewalt.

Falls Grund eins und zwei zutrifft, schlage ich vor, in Zukunft lieber einen schönen Urlaub auf der Aida zu buchen. Falls Grund drei zutrifft, denke ich, man kann sich auch anders austoben; wie wäre es mit einer voll krassen Survival Tour?

Wenn wir die Tür abschließen, halte ich meinem Mann die Türklinke hoch, während er den Schlüssel herumdreht. Das nennt man Teamwork.

Manchmal darf der Verstand aussetzen

Gestern wurde es noch richtig herrlich, 26 Grad im Schatten und fast windstill! Und wir badeten im Meer!!!! Mein Mann war plötzlich drin. Da musste ich mich nicht lange überwinden. Schnell in den Badeanzug und in die Neoprenschuhe und ab durch die Mitte über die Steine ins Wasser, bis ich welligen Sand unter den Füßen spürte. Herrlich frisch, mit Betonung auf frisch. Abends, als wir zufrieden aufs Meer schauten, wurde es dann für kurze Zeit völlig windstill.

Die Grüntöne und das Sandgelb der Abbruchkante des anderen Ufers spiegelten sich im Wasser. Sich widerspiegelnde Farben im Meer? Das hatte ich noch nie gesehen, weil es eigentlich ständig in Bewegung ist. Selbst in der Augsburger Puppenkiste bewegt sich das Plastikfolienmeer immer.

Heute ist es soweit. Nach zehn Tagen müssen wir in den zwanzig Kilometer entfernten größeren Ort zum Einkaufen fahren. Zuerst führt uns der Weg an einer kleinen Bucht vorbei, an schönen kleinen Wohn- und Ferienhäusern – in Dänemark unterscheiden sich die Wohnhäuser in ihrer Größe kaum von den Ferienhäusern.  Dann geht es auf der Landzunge immer geradeaus. Rechts und links ist das Meer zu sehen. Die Straße führt durch eine hügelige Landschaft, es geht auf und ab. Wiesen und Felder wogen im Wind, manche glänzen besonders schön dunkelgrün in der Sonne. Ich genieße den Anblick des ebenmäßigen Schimmers, der dem eines Nerzmantels gleicht. Dies hier ist die Art von Luxus, die ich liebe!

Ab und zu sieht man ein hübsches Anwesen und einen hohen Mast mit der dänischen Flagge in Form eines sehr langen dreieckigen Wimpels. An Geschäften sieht man kleine rechteckige Flaggen. Dann kommt eine kleine Ortschaft. Die Häuser sind meist cremeweiß oder gelb gestrichen, die weißen Sprossenfenster sind immer auch noch weiß umrahmt. Einige Dächer sind mit Reet gedeckt. Manchmal sieht es so aus, als hätte ein Riese sein Spielzeughaus auf eine grüne Wiese gestellt. Nichts Störendes ist drum herum. Auch alles andere sieht sauber und ordentlich aus. Dafür sorgen nicht zuletzt die winzigen roten Dreirad-Pick-up-Trucks vom Straßenbauamt, die man ab und zu sieht.

Wir fahren weiter auf und ab. An den Feldrändern blühen blaue Kornblumen und am Straßenrand stehen Mengen von roten Mohnblumen, die in England Poppy heißen. Dort ist es sogar ein gebräuchlicher Mädchenvorname. Jetzt führt der Weg durch ein kleines Waldstück. Die Sonne strahlt durch die hohen Bäume herunter. Dann sehe ich in der Ferne einen Hügel, der mit kleinen Häusern übersät ist, und auf der anderen Seite das Meer. Hier beginnt die größere Ortschaft mit einem größeren Hafen, Supermarkt, Tourist-Information und Fußgängerzone. Dort ziehen wir uns am Automaten dänische Kronen, sehen kurz in die Schaufenster und erledigen unseren Großeinkauf im Supermarkt.

Zum Glück kennen wir uns aus mit dänischen Lebensmitteln. Schnell alles in den Einkaufswagen. Der Hunger erinnert uns daran: Wir dürfen auf keinen Fall Ribbesteg vergessen, also schnell an die Bratentheke. Vor zwei Jahren, als wir den Supermarkt noch genau inspizieren mussten, konnten wir an dieser Theke nicht einfach so vorbeigehen. Ich esse eigentlich kaum mal Schweinefleisch, aber bei diesem eingeritzten Krustenbraten setzt der Verstand aus. Ich habe noch nie beim Hineinbeißen, solch ein Geräusch und solch ein Gefühl im Mund gehabt. Vom Geschmack wollen wir gar nicht erst sprechen. Von Schweinebraten verstehen die Dänen was. Und vom Wein!

Man fragt sich: Ist das hier ein Supermarkt oder ein Weingroßhandel mit Lebensmittelabteilung? Samstags kaufen wir hier nicht mehr ein. Dann ist es sehr voll, obwohl man sagen muss, dass die meisten Kunden dann mit ihren Einkaufswagen hauptsächlich um die Weinregale und Weinverkaufsflächen herumschleichen. In ihren Einkaufswagen schieben sie in freudiger Erwartung auf das Wochenende 3-l-Weinkanister vor sich her. Ich habe noch nie so viele Wein-Pappkanister auf einmal gesehen. Aber es gibt natürlich auch jede Menge Weinflaschen. Über dem Nebeneingang des Supermarktes steht groß: Flasker. Es handelt sich um die riesige, angegliederte Leergutannahme. Der Braten ist heiß. Wir wollen schnell zurück, solange das Fett noch nicht durch die Tüte tropft.

Während wir die Traumstrecke zurückfahren, freue ich mich über meine günstige und wirklich schöne Neuerwerbung, einen Silikon-Schaber mit glasklarem Plastikgriff (perfektes Industriedesign aus China) und auf den perfekten Biss.

Kücheninspektion

Jedes Mal, wenn wir in einem Ferienhaus ankommen, sehe ich erst einmal in die Küchenschränke, um schnell alles zu optimieren. Mein Mann soll beste Arbeitsbedingungen vorfinden. Und es gibt immer etwas umzustellen und zu verbessern, glauben Sie mir. Und was ist dieses Mal zu tun?

Ups, wie sieht es denn hier aus? Plastikvorratsgefäße im Topfdrehschrank, ein dickes Holzschneidebrett ganz oben im Hängeschrank bei Tee und Zucker (wem soll das denn auf den Kopf fallen?), kein Schaber zu finden (man glaubt kaum, was man noch alles aus der Green-Pan-Pfanne raus schaben kann). Dann, oh Schreck, es piept beim Aufziehen einer Großraumschublade. Was soll das denn bedeuten? Wow, es ist ein Geschirrspüler.

Die Inspektion geht weiter: Kochlöffel in der Geschirrschublade zwischen den Tellern unter drei Rollen Frischhaltefolie versteckt. Drei Rollen? Wird nach jeder Vermietung einfach automatisch wieder eine Rolle nachgekauft oder sind das „Mitbringsel“ unserer Vorgänger und Vorvorgänger? Mich wundert es jedenfalls nicht, dass sie kaum gebraucht wird? Hier muss man nämlich nichts frisch halten. Hier wird einfach alles aufgegessen, was auf den Tisch kommt. In Konservendosen und Gefrierbeuteln ist nämlich alles portioniert, sprich rationiert. Und ich kann aus eigener Erfahrung sagen: „Seeluft macht hungrig!“

Leidenschaft für schöne Häuser

Ich erwache und schaue zum Meer, aber es ist weg. Alles sieht weiß aus und ist diesig, als ob es weder den Himmel noch das Meer gäbe. Ich fühle mich irgendwie schwach und lege mich wieder hin. Ich denke an den gestrigen wolkenlosen Sonnenuntergang. Als wir wortlos an der Landspitze standen, wehte nur ein zartes Lüftchen. Es fühlte sich angenehm frisch an. Vom Aufstieg war mir sehr warm geworden. Nachdem die Sonne verschwunden war, blickte ich mich zum Land um. Zwischen grünen Hügeln lagen Buchten. Es sah aus wie eine Seenlandschaft. Wiesen, Büsche, windschiefe Bäume. Auf einer Weide galoppierten drei Kühe ausgelassen herum. Ihre Artgenossen waren mit wichtigeren Dingen beschäftigt, nämlich mit dem Grasen.

Am Tage hatten wir auf dem kleinen Rasen neben dem Haus gesessen bzw. gelegen. Über uns flogen kleine Schwalben emsig hin und her. Mal segelten sie, mal schlugen sie so schnell mit den Flügeln, wie ein nasser Hund sich schüttelt. Auf dem Meer flitzte ein Motorboot. Man konnte hören, wie der Bug in kurzen Abständen auf das Wasser schlug. Am späten Nachmittag hörten wir immer wieder einen Kuckuck aus der Ferne. Nachdem wir abends ins Haus gegangen waren, setzte ich mich auf das Ikea Ektorp Sofa und blickte entspannt nach oben.

In diesem Walmdach-Bungalow kann man direkt bis unter das Dach gucken. Alles ist offen. Über dem kleinen Schlafzimmer, dem Bad und der offenen Küche befindet sich eine Art Galerie mit einer Schiffsreling davor. Dort oben liegen Matratzen und Auflagen. Hier können also noch mehr Feriengäste schlafen. Aufrecht gehen und stehen ist auf der Galerie aber nicht möglich. Wir nutzen den Platz vor allem, um unsere Transportboxen gut zu verstauen. Eine Leitertreppe, die mit einem dekorativen Messinghaken an der Wand befestigt ist, führt direkt nach oben. Man muss nur den Haken lösen, schon kommt sie einem entgegen.

An der hinteren Dachseite befindet sich ein großes Velux Fenster, das man mit einer Fernbedienung öffnen und schließen kann, falls es mal innen zu heiß werden sollte. Wir sind das dritte Jahr in diesem Haus. Bis jetzt hat es immer gereicht, die beiden Türen offen stehen zu lassen. Der Wind weht dann angenehm durch das Haus. Tatsächlich hat das Haus zwei Eingangstüren, die direkt gegenüberliegen. Und vor jeder Tür befindet sich eine gepflasterte Terrasse und eine kleine Rasenfläche.

Oft blicke ich nach oben durch das Dachfenster, an dem steilen Hügel entlang, der sich direkt hinter dem Haus befindet, hinauf in den blauen Himmel. Dann denke ich, ist es mein Haus? Ja, ich habe es mir gewählt. Ich liebe es mit seinen Ameisen und all seinen kleinen Unzulänglichkeiten.

Liebevoll lege ich Tücher um das Mundspülbecken. Was heißt schon perfekt. Nichts und niemand ist perfekt. In mein geliebtes Sommerhus möchte ich mit meinem Mann jedes Jahr zur Mittsommerzeit zurückkehren.

Schöne Häuser sind meine Leidenschaft. Ich empfinde tiefe Sehnsucht, wenn ich ein schönes Haus sehe. Ich schaue Filme an, nur wegen der darin vorkommenden Häuser. Ich erwache manchmal aus einem Traum, in dem ich wunderschöne Häuser sehnsüchtig angeschaut hatte. Ich sehe jedes Detail. Wenn ich ein Haus anschaue, weiß ich sofort, was man verbessern und optimieren könnte. Bei manchen sehe ich leider nur eine Abrissbirne. Da kommt jede Hilfe zu spät. Zu viel wurde daran verschlimmbessert. Bei manchen Neubauten fragt man sich, was ein Architekt für Geld alles aushalten und mitmachen muss. Was manche Leute nicht zu wissen scheinen: Häuser sollten wiederverkäuflich sein. In England kennt jeder den Wert seines Hauses, auch wenn er es nie verkaufen wird. Bauherr zu werden, scheint heutzutage eine ziemlich sichere Methode zu sein, um sich unglücklich zu machen. Aber im Hier und Jetzt denke ich nur an dieses Häuschen. Es war Liebe auf den ersten Blick!!!

P. S. Der Puppenkisten-Bootsmann ist inzwischen wieder unterwegs. Oh, je! Hat er etwa zugenommen? Dann könnte er gleich mit seinem Boot abgluckern. Fraglich ist, ob er sich dann mit seinem angefutterten Rettungsring über Wasser halten kann?

Kleines Bad mit Mundspülbecken

Es ist noch früh, aber ich kann nicht mehr schlafen, habe schon im Kopf, was ich heute schreiben will und brenne darauf, es in den Laptop zu tippen. Das Fenster war die ganze Nacht weit geöffnet. Es wird von Tag zu Tag sommerlicher und wärmer. Der Himmel ist wolkenlos und der Holunderzweig guckt herein und sagt: „Dann steh doch auf!“

Mein Mann ist schon mit dem Fahrrad unterwegs und mich hält nichts mehr im Bett. Wenig später stehe ich an der Spüle vor dem breiten Küchenfenster und lasse mich genussvoll von der Morgensonne wärmen, während ich meinen grünen Tee trinke. Mein Blick geht nach rechts durch die riesige Fensterfront übers Meer. Ein weißes Segelboot ist schon unterwegs. Ich frage mich, kann man näher am Meer wohnen? Zwischen Haus und Meer sehe ich nur Lavendel, ein paar Büsche, Heckenrosen und hohes, im Wind wogendes Gras. Eine Libelle fliegt vor dem Fenster hin und her, wie ein Hubschrauber, der einen Landeplatz sucht. Gestern haben im Jachthafen viele Boote festgemacht und es war auch schon eine Schar von Menschen zu sehen. Die Saison beginnt.

Nun frühstücken wir an dem großen rechteckigen Esstisch, den wir quer vor die Fensterfront gestellt haben. Gemütlich sitzen wir nebeneinander und vor uns stehen unsere beiden Ferngläser, mit deren Hilfe wir die schöne Umgebung genau beobachten können. Wenn einer von uns zum Fernglas greift, greift der andere automatisch sofort ebenfalls zu, denn dann muss da etwas Interessantes zu sehen sein.

Während wir essen, sticht ein Segelboot nach dem anderen in See, ich zähle sechszehn. Mein Blick geht weiter, links am Ufer entlang. Dort sehe ich etwas, kann es aber nicht richtig erkennen. Also greife ich zum Fernglas. Ein großer schwarzer Hund rennt vom Strand ins Wasser, um einen Stock zurückzubringen. Herrchen streckt den Arm aus, aber der Hund will den Stock nicht hergeben. Immer wieder legt er ihn ab. Schließlich gibt er ihn Frauchen. Sie schleudert das Holzstück zurück ins glitzernde Wasser, während der Hund schon erwartungsvoll losläuft. Herrchen und Frauchen umarmen sich. Es ist ein schon etwas älteres Ehepaar. Sie schlendern Hand in Hand weiter und finden ein weiteres Stück Treibgut. Der Hund kann vor lauter Aufregung kaum abwarten, es gleich aus den Fluten zu holen.

Wenn man das Bad in unserem Häuschen zum ersten Mal sieht, fragt man sich: Wo ist die Dusche? Dann wird einem klar: Das Bad selbst ist die Dusche. Ich schätze, der Raum ist etwa 1,5 Meter tief und 2 Meter breit. Auf der einen Seite kommt ein Schlauch mit einem Brausekopf aus der Wand und im Fußboden ist ein Abfluss. Gegenüber befinden sich die Toilette und das Waschbecken. Vorsichtig lasse ich das Wasser über meinen Körper laufen und bin erleichtert, dass
– die Wände (die jetzt vollspritzen) nicht gestrichen oder holzverkleidet sind, wie in manchen Ferienhäusern, sondern gefliest.
– das Wasser nicht gleichzeitig über Waschbecken und Klo läuft, wie in manchen Ferienhäusern,
– der Abfluss nicht verstopft ist!!!

Ich stehe mit Badelatschen in einer Wasserlache auf dem gefliesten Boden und freue mich, dass in diesem Sommerhaus alles so EINFACH ist – und warm. In anderen Ferienhäusern hatte ich früher immer spätestens im Bad gefroren und einen Heizlüfter gebraucht.

Beim Zähneputzen fällt mir ein, dass ich vergessen habe, das Waschbecken zu beschreiben: Man stelle sich das kleine Mundspülbecken beim Zahnarzt vor, aber einen Tick größer. Es steht hier wie eine Schüssel auf einem kleinen Unterschrank, so wie es heute modern ist. Es gibt keine Mischbatterie. „Heiß“ und „kalt“ müssen getrennt bedient werden, fließen jedoch aus einem schön geschwungenen Wasserhahn, nicht wie wir es in England häufig gesehen haben, aus zwei separaten Wasserhähnen. Das Ganze sieht sehr stylish aus. Kein Zweifel, es handelt sich bei dieser Waschgelegenheit um ein Designerstück, schön aber unpraktisch. Beim Waschen geht grundsätzlich Wasser daneben.

Aber ich bin froh darüber, dass der Unterschrank aus Kunststoff besteht und nicht aus (sich durchweichendem) Holz, wie in manchen anderen dänischen Ferienhäusern. Wir haben nämlich die Erfahrung gemacht: So wie in Deutschland, wird auch in Dänemark viel Kunststoff verwendet. Aber in unserem Urlaubslieblingsland kann man sich meistens darauf verlassen, dass ausgerechnet die Küchen- oder Badoberflächen, die öfter ab- und trocken gewischt werden müssen, aus Materialien bestehen, die Feuchtigkeit und Schmutz ganz in sich aufnehmen, wie z. B. Holz. Das ist wirklich eigenartig und vor allem unpraktisch.

Aber mit den Augen der Liebe, sieht man nun mal nur das Schöne und über alles andere hinweg. Also gebe ich mein Bestes bei der Schadensbegrenzung, denn ich liebe dieses Sommerhaus.

»Chili Texas Topf« für angehende Vegetarier

Ich erwache und blicke in einen wolkenlos blauen Himmel. Ich rieche das Meer und muss sofort einen Blick darauf werfen. Es glitzert im Sonnenschein, so wie es abermillionen Edelsteine nicht besser könnten. Ein Vogel fliegt auf und verliert etwas aus dem Schnabel. Nein, er fliegt immer wieder auf und lässt eine Muschel hinunter fallen, um sie zu knacken. Wie schlau! Ein paar Vögel fliegen vorbei, nein, ich glaube, es sind Enten. Wenn man sie malen wollte, bräuchte man ein Lineal, so schnurgerade sind ihre Körper, als hätte jede von ihnen einen Stock verschluckt. Ob das wohl Stockenten sind? Grins! Die Flügel stehen im rechten Winkel zu den Körpern und sind entweder über oder unter den Tieren zu sehen. Die Abstände zwischen den Enten sind auch immer genau gleich. Das wäre ein Fall für einen technischen Zeichner. Jetzt fliegt der kleine Schwarm wieder ganz dicht über der Meeresoberfläche – ein wunderschönes Bild.

In der Ferne höre ich das Tuten eines großen Schiffes. Auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht liegt eine Werft, was man am Tag kaum wahrnimmt. Aber nachts, wenn der Himmel sich ein wenig abdunkelt, leuchten von dort viele Lichter herüber. Wenn die Sterne und der Mond mal nicht zu sehen sind, haben diese Lichter am Horizont eine besondere Anziehungskraft. Aber jetzt sitze ich auf der Terrasse und genieße den Lavendel, seine Farben, seinen Duft. Ja, man glaubt es kaum: Vor der gesamten bodentiefen Glasfront des Hauses, das sogar noch um die Ecken herum geht wie ein Erker, blüht Lavendel. Dann plötzlich sehe ich das Segel eines Kitesurfers ziemlich dicht am Haus. Und schon wendet er und lässt sich wieder auf die Weite des Meeres zurückziehen. Eine Möwe kreischt. Das hört man hier nicht so oft.

Gestern öffneten wir eine Dose »Chili Texas Topf«, verbesserte Rezeptur stand groß drauf. Beim Essen spürte ich weiche Würstchenstücke auf der Zunge, zumindest dachte ich das. Anschließend sah ich mir die Zutatenliste genau an. Sie stand hinten auf der Dose im Kleingedruckten: Fleischwurst 4,2 %. Mit solch einer Zahl kann man bei den Verbrauchern natürlich nicht punkten. Deshalb befindet sich vorne auf der Dosenbanderole ein gut sichtbar hervorgehobenes Hinweisschild mit allen möglichen Informationen, die den Käufer positiv stimmen sollen. Als Hersteller muss man das wohl heute so machen. Ich las: ohne künstliche Farbstoffe (braucht man die in einer Tomatensoße?), ohne Geschmacksverstärker (braucht man die bei dieser höllischen Schärfe?), ohne Konservierungsstoffe (braucht man die in einer Konserve?) Meines Wissens sind die meistens ohnehin nicht erlaubt.

Um das Ganze zu krönen, prangte oben rechts noch ein schwungvoll gebogenes grünes Blatt, daneben stand: „Natürlich!“ Alles klar, dachte ich: Bio, vegetarisch, vegan, glutenfrei, lactosefrei, Low-Carb, ökologisch, fair trade zertifiziert … hätte man sicher auch noch gerne abgehakt; ging aber nicht. Aber irgendetwas musste doch noch abzuhaken sein. Natürlich! Mit diesem wohlklingenden Wort kann man praktisch nichts falsch machen. Was bedeutet es schon? Ist nicht alles irgendwie natürlich?

Außerdem handelt es sich nicht um einen geschützten Begriff, oder? Natürlich nicht !!!!!

 

Puppenkistenwetter für Übergewichtige

Heute ist der Himmel übersät mit weißen Wattebäuschen. Die hübschen Wölkchen sehen teilweise aus wie Rohrnudeln, die auf einem hellblauen Blech aufgereiht sind. Man kann sie aber auch mit Sixpacks vergleichen. Apropos: Mein Mann macht schon Gymnastik auf seiner Matte. Ich spüre das extrem weiche 140 cm breite Polsterbett unter mir. Es wird von zwei riesigen Holzkufen getragen. Wenn diese nicht quer angebracht wären, könnte man das Bett im Schnee von einem Pferd wie einen Schlitten ziehen lassen. Hier haben inzwischen die meisten Häuser diese Betten.

Die Ameisen haben übrigens wieder bei uns angeklopft. Das von den Nachbarn angebotene Dosenfutter mögen sie nicht. Also haben wir uns mit ihnen arrangiert oder sie mit uns. Jedenfalls bleiben sie nun, von Ausnahmen abgesehen, auf ihrer Seite des Hauses. Diese befindet sich unter den Fußbodenleisten, besonders in der Nähe des Kühlschranks.

Das Meer sieht aus wie das der Augsburger Puppenkiste, also wie eine Plastikfolie, die ganz sachte auf- und abbewegt wird. Ein winziges Boot fährt langsam auf der glatten Oberfläche. Sein Bug ragt sehr weit aus dem Wasser; es wirkt so, als ob das halbe Boot über der Wasseroberfläche schweben würde. Gespannt warte ich darauf, dass der Mann, der in dem Boot sitzt und ganz offensichtlich übergewichtig ist, gemeinsam mit seinem Außenbordmotor hinten abgluckert. Aber nichts dergleichen passiert. Ganz im Gegenteil, der Mann fährt gemächlich wieder zurück und genießt seinen Schönwetter-Ausflug. Eines steht fest, wenn er beim Bootfahren in Zukunft nicht mehr auf Puppenkistenwetter angewiesen sein möchte, hat er zwei Möglichkeiten:

Entweder kauft er sich ein XXXL-Boot oder er überdenkt seine Ernährung und nimmt ab. Aber er wartet wohl lieber auf das passende Wetter, denke ich. Immer nach dem Motto: „Don’t change a winning horse.“ Das Pferd darf nur beim Warten nicht zunehmen!

Es ist alles sehr modern hier. Der Jachthafen mit seinem kleinen rot-weißen Leuchtturm hat neuerdings Selbstbedienung und es gibt natürlich auch Slipanlagen, auf denen jeder sein Boot selbst ins Wasser gleiten lassen kann. Neben den Anlegern steht ein Kassenhäuschen, in dem man seine Liegegebühren bargeldlos entrichten kann. Das Ticket wird einfach hinter der Windschutzscheibe des Bootes sichtbar angebracht, wie man es vom Parken gewohnt ist.

Gestern sind wir natürlich wieder an den Weiden entlang unter leuchtend orangegelbem Himmel zum Sonnenuntergang gegangen. Die abgezäunten Weiden haben grundsätzlich schräg gebaute Gatter, die von selbst wieder zufallen, damit die Kühe nicht weglaufen können und womöglich die Klippe herunterfallen. Die Gatter selbst sind alle in einem schönen Rot gestrichen und mit kleinen, sorgfältig angebrachten Schildern versehen; auf ihnen ist ein wirklich gut getroffenes Symbol der königlichen Krone zu sehen. Es ähnelt den Briefkästen der königlichen Post. Ja, auch das knallert freie Naturschutzgebiet untersteht dem Schutz der Krone. Königin Margarethe lässt grüßen. Seufzer.

Ich finde es absolut richtig und wichtig, dass wir in Deutschland keine Monarchie haben. Aber wenn ich das hier sehe, muss ich sagen: „So eine Krone hat was!“

Krabbelfreie Zone

Als ich heute erwachte, sah ich in den hellblauen Himmel mit seiner blass weißen Marmorierung. Das Bett steht direkt am Fenster und ein blühender Holunderzweig guckt herein. Durch den großen Wohnraum scheint die Sonne ins Haus, in dem alles offen ist (es gibt zwei Schiebetüren, die wir nicht rauslassen). Man hört Meeresrauschen durch den Spalt des Fensters. Ich stehe auf und blicke aufs Meer mit seinen weißen Schaumkronen. Rechts sieht man das gegenüberliegende Ufer bis zum Ende der Bucht kaum. Ein weißes Segelschiff kreuzt in Richtung Jachthafen gegen den Wind. Mein Mann ist mit dem Fahrrad Brötchen und Erdbeeren holen gefahren. Seitdem wir hierher fahren, weiß ich wieder, wie Erdbeeren eigentlich aussehen und schmecken sollten: Rot glänzend und aromatisch, zum sofortigen Hineinbeißen.

Gestern spät sind wir noch zum Sonnenuntergang gegangen. Den Rundweg der Landzunge erst einmal rechtsherum; es ist die windabgewandte Seite an einer kleinen ruhigen Bucht. Das Wasser gluckert nur. Es duftet nach Gras und Blüten. Für mich das kostbarste Parfum der Welt. Lämmchen wackeln mit ihren Lämmerschwänzen, während sie bei ihrer Mutter trinken. Vor zwei Jahren konnten wir zusehen, wie ein Schafscherer in einem kleinen Gatter ein Tier nach dem anderen aus seinem Pelz schälte.

Über uns erstreckt sich jetzt der dunkle blaugrau schattierte Himmel. Es geht bergauf bis an die Landspitze. Unterhalb der Wolkendecke scheint die orange goldgelb leuchtende Sonne scheinwerferartig herunter und lässt das Meer glänzen. Wir sind oben auf der Spitze angekommen. Der Wind bläst uns stark entgegen und verschlägt uns den Atem. Wir sind die einzigen Menschen hier. Dann plötzlich ist die Sonne voll sichtbar. Es ist ein einmaliges Bild! Wir stehen nur wie gebannt da und trotzen dem Wind. Dann gehen wir an der Steilküste entlang zurück. Immer wieder sehen wir uns um. Das Naturschauspiel, das uns der Sonnenuntergang bietet, ist nie das gleiche.

Im Haus angekommen erwartet uns nur eine einzige Ameise, die etwas verloren auf dem weißlich getünchten Holzdielenfußboden herumkrabbelt. Offenbar hat sich bei ihr und ihren Artgenossen inzwischen herumgesprochen, dass die neuen Bewohner keine Dosen mit kleiner Öffnung und leckerem Inhalt in den Räumen verteilen, sondern stattdessen lieber mit dem Besen für eine krabbelfreie Zone sorgen. Ich nehme an, dass auch sie sich nun wie die anderen auf den Weg zu den Nachbarn machen wird, immer in der Hoffnung, dort etwas mehr Verständnis für einen hungrigen Magen entgegengebracht zu bekommen.

Schade, dass Ameisen nichts von Chemie verstehen.

Pressefrei baumelt die Seele

Ich merke, dass mir das Schreiben Lebensfreude schenkt. Es lenkt mich vom ständigen Grübeln ab, wie nichts anderes. Ab und zu schafft das ein Buch. Aber wenn ich mal ein Buch finde, das mich fesselt, dann schmilzt es in meinen Händen dahin, wie Butter in der Sonne. In diesem Jahr habe ich die 52 abgelegten Frau im Spiegel-Ausgaben meiner Mutter nicht wie sonst zum Lesen mitgenommen, und es spricht alles dafür, dass ich sie zu Hause ungelesen einfach in die blaue Tonne drücken werde.

In den Jahren zuvor hatte ich den Urlaub immer dazu genutzt, neugierig sämtliche Informationen aus diesen Zeitschriften regelrecht aufzusaugen und war dadurch gedanklich in einer ganz anderen Welt und weniger bei mir selbst verhaftet. Was man da zwischen den Zeilen sehen und lesen kann ist hübsch hässlich und irre komisch, meist mehr irre als komisch.  Damit ist jetzt Schluss! Der Urlaub gehört ganz dem Seelenbaumeln und seit Neuestem auch dem Schreiben.

Heute ist es immer noch stürmisch. Das Meer ist übersät mit weiß gesäumten Wellen. Alles Grün im Vordergrund bewegt sich hin und her. Die Blätter glänzen im Sonnenschein. Eine einzelne weiße Möwe segelt am hellblauen Himmel. Über dem gegenüberliegenden Ufer unserer Bucht ist ein weißer Wolkenkranz. Sein Weiß ist am oberen Rand wie mit einem breiten Pinsel verwischt. Links sehe ich den kleinen Jachthafen, der gut geschützt in einer der vielen Einbuchtungen liegt. Dann kommen Hügel, einer mit sandfarbener steiler Abbruchkante; sie sind dunkelgrün bewaldet oder mit hell grünen Wiesen bedeckt. Hinter dem Haus vom steilen Hügel herunter zwitschern plötzlich Vögel. Es kommt mir so vor, als wollten sie sagen: „Es ist zwar stürmisch, aber wir singen dir trotzdem etwas vor, weil du es so liebst.“ Direkt vor mir liegt der steinige Strand. Abends spät gehen wir noch einmal die wenigen Schritte zum Wasser, von dem eine frische Brise herüberweht. Das Atmen fühlt sich an, als wenn gerade kühles Wasser einen schrecklichen Durst stillt.

Es wird kaum dunkel um diese Jahreszeit. Als wir zum Haus zurückgehen, entzünde ich in Gedanken ein Feuer am Strand, und zwar an einem Stapel Zeitschriften. Bevor er in Flammen aufgeht, kann ich gerade noch einen Star und seine riesige Hollywood-Villa sehen. Da überkommt mich ein wunderbares Gefühl. Ein Gefühl der Ruhe und Zufriedenheit hier in der Natur vor unserem Häuschen. Und dann hoppelt ein Hase vorbei und ich spüre, meine Seele ist angekommen.

Dänen lügen nicht

Ich erwache und habe das Gefühl, ich liege nicht, ich schwebe. Ist meine Schulter überhaupt noch da? Ich spüre keinerlei Druck oder Schmerz. Doch, sie ist noch da, sie war nur druckfrei versunken, und zwar in dem weichen dänischen randlosen Polsterbett, das auf einer Art Kufen steht. (Im Winter könnte man es vermutlich als Schlitten einsetzten, aber das ist eine andere Geschichte.)

Als Betten-Verkäufer würde ich es folgendermaßen anpreisen: „Bei diesem Modell handelt es sich um ein schulterschmerzfreies Slip-Modell mit pull and push Kufen-Funktion. Es ist 180 cm breit und lässt sich im Handumdrehen auf dem Boden vor und zurück und hin- und herschieben. So können Sie dahinter und darunter ganz leicht sauber machen und es RUNDUM frisch beziehen. Es wäre auch in Deutschland der Liebling aller Haus- und Putzmänner bzw. -frauen.“

Schade, bei uns quält man sich nach wie vor lieber mit unverrückbaren Riesenbettgestellen. Besonders beliebt ist derzeit das nicht handelbare Boxspring-Bett, immer nach dem Motto: Wenn schon unpraktisch, dann auch teuer – das nennt man dann Designer-Stück.

In den anderen dänischen Ferienhäusern hatten wir früher immer zwei nebeneinanderstehende 90 cm breite Versionen unseres heutigen Bettentraums. Sie wurden mit einer serienmäßig dazugehörigen Spange an den Kufen zusammengehalten. Es bestand nämlich sonst die Gefahr, dass im entscheidenden Augenblick einer der Partner (oder beide) zwischen den Betten verschwindet. Ich weiß, wovon ich spreche, denn in einem unserer Ferienhäuser fehlten die notwendigen Spangen, womit wir nicht gerechnet hatten. Was soll ich sagen, nur soviel – wir kamen aus dem Tal der Ahnungslosen …

Am nächsten Tag hatte mein Mann die Kufen mit einer Schnur zusammengebunden, damit wir keine bösen Überraschungen mehr erleben konnten. Erstaunlich, welchen Komfortgewinn so ein kleines Stück Schnur bewirkt.

Vor 26 Jahren – als wir unsere ersten Gehversuche in Sachen Dänemarkurlaub machten – mussten wir mit seeeeehr viel weniger Luxus auskommen. Wir hatten ein »Sommerhus« auf Seeland gebucht. Es gab noch kein Internet. Im Prospekt stand Die Kojen sind guten. Also sind die Betten gut, dachten wir. Aber die Betonung lag auf Kojen.

In der ersten Nacht lag ich oben, in einem sehr hohen Hochbett, auf das keine richtige Leiter führte. Die Besitzer mussten zweifellos Riesen sein und es selbst eingebaut haben. Das Bett war so hoch, dass ich am nächsten Morgen, beim Versuch rückwärts hinunterzukommen, mit den Hüftknochen auf der harten Kante auflag und weder vor noch zurückkam. Mein Mann musste mich befreien. Diese Schlafgelegenheit war eindeutig nicht zu empfehlen, höchstens für Masochisten oder Selbstmörder. Wir haben dann meine Matratze auf den Fußboden gelegt und den Urlaub trotzdem genossen. Was Betten in dänischen Ferienhäusern betraf, bestand also akuter Handlungsbedarf.

Wie wir jetzt wissen, hat sich in unserem Urlaubslieblingsland seitdem auf diesem Gebiet viel getan. Inzwischen kann ich sagen: „Dänen lügen nicht, wenn sie behaupten würden, uns bettentechnisch überholt zu haben!“