Ich wollte mit meiner 86 jährigen Mutter und ihrer ersten und wahrscheinlich einzigen polnischen Pflegekraft, die mit ihr fertig wurde, einen Ausflug machen; sie hatte es sich verdient, nicht meine Mutter. Mein Mann und ich wohnen in einem Vorort. Das Ausflugsziel, ein malerisches Künstlerdorf, liegt genau eine Ortschaft weiter. Dort gibt es viele gemütliche Cafés mit selbst gebackenem Kuchen im Angebot.
Wir hatten vor, im Garten des Puppen Cafés zu sitzen und anschließend in den hübschen kleinen Kunstgewerbe-Läden zu stöbern – der Rollator macht es möglich. Um meine Mutter abzuholen, fuhr ich die Autobahn in Richtung Stadt. Auf dem Rückweg musste ich feststellen, dass die Autobahnzufahrt gesperrt war. Ich konnte aber auf dieser Schnellstraße nur geradeaus weiterfahren. Plötzlich fand ich mich in einer fremden Umgebung wieder.
Zum Glück habe ich immer einen Stadtplan im Auto. Er ist jedoch leider auch nicht mehr der Jüngste. Unser Weg endete an einem inzwischen stillgelegten Bahnübergang. Es war ein sehr warmer Tag im Mai und auf dem Beifahrersitz redete meine Mutter unaufhörlich auf mich ein. Im Wechsel bemängelte sie, dass wir nicht durch die Stadt gefahren seien und dass sie nicht, wie ich, eine weiße Hose trug.
Schließlich fand ich einen sehr ländlichen Weg, der in die richtige Richtung führte. Dann sah ich einen Deich und wusste plötzlich genau, wo wir waren. Shit, hier ist das Autofahren nur für Anlieger erlaubt. Hoffentlich erwischt mich niemand, dachte ich so bei mir und sah auch schon in der Ferne einen Polizeiwagen. Einen Moment überlegte ich, ob ich umkehren und schnell davonbrausen sollte. Nein, lieber nicht, die Polizisten hatten mich bestimmt schon gesehen. Ich fuhr also langsam weiter und wurde an den Straßenrand gewunken. Der Polizeiwagen stellte sich direkt neben mein Auto und ließ die Seitenscheibe automatisch herunter, während ich meine herunterkurbelte. (Ja, bei mir läuft noch einiges mechanisch!)
Der Polizist am Lenkrad sah eine Frau mit einem gequälten Gesichtsausdruck, Schweißperlen auf der Stirn und einem zerfledderten Stadtplan auf dem Schoß, die neben einer alten nervigen Frau saß. Eine andere nette Frau saß auf der Rückbank und bekam kaum noch Luft in dem kleinen Auto ohne Klimaanlage.
Ich sah einen Polizisten in einem klimatisierten großen Mittelklassewagen, der neben einem netten Kollegen saß. Beide wurden dafür bezahlt, dass sie hier patrouillierten. Ich würde jetzt auch lieber arbeiten, dachte ich. Auf diese Art von Freizeit kann ich verzichten. Inzwischen kam noch ein Auto von der anderen Richtung angefahren. Der Polizist winkte es an seine andere Wagenseite. Nun standen drei Autos dicht nebeneinander.
Die Scheibe gegenüber und die des anderen Autos gingen fast gleichzeitig herunter. Nun waren wir alle durch offene Fenster miteinander verbunden, was nicht unbedingt ein Vorteil war. Denn während die Fahrerin ihren Berechtigungsschein für Anlieger zeigte, wurde das Gespräch zwischen ihr und dem anderen Polizisten von dem ständigen und nervigen Gequake meiner Mutter untermalt. Die Frau durfte weiterfahren, während wir immer noch in der Hitze warteten. Die beiden Beamten wendeten sich wieder mir zu und wechselten vielsagende Blicke.
Ich dachte nur, wenn das hier eine Filmszene wäre, hätte ich im Drehbuch gerne folgenden Text: „Officer, ich fahre hier wirklich nicht zum Vergnügen, glauben sie mir.“ Ich brauchte nicht viel zu sagen. Der Officer vor mir sah in meine verzweifelten Augen. Sein mitfühlender Blick wanderte zwischen mir, meiner Mutter und der Pflegerin hin und her. Dann wies mir den richtigen Weg und ließ mich „laufen“.
Ich weiß nicht, wie hoch die Geldstrafe ausgefallen wäre, aber man kann sagen, dass sich das Gequake meiner Mutter endlich einmal bezahlt gemacht hatte.
Es hätte nur noch gefehlt, dass Agnes auf der Rückbank die Frage gestellt hätte, ob es noch weit bis zur Grenze sei. Die Szene ist jedenfalls filmreif, auch wenn ich Dich nicht darum beneide, die Hauptrolle spielen zu müssen. Man kann sich im Leben eben nicht immer die Rosinen rauspicken.