Du kriegst die Motten

Meine Mutter ist ein bodenständiger Mensch, man kann sagen, sie ist immer auf dem Teppich geblieben – und das wird sich wohl auch nicht ändern.

Als ich sie gestern besuchte, fand ich sie auf einem Teppich sitzend, eingeschlafen vor. Sie hatte sich eine ihrer kleineren Perser-Brücken auf einen Sesselstuhl ihres Balkons gelegt. Dabei hätte sie es sich so bequem machen können mit einer der neuen, dick gepolsterten Auflagen, die in der Box neben den Stühlen aufbewahrt werden. Aber die kleine Brücke war mit nur einem Griff einsatzbereit.

Als sie aufwachte, wollte sie für mich dann auch gleich ein solches Exemplar auf einen Stuhl legen. Es befinden sich nämlich neuerdings mehrere Läufer aufgerollt auf ihrem Balkon. Sie stammen allesamt aus ihrem „eisernen“ Teppich-Vorrat, der sich in ihrem Schlafzimmer befindet. Leider fanden die Motten REINE Schurwolle, die nicht regelmäßig gesaugt wird – und wenn, dann nur von einem Staubsauger, der seinen Namen nicht verdient – zum Anbeißen, zumindest für ihre Brut.

Nachdem meine Mutter die Motteninvasion entdeckt hatte, brachte sie die sichtbar befallenen Läufer auf den Balkon in die Sonne. Ich weiß nicht, ob das die richtige Maßnahme ist, denn die Motten sind seitdem noch schneller am Ort ihrer Begierde, denke ich. Und sie haben es sehr gemütlich, solange die Brücken eingerollt bleiben. Außerdem ist der Balkon für diese ”possierlichen Tierchen“ sicherer als das Schlafzimmer, das ich inzwischen mit Mottenfallen und Mottenvernichter ausgestattet habe.

Ich glaube nicht, dass ich den Perser-Brückenvorrat retten kann. Aber wozu auch? Wer fliegt schon heute noch auf solche Teppiche? Höchstens Motten! Dann kann ich nur sagen: Guten Appetit!

Besuch vom nassen Peter

Meine Eltern hatten einen Schrebergarten in einem Nah-Erholungsgebiet zwischen dem großen Fluss und einem kleinen See mitten in der Stadt. Als Kinder verbrachten wir fast jedes Sommer-Wochenende und häufig auch die Ferien dort. Nach dem Tod meines Vaters behielt meine Mutter die Parzelle – allein schon, weil sie gerne Früchte erntete und verarbeitete.

Ein alter Freund des Hauses, zehn Jahre älter als sie, hatte dort ebenfalls einen Garten. Im Sommer schwammen die beiden verwitweten Naturfreunde oft gemeinsam über den See und zurück. Direkt am anderen Ufer befindet sich eine orthopädische Klinik, in der meine Mutter eines Sommers, nach einem Eingriff, ein paar Tage verbringen musste. Wie es sich gehört, wollte ihr der alte Freund einen Besuch abstatten.

Gedacht, getan, zog er sich seine Badehose an und schwamm kurzerhand und mit langen Zügen über den See. Drüben angekommen ging er, so nass, wie er war und nur in Badehose, direkt in das Krankenhaus. An der Rezeption sagte er nur: „Ich möchte jemanden besuchen.“

Die „Empfangsdame“ hinter der Glasscheibe nickte mit offenem Mund und ausdruckslosem Gesicht. Ihr Blick ging langsam an dem fremden Mann in der Badehose hinunter und wieder hoch. „Aha“, brachte sie zunächst nur heraus. Dann gewann ihre professionelle Seite wieder die Oberhand und sie fragte freundlich: „Oder möchten sie vielleicht abgeholt werden?“, und sie fügte hinzu: „Ich kann für sie anrufen. Sie können aber auch selbst hingehen. Linke Hand, immer am Ufer entlang. Da geht es direkt zur Nervenklinik.“

Damals war unser „Onkel Peter“ noch nicht dement. Man kann sagen, er war einfach nur ein eigensinniger, komischer Kauz. Die Demenz kam erst später. Ab dann hatte er keine Zeit mehr zum Schwimmen, denn er war seeehr beschäftigt mit seinen Mathe-Hausaufgaben für die erste bis vierte Klasse, die sie ihm im Heim aufgaben. Er freute sich stets über die besten Zensuren.

Manchmal wünschte ich, wir könnten meine Mutter auch mit dem kleinen Einmaleins glücklich machen.

Per Dachluke ins Kittchen

Vor langer Zeit zog ein neuer Mieter in ein möbliertes Zimmer meines Elternhauses ein. Er wollte nicht, dass in seinem Zimmer sauber gemacht wird, weil er bei seiner ”Montagetätigkeit“ sehr unregelmäßig arbeiten und deshalb häufig tagsüber schlafen würde. Für meine Eltern war das in Ordnung. Zumal der Mann einen seriösen Eindruck machte und stets freundlich grüßte.

Kaum war er eingezogen, schaute er sich interessiert im Hause um und machte meinen Vater auf eine Schwachstelle aufmerksam, durch die Einbrecher leicht eindringen könnten. Froh über den guten Tipp, bestellte mein Vater auch gleich ein entsprechendes Gitter für das kleine Fenster zum Garten.

Offenbar hatte der nette Herr beruflich mit so etwas zu tun, dachte er. Und tatsächlich stellte sich genau das heraus, als eines Tages zwei Polizisten vor der Tür standen und nach ihm fragten. Meine Mutter führte die beiden Beamten sofort in das Zimmer unseres Mieters. Von einem Durchsuchungs-Beschluss hatte sie keine Ahnung und auch keinen zu Gesicht bekommen, dafür aber die Durchsuchung selbst. Fassungslos starrte sie auf den großen Kleiderschrank, der von unten bis oben mit Fernsehern, Radios und anderer ”heißen“ Ware gefüllt war. Eingebrochen war der „gute“ Mann stets durch ungesicherte Dachluken, wie wir später erfuhren.

Wenn man abschließend alles, was damit zusammenhängt, betrachtet, hatte es sich irgendwann und irgendwie für jeden der Beteiligten gelohnt:

Zuerst hatte es sich für den Mieter gelohnt, weil er in dem möblierten Zimmer günstig wohnte, lange unerkannt blieb und in aller Ruhe bei anderen Leuten über die Dachluken einbrechen konnte.

Später bei der Durchsuchung hatte es sich für die Polizisten gelohnt, die mit einem Erfolgserlebnis das Haus verlassen und den Mann später in aller Ruhe festnehmen konnten.

Und zuletzt hatte es sich für unsere Familie gelohnt, dass der Einbrecher ausgerechnet bei UNS eingezogen war. Denn dadurch befand sich unser Haus sozusagen im Auge des Hurrikans, in dem sich bekanntlich nichts Schlimmes tut, während die Schäden drum herum zu verzeichnen sind.

Bis zum heutigen Tag wurde nicht in mein Elternhaus eingebrochen. Ob wir das dem möblierten Herrn von damals zu verdanken haben? Ich frage mich manchmal, was wohl aus ihm geworden ist, denn seine Strafe muss er längst abgesessen haben. Man kann wohl von folgender Vermutung ausgehen:

Wenn er nicht gestorben ist, sorgt er heute im Seniorenheim für Sicherheit.

Ungewöhnliches Eisbomben-Abo

Die möblierten Zimmer, die meine Eltern über Jahrzehnte vermieteten, sorgten für die ungewöhnlichsten Begegnungen. Ich kann mich noch an eine junge Dame erinnern, die Anfang der 1960er Jahre bei uns wohnte, und zwar im Souterrain-Zimmer. Sie hatte gefärbtes, zu einem riesigen Turm auftoupiertes Haar, enorme schwarze Lidstriche und einen kleinen Schönheitsfleck.

Solche außergewöhnlichen Geschöpfe, wie sie, hatte ich bis dahin nur im Fernsehen gesehen. Ich sah ihr einmal fasziniert zu, als sie sich anmalte und ihre Fingernägel lackierte. Leider konnte ich später mit den Wasserfarben meines Tuschkastens nicht so hinreißende Resultate bei mir selbst erzielen. Und ich duftete auch nicht so gut wie sie, nachdem ich mich mit dem Parfum meiner Oma von oben bis unten beträufelt hatte. Danach konnte ich mich selbst nicht mehr riechen, von den anderen Familienmitgliedern ganz zu schweigen. Niemand wollte mit mir im gleichen Raum sein. Ich fühlte mich scheußlich, hatte dabei aber eines fürs Leben gelernt und nie wieder vergessen: Weniger ist mehr.

Die hübsche Mieterin arbeitete in einer Parfümerie und machte in Sachen Pflege und Schönheit alles richtig. Außerdem war sie immer sehr modern gekleidet und trug Hackenschuhe. Das war wohl auch der Grund, weshalb meine Eltern weniger begeistert von dem „jungen Mädchen“ waren, denn ihre Pfennigabsätze hinterließen unübersehbar dauerhafte Dellen im blank-gebohnerten Fußbodenbelag unseres Treppenhauses. Man könnte von einer prägenden Zeit für den Boden sprechen. Für mich aber war der Fußboden völlig uninteressant, im Gegensatz zu dem Fräulein, das ich wunderschön fand. Leider gefiel sie auch dem verheirateten Besitzer einer italienischen Eisdiele, von dem sie bald schwanger wurde.

Es war nicht sein einziges uneheliches Kind in der Gegend. Und alle bekamen jedes Jahr eine Eisbombe von ihm zum Geburtstag geschenkt, sozusagen on top auf die Alimente. Ja sogar eine Cousine des „unehrlichen“ Kindes – so hatte ich die Bezeichnung aufgeschnappt und deshalb auch nicht verstanden – bekam eine Eisbombe zu ihrem Geburtstag. Ich durfte damals mit am Geburtstagstisch sitzen, als diese überwältigende Köstlichkeit geliefert wurde.

Ich weiß nicht, was die Verwandten dabei empfanden. Ich fand es grandios und wäre auch gern ein ”unehrliches“ Kind gewesen, aber nur an meinem Geburtstag!

Wenn Mormonen an der Strippe hängen

Als ich noch recht klein war, teilten sich zwei sehr junge amerikanische Mormonen ein möbliertes Zimmer bei uns im Haus. Als Strenggläubige durften sie keinen Alkohol trinken, ja noch nicht einmal Kaffee. Aber das Telefonieren war ihnen erlaubt und das wollten sie auch oft tun. Früher war das aber etwas ganz Spezielles und Teures, was man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann. Man tat es nur gelegentlich und Kinder durften es praktisch gar nicht.

Deshalb war es ein äußerst ungewohntes Bild für uns, dass einer der beiden Mormonen bereits vormittags, nur mit gestreiftem Pyjama und gestreiftem Morgenrock bekleidet, in unserem Flur an der Strippe hing. Damals gab es nämlich noch keine schnurlosen Telefone. Außerdem hatten die Apparate mit der Wählscheibe und dem angebundenen Hörer alle nur eine kurze Leine und standen deshalb bei den meisten Familien im Flur, also an einem zentralen Ort. So eben auch bei uns.

Damals kostete JEDES Gespräch Geld, also auch Telefonate innerhalb der eigenen Stadt. Deshalb sagte mein Vater den beiden Mietern auch ziemlich bald, wo es lang ging – zur nächste Telefonzelle, die auch als öffentlicher Münz-Fernsprecher bezeichnet wurde. So gewöhnten sie sich an die Preise. Trotzdem blieben sie noch recht lange bei uns.

Mein Bruder und ich bestaunten die ellenlange Unterwäsche der fremden Männer, die an der Wäscheleine neben unserer Schaukel hing. Es handelte sich dabei um Einteiler, bestehend aus langen Unterhosen und langärmeligen Unterhemden in einem Stück gearbeitet. Hinten hatten sie eine Klappe zum Aufknöpfen für das große Geschäft, was uns Kinder sehr amüsierte.

Zum Abschied schenkten die beiden Missionare unserer Familie Salz- und Pfefferstreuer, zwei Keramik-Häschen in einem kleinen geflochtenen Korb. Wir nannten sie Gastreit und Lowell nach den beiden interessanten, anders sprechenden Männern. Sie sind leider nicht mehr da. Ich hätte sie gerne als Andenken – die Hasen, nicht die Männer.

Dudelsäcke mit faltenlosen Schottenröcken?

Kennen Sie das Volkslied »Drei weiße Birken in meiner Heimat steh’n«? Senioren singen es häufig. Meine Mutter hat nun eine neue Strophe hinzugefügt, die derzeit mehr oder weniger per Dauerschleife zu hören ist: „Drei weiße Hosen in meinem Treppenhaus …“

Wie die Hosen auf die Treppenstufen gelangen? Ganz einfach, meine Mutter legt sie immer wieder dorthin, weil sie glaubt, dass es nicht ihre Hosen sind, sondern die der Mieter; sie kann sich einfach nicht erinnern, die Teile je getragen zu haben. Da hilft es auch nicht, wenn ich ihr sage, dass sie den großen Fleck auf dem Oberschenkel vor Kurzem selbst drauf gekleckert hat und dass es die Konfektionsgröße 42 bei Herrenoberbekleidung gar nicht gibt. Sie bleibt dabei, die Hosen können nur einem Mieter gehören.

Nun sah ich, dass es sich bei der einen Hose um einen engen, kurzen, weißen Jeans-Rock handelt. Ich stellte mir unwillkürlich die Herren aus dem ersten Stock in diesem Rock vor und musste lachen. Dann fiel mir ein, dass meine Eltern vor vielen Jahren Mieter aus Großbritannien hatten. Selbst wenn die Schotten gewesen waren, hatten sie niemals Röcke getragen, da bin ich mir ganz sicher. Außerdem habe ich noch nie etwas von weißen faltenlosen Schottenröcken mit femininer Silhouette gehört. Das steht dem Dudelsack nicht, weder drunter noch drüber.

Ich erinnere mich noch genau an die beiden englisch sprechenden Männer in unserem Haus. Einer von ihnen wohnte im Souterrain-Zimmer. So einsam, wie er war in der Fremde, erinnerte er sich bald an sein Hobby. Es war der Whisky, dem er sehr zugetan war und dem er sich drei Tage lang ununterbrochen intensiv hingab.

Sein Kollege, der nette Mister Stanedge, der im ersten Stock wohnte, half ihm wieder auf die Beine und anschließend zurück ins Vereinigte Königreich. Im Flieger konnten die beiden nicht viel Gepäck mitnehmen und ließen einiges für den Müll zurück. Die kleine Glas Cafetiere, die in meiner Vitrine wieder aufpoliert steht, ist mir als Erinnerungsstück geblieben.

Lebensbejahend mit Hüfthalterproblemen

Als Kind KONNTE ich nicht dick werden, weil unsere Eltern uns keine Cola, kein Nutella und keine üppigen Schokoriegel kauften. Und so etwas wie Kinder-Milchschnitten und Fruchtzwerge gab es zum Glück noch nicht. Samstagabends erhielt jedes Familienmitglied einen Riegel Schokolade. Das kam genau hin bei sechs Personen. Das war’s.

Als Jugendliche WOLLTE ich nicht dick werden, denn das Schönheitsideal war nun einmal schlank. Es gab noch keine lebensbejahenden molligen Curvy-Models, die starke Mode vorführen mit der sie dann big fun haben.

Jetzt, in meinem Alter, MÖCHTE ich schlank bleiben, um mir meine Beweglichkeit und Schmerzfreiheit zu erhalten. Bluthochdruck, erhöhtes Blutfett, Diabetes Typ II muss ich nicht haben. Und ich bin auch nicht scharf drauf, mich irgendwann als Diabetikerin mehrmals täglich mit Nadeln pieksen zu müssen. Mit anderen Worten, dieses ganze verdammte, aber vermeidbare Metabolische Syndrom soll mir vom Acker bleiben.

Das ist ganz einfach. Ich habe mir den Zuckerkonsum quasi völlig abgewöhnt. Die gute Nachricht: Mir fehlt nichts. Und man glaubt gar nicht, was man alles für köstliche und auch fetthaltige Sachen essen kann, ohne zuzunehmen, wenn man bloß den zusätzlichen Industriezucker weglässt und auf gute Fette und Öle achtet. Die Sättigung hält außerdem viel länger an.

Mit den molligen Models wollen uns die Lobbyisten heute suggerieren, dass es kein Übergewicht gibt, sondern stattdessen das sogenannte Wohlfühlgewicht auf der nach oben hin offenen Konfektionsgrößen-Skala.

Ich frage mich, wobei man sich da wohlfühlen soll? Beim übermäßigen Konsum oder bei den daraus resultierenden gesundheitlichen Folgen, die das Mehr-Gewicht früher oder später mit sich bringt. Beides gibt es aber nur zusammen im Doppelpack. Und ein sich wohl-anfühlendes Übergewicht gibt es genauso oft, wie eine gesunde Krankheit. Alles klar?

Bei Brücken, Fahrstühlen und Transportmitteln aller Art darf die vorgegebene Höchstlast nicht überschritten werden, damit es keine Schäden gibt. Eigenartigerweise scheint das für das menschliche Skelett nicht zu gelten. Das jedenfalls will uns die Industrie glaubhaft machen, die uns Menschen so gern als Verbraucher (miss-)braucht. Auf diese Weise wird weltweit leichtes Geld gemacht.

Wie sagte schon der Boss der Tabak-Lobby:
„Es muss legal sein, erschwinglich, überall verfügbar und süchtig machen. Praktisch ein Selbstläufer!“

Mit Tabak geht das nicht mehr ganz so leicht und außerdem wird dabei die überaus wichtige Zielgruppe der Kinder nicht berücksichtigt. Zucker eignet sich viel besser. Auch er macht erwiesenermaßen süchtig. Deshalb werden immer neue Leckereien mit immer höherem Zuckeranteil kreiert. Die Fernsehwerbung tut ein Übriges, in dem sie direkt auf die richtige Stelle im Gehirn einwirkt. Solche bekannten Sätze wie „Wenige Sekunden auf der Zunge, für immer auf den Hüften!“ können den Heißhunger dann nicht mehr aufhalten. Wer kann den unendlich vielen, abhängig-machenden Versuchungen schon widerstehen, besonders wenn er schon als Kind an Zucker gewöhnt wurde?

Bei mir gibt es übrigens auch eine Versuchung, bei der ich durchaus schwach werden könnte. Aber dann verhindert mein starker Wille, dass ich stärker an den Hüften werde. Bei dem Produkt handelt es sich um ”Edle Tropfen in Nuss“ von Triumph. Ach nein, der Hersteller heißt Trumpf. Die beiden Firmen sind nicht zu verwechseln, denn kurioserweise arbeiten sie gegeneinander und doch Hand in Hand. Eine irre komische Symbiose –Triumph krönt die Figur mit ihren Miederwaren und Trumpf sorgt anschließend dafür, dass einen der Hüfthalter umbringt.

Und dann heißt es: „Die nächste Konfektionsgröße bitte!“

 

 

Mini-Verdienst-Kreuz auf Klopapierbasis

Wenn man Kurpfalzrolle hört, könnte man an Klopapier bei Analbeschwerden denken. Tatsächlich handelt es sich jedoch um eine zertifizierte Prinzenrolle, also um Doppelkekse mit Kakao-Creme-Füllung. Leider besteht die Füllung hauptsächlich aus Zucker und gehärtetem Pflanzenfett, dass nur darauf wartet, sich in den Arterien der Verbraucher endgültig zur Ruhe zu setzen. Das Ergebnis nach größerem Verzehr solcher Fette nennt man dann Arteriosklerose.

Sie werden es nicht glauben, aber der ohnehin geringe Kakao-Anteil dieser Füllung ist zertifiziert, allerdings nur teilweise. Was hier so großartig bescheinigt wurde, weiß wohl nur der Anbieter des Zertifikats selbst, denn auf der Packung wird nichts dazu erklärt. Wer es genau wissen will, kann versuchen sich schlau zu machen, indem er das Internet bemüht. Ich befürchte jedoch, dass er auch dort eher für dumm verkauft wird. Eines steht fest: Qualität und Geschmack sind jedenfalls keine Kriterien für das Zertifikat.

Inzwischen habe ich das Gefühl, dass die vielen Zertifikate, die derzeit überall auf den Verpackungen zu finden sind, extra nur für solche Produkte erstellt werden, die es auch nötig haben. Der Kauf des Produktes soll beim Konsumenten irgendwie ein gutes Gefühl hervorrufen. So ganz nebenbei suggerieren die Zertifikate auch noch so etwas wie Fairness und Umweltschutz. Jeder möchte doch etwas Gutes tun, ohne sich in irgendeiner Weise einzuschränken – und wenn das sogar beim Naschen geht, BINGO!

Und selbst, wenn 5 % des Kakaoanteils aus ökologischer Landwirtschaft kämen, was ich nicht glaube, darf man eines bei der ganzen Diskussion nicht vergessen: Ein kleiner Schritt für die Umwelt ist ein großer Sprung in Sachen Konfektionsgröße!

„Wir sind alle kleine Sünderlein, ´s war immer so, ´s war immer so“ heißt es schon in dem alten Schunkel-Lied. Aber wir zeigen trotzdem unseren guten Willen:
– Zwar täglich die Pizza im Backofen duften lassen, aber sie bei Energiesparlampen-Beleuchtung verzehren,
– zwar täglich heiß dauer duschen, aber anschließend in fast kalt gewaschene Wäsche schlüpfen,
– zwar Langstrecken-Urlaubsflüge machen, aber dafür nur umweltfreundliches Briefpapier versenden,
– zwar einen SUV unterm Hintern haben, Letzteren aber mit umweltfreundlichem Klopapier putzen …

Könnte man sich seinen guten Willen nicht zertifizieren lassen? Solch eine Art Mini-Verdienst-Kreuz für Konsumenten. Es würde sich gut raushängen lassen – sogar aus einem SUV.

Meisterwerke der Suggestion

Es dürfte inzwischen wohl einwandfrei feststehen, dass der Konsum von Industrie-Zucker ein großes Problem unserer Zeit ist. Leugnen seitens der sogenannten Lebensmittel-Industrie ist zwecklos. Deshalb geht man neuerdings dazu über, abzulenken. Wozu gibt es schließlich all die genialen Lobbyisten. Überall werden Informationen gestreut – Meisterwerke der Suggestion, die sich einfach genial zum „Leutedurcheinanderbringen“ eignen.

So sprang mich neulich in einer Supermarkt-Beilage folgende Verblödung an: Unter dem Foto eines hübschen jungen Mädchens stand: Du bist Zucker! Wie viel Zucker brauchst Du noch? Die empfohlene Menge Zucker für eine erwachsene Frau beträgt 8 Stücke und für einen Mann 10 Stücke täglich.

Die Aussage suggeriert, dass Zuckerkonsum empfohlen wird! Tatsächlich handelt es sich aber um die Menge, die nicht überschritten werden sollte, wenn man ALLE Zuckerarten, die man zu sich genommen hat, zusammenrechnet. Verschwiegen wird, dass Zucker überhaupt nicht ZUSÄTZLICH zugeführt werden sollte, weil sich der Körper nach Bedarf SEINEN Traubenzucker aus der zugeführten Nahrung selber herstellt, und zwar durch einfaches Umwandeln. Der Zuckerspiegel soll nämlich nach Möglichkeit immer auf einem Level bleiben. Das zu schaffen, ist eine Meisterleistung, die unser Körper normalerweise problemlos beherrscht. Wenn er Zucker zugeführt bekommt, stellt er selber einfach weniger her. Bekommt er aber zu viel Zucker von AUSSEN, weiß er nicht mehr wohin damit und wandelt ihn in Fett um.

Das Ergebnis ist sichtbar. Sagen Ihnen die Ausdrücke Hüftgold, Doppelkinn, Rettungsring etwas? Aber auch das Umwandeln in Fett hat seine Grenzen. Irgendwann klappt das nicht mehr und es kommt zu Diabetes Typ II – derzeit auch als selbst verursachte Zivilisationskrankheit Nummer EINS bezeichnet.

Weil die Lobbyisten den billigen Industriezucker nicht einfach schön reden können, haben sie eine neue Strategie, in dem sie eine falsche Fährte legen. In einem großen Bogen führen sie geschickt vorbei an den Hauptverursachern wie Softdrinks und prangern z. B. Schwarzbrot und Schinken an, weil in diesen Lebensmitteln „versteckter Zucker“ sei. Ja, das nennt man dann Aufklärung und es suggeriert, dass sich etwas Positives in der Lebensmittelindustrie tut.

Es gibt heutzutage überall eine sogenannte Ernährungsberatung, wo man auch hinschaut – Portionsangaben hier, Zertifikate dort. Auch Supermarktketten zeigen ihren guten Willen und haben neuerdings ein paar Zucker reduzierte Vorzeige-Eigenmarken im Sortiment.

In diversen „Ratgebern“ (Ich möchte nicht wissen, wer die finanziert!), lese ich regelmäßig, man solle aufpassen, was auf den Tisch kommt. Aha! Bei der Ernährung soll man aufpassen, beim NASCHEN offenbar nicht. Kindermilchschnitten, Fruchtgummis und Cola kommen also nicht auf den „Tisch“ und zählen deshalb nicht mit, wenn von dem gefährlichen versteckten Zucker die Rede ist, den man unbedingt vermeiden soll.

Ein kluger Schachzug, denn in Fruchtgummis muss man den Zucker nun wirklich nicht suchen. Er ist nicht versteckt, die Dinger bestehen ja quasi nur aus diesem billigen Rohstoff. Und da sie NUR zum Naschen dienen, sollen sie laut aufgedrucktem Hinweis auch nur in kleinen, empfohlenen Portionen genossen werden, woran sich leider fast niemand hält.

Die Portionsangaben sind winzig, aber die Packungen sind riesig, oft bis zu 1,2 kg. Wer kann sich nach dem Genuss von wenigen Gummis schon beherrschen bei dieser enormen Packungsgröße? Und außerdem sagen sich die Verbraucher, sprich Nascher: Wer weiß schon, welche Portion für mich die Richtige ist?

Cola und andere Softdrinks werden in Ernährungs-Ratgebern praktisch nie erwähnt. Wenn überhaupt, dann nur als Limonade auf gleicher Ebene mit Fruchtsäften. Es heißt: Frisch gepresste Fruchtsäfte könne man ruhig mal trinken. Es solle aber nicht zur Gewohnheit werden, denn sie enthielten viel Zucker.

Hallo, geht’s noch? Saft enthält Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe wertvolle, sekundäre Pflanzenstoffe, die entgiften und entsäuern und er enthält NATÜRLICHEN Zucker. Bei Cola und anderen Softdrinks hingegen handelt es sich nur um billig produziertes Zuckerwasser mit künstlichen Geschmacksstoffen, meist in viel zu große Flaschen abgefüllt. Darüber, ob es ratsam ist, diesen Genuss zur Gewohnheit werden zu lassen, gibt es leider keinen Hinweis.

Passt mal auf Leute, ich sage Euch was: Es gab die Stein-Zeit und es gab die Bronze-Zeit. Jetzt haben wir die Verarschungs-Zeit.

Essen auf Mecker-Basis

Meine Mutter hat sich heute Vormittag wieder telefonisch darüber beschwert, dass sie täglich Essen geliefert bekommt. (Natürlich erst, nachdem sie es sofort aufgegessen hatte.) Sie müsste damit rechnen, dick zu werden, wenn sie das jeden Tag essen würde.

Ich persönlich steh nicht so auf Märchen, aber das kommt mir irgendwie bekannt vor: „Määäh, ich bin so satt, ich mag kein Blatt!“ Unsere täglichen, telefonischen Diskussionen betreffend könnte ich meine Mutter folgendermaßen beschreiben:

Widerspenstigkeit in der Basisnote, Unberechenbarkeit  in der Kopfnote und Zuneigung in der Herznote gefolgt von Unsicherheit im Abgang mit Anklängen von Lob!

Dass man von einem normal portionierten Mittagessen, das vorwiegend aus Gemüse besteht, dick wird, den Zahn konnte ich ihr ziehen. Leider wächst er ständig wieder nach. Also sage ich ihr in einer Art Dauerschleife, dass doch geregelte Zeiten beim Essen wichtig sind, weil man sonst den ganzen Tag vor lauter Hunger oft nur ungesunde Sachen in sich hineinstopft – und die machen dann tatsächlich dick. Dieses Argument scheint sie dann jedes Mal zu fressen, sprich einzusehen – aber leider nur für gefühlte 30 Sekunden.

Ich habe das Gefühl, ich kann mir die Zähne ausbeißen an dieser ganzen unsäglichen Diskussion über die ambulante Versorgung meiner Mutter.

Wie ich weiß, mag sie gerne mal Bratwurst essen. Gestern beschwerte sie sich allerdings darüber, dass es Bratwurst gab, weil sie sich die auch selbst zubereiten könne. Theoretisch sicher, aber praktisch funktioniert das schon lange nicht mehr, weil sie bereits beim Einkauf ihr Vorhaben wieder vergessen hat oder die gekaufte Bratwurst im Kühlschrank vergisst. Wenn sie dann mal Appetit darauf hat, kann sie nicht wie im Märchen einfach sagen, „Esel streck dich“, und schon ist die gewünschte Wurst da. Ach nein, der machte ja Goldstücke. Wie auch immer. Mit dem Lieferservice ist es trotzdem märchenhaft. Täglich kommt das Essen, sogar ohne dass man sagen muss: „Tischlein deck dich“