Seebestattung für ein neues Gebiss

Ich sehe am entfernten Strand zwei Surfer. Warum ist der Anblick nur so ungewohnt? Jetzt weiß ich warum. Sie stehen auf großen „altmodischen“ Surfbrettern und halten sich große „altmodische“ Segel vor den Körper. Ich frage mich, kann man das heute schon als Vintage bezeichnen? Sonst sieht man hier nämlich ausschließlich Kitesurfer.

Einer der beiden Vintage-Sportler fällt bei jedem Wendemanöver mitsamt seinem Segel ins seichte Wasser. Aber er kann immer wieder gut aufsteigen, so flach wie es dort ist. Ideal für Anfänger. Hier gibt es für jeden die passende Freizeitbeschäftigung.

Ein Segelboot schaukelt auf dem Meer wie ein Schaukelpferd. Am Jachthafen sieht man auch Wohnmobile. Viele bleiben dort stehen, weil sie nicht wissen, dass man bei uns vorbeifahren darf. Nach sechshundert Metern kommt ein großer Wendeplatz mit schöner Aussicht und dem Knallert-Verbotsschild. Erst hier ist die Sackgasse zu Ende. Andere wissen aber von diesem Geheimtipp; täglich fährt das eine oder andere Auto an unserem höher liegenden Haus vorbei, auch Wohnmobile oder Motorräder. Letztere sind in Dänemark viel leiser als bei uns. Die Dänen mögen wohl keinen Knallert-Krach. Also, geht doch!

Während der Fahrt schauen alle immer starr nach rechts auf unser Haus und auf mich. Soldaten bei einer Parade könnten ihren Blick nicht besser seitlich gerichtet halten. Ich möchte ihnen dann immer zurufen: „Halloho, auf der anderen Seite ist das Meer!“ Sie fahren weiter. Aber dann wird die Straße immer enger, zum Teil ragen dann auch noch hohe Büsche rechts und links in die Fahrbahn; und siehe da, viele Urlauber trauen sich nicht weiterzufahren und kommen rückwärts wieder bei uns vorbei. In diesem Fall sind sie in Gedanken wieder bei ihrem geliebten Wohnmobil und schauen eisern in ihre Rückspiegel.

Einmal fuhren immer wieder Autos vorbei, dann sogar ein Bus. Eigenartig: alltags vormittags, keine Freizeitkleidung. Nach einiger Zeit kamen sie alle im Konvoi wieder zurück. Was wollten die da? Mein Mann hatte eine Erklärung: Sie waren bei einer Seebestattung!

Da erinnere ich mich an den inzwischen verstorbenen Lebensabschnittsgefährten meiner Mutter, der sich bei einer stürmischen Seebestattung (inklusive Catering) übergeben musste. Sein neues Gebiss war dabei ebenfalls über Bord und für immer von ihm gegangen.

Auf der Rückfahrt war er dann sehr schweigsam, ich denke nicht nur aus Pietät und Takt.

Großinvestition für Erbtanten

Morgens um 5 Uhr, als ich wieder einmal auf die Toilette muss, sehe ich nach draußen. Es sieht rau aus. Der Wind zerrt an den Büschen. Alles ist grau. Man sieht noch keinen Horizont. Gestern Abend hatte es geregnet. Am Tage aber kam immer wieder die Sonne durch. Ein roter Rettungskreuzer raste in der Ferne dahin. Ich dachte, im Augenblick übt er wohl nur das Rasen. Ein bisschen Spaß muss sein. Mein Mann war kurz im Meer. Gegen Abend kreischten Möwen. Ein riesiger Vogel flog landeinwärts. Für eine Brieftaube war er definitiv zu groß.

Apropos, falls Sie Ihren Lieben zu Hause aus Dänemark Ansichtskarten schreiben möchten, sollten Sie Folgendes wissen: Wenn ein Däne sagt, dass er etwas aus der Portokasse bezahlt hat, sind die Leute mehr als beeindruckt! Sie denken bei sich, muss der Kohle haben. Das Porto hier ist nämlich Anfang 2016 dermaßen erhöht worden, dass die Dänen selbst erst einmal schlucken mussten. Da würden jetzt manche sagen, das tun die ja sowieso, weil in Dänemark alles Mögliche teurer ist als in Deutschland. Aber bei den aktuellen Portogebühren wurde wirklich übertrieben. Ein Beispiel gefällig?

Ein Silikon-Teigschaber kostet 20 Kronen. Ein Standardinlandsbrief wird für 19 Kronen zugestellt, und eine Briefmarke für eine Postkarte ins europäische Ausland kostet ganze 25 Kronen. Für eine Ansichtskarte plus Porto muss man demnach 4,17 Euro bezahlen.

Das Schreiben von Ansichtskarten ist also nicht unbedingt zu empfehlen. Aber Whats App sei Dank ist man ja nicht mehr aufs Kartenschreiben angewiesen. Bei einer Erbtante allerdings sollte man über diese Investition nachdenken.

Ragoutgefüllte Sandkasten-Förmchen

Heute flog ein Schwarm großer Vögel direkt über unserer Terrasse vorbei. Mit jedem Flügelschlag gaben sie ein schrilles, rufendes Geräusch von sich. Ich konnte sogar das Geräusch ihres Fahrtwindes hören. Ob das wohl Schwäne waren?

Weil heute Sonntag ist, haben wir unser Ragout fin mit dänischen Blätterteig-Pasteten gegessen. Sie sind zart und knusprig. Solche Tarteletter in Form von Sandkasten-Förmchen gibt es von Karen Volf. Diese Backwaren-Firma ist hier in Dänemark das, was die Firma Bahlsen bei uns ist. Während ich nachmittags meinenTee genieße, lässt sich mein Mann Kekse von Karen Volf, ein Stück Strang  und einen Kaffee schmecken.

Ich erinnere mich lächelnd daran, als mein Mann diesen Kuchen zum ersten Mal gekauft hatte. Das liegt schon viele Jahre zurück. Damals war er vom Brötchen holen zurückgekommen und sagte beiläufig, dass er sich einen Strang mitgebracht hätte. Aha, dachte ich, was ist das? Ich war ziemlich irritiert, denn irgendwie ist dieser Ausdruck nun einmal negativ besetzt. Erleichtert stellte ich dann aber fest, dass es sich bei einem Strang um einen langen flachen Hefe- oder Blätterteigkuchen handelt, der vom Grundgeschmack in etwa mit einem Butterkuchen zu vergleichen ist.

Allerdings wird Butterkuchen bei uns großflächig auf einem Blech gebacken und man versucht immer vergeblich gleichgroße und gerade Stücke zu schneiden, bevor die Gäste eintreffen. Meistens werden die Stücke vor Aufregung dann besonders schief und alles andere als gleich groß. Nicht so bei dem Strang. Denn er hat ja genau die Breite eines Kuchenstücks und „geht“ nur in die Länge. Man kann also entspannt das Messer ansetzten und sich die gewünschten Zentimeter Genuss pur abschneiden.

Alles ist gut durchdacht bei den Dänen. Beim Bäcker legen sie den Strang auf eine Pappe, die in der Länge exakt passt, aber an den Seiten breiter ist. An den eingearbeiteten Falzlinien muss die Pappe dann nur noch seitlich hoch geknickt werden. Zum Schluss wird das Ganze geschickt in eine exakt passende Tüte mit Sichtfenster geschoben, fertig! So lässt sich der Strang wunderbar transportieren und  schmeckt noch nach ein paar Tagen.

Es gibt von diesem leckeren Gebäck übrigens folgende, teilweise kombinierte Ausführungen: mit Zimt, Haselnussblättern, Vanille-Pudding, Äpfeln, Mazarin, Mandelblättern, Marzipan, Schoko- oder Zuckerguss. Bei dieser Auswahl findet wohl jeder seine Lieblingssorte. Mein Mann nascht vier Tage an so einem Strang. Das nennt man Ergiebigkeit.

So, jetzt läuft eine Ameise über meine Laptop-Tastatur. Ich muss unbedingt nach dem Strang sehen. Es ist Tea-time. Das passt.

Ruinierte Frisur nach Naturschauspiel

Ich schaue vom Bett aus in den hellgrauen Himmel. Mein Mann hat es gern, wenn ich noch liegen bleibe, damit er sich in Ruhe seinen Morgenritualen hingeben kann. Ich setze mich auf und sehe das hellgraue Meer, drücke das Fenster einen Spalt auf und lasse mich wieder zurückfallen. Die frische Brise streicht mir übers Gesicht. Langsam drückt der Wind das Fenster immer weiter auf.

Diese dänischen Fenster schwingen nicht an Scharnieren leichtgängig hin und her. Man kann das Fenster schwergängig stufenlos nach außen öffnen. Normalerweise bleibt es dann so weit geöffnet, wie man es aufgedrückt hat.

Mit seinem sportlichen Fahrradoutfit bekleidet, gibt mein Mann mir einen Kuss. Er will Brötchen holen fahren. Und weil die Wolkendecke an einer Stelle plötzlich ein kleines Stückchen vom Himmel freigibt, setzt er sofort seine sportlich-schneidige Sonnenbrille auf. Sonst ist er nicht so optimistisch.

Ich habe ein Samstagmorgengefühl, wie ich es von einem arbeitsfreien Samstag  kenne. Später stelle ich fest: Es ist Samstag. Alles klar. Als wir frühstücken, fliegen mehrere Schwärme von Schwalben vorbei landeinwärts. So viele Schwalben hatte ich noch nie auf einmal gesehen. Später peitscht ein wolkenbruchartiger Regen gegen die Scheiben – das war wohl nichts mit dem Optimismus meines Mannes.

Dieses Naturschauspiel ist wunderschön anzusehen. Zum Glück müssen wir nirgendwo hin, können einfach zu Hause bleiben und es uns gemütlich machen. Im Gegensatz zu denen da draußen, die in einem Segelboot gerade verzweifelt den schützenden Jachthafen ansteuern. Sie schaffen es ohne Schaden, denn sie haben das Segel rechtzeitig blitzartig hinuntergleiten lassen. Nun liegt es kreuz und quer auf dem Kajütendach und sie müssen es nach dem Unwetter nur wieder hochziehen.

Vor dem Auslaufen hatte man ihnen bestimmt Mast- und Schotbruch zugerufen, so wie man anderen Hals- und Beinbruch wünscht. Und es hat gewirkt. Es ist alles heil geblieben. Man kann sagen: „Sie sind noch einmal mit einer ruinierten Frisur davongekommen!“

Express-Beutel für Fortgeschrittene

Ich schaue über den Laptop und sehe zwei uralte Vintage Segelschiffe hintereinander in Richtung Hafen fahren. Dunkles Holz, dunkelrote Segel, holländische Flagge. An den Seiten sind zwei Schwerter befestigt, die sie bei Bedarf herunterlassen können. Sie haben keinen Kiel, so dass sie auch in seichtem Wasser fahren können. Beide ziehen ein kleines Beiboot hinter sich her. Wie praktisch, so können sie vor Anker gehen und müssen keine Liegegebühren zahlen. Wir googeln schnell nach. Man nennt dieses Segelschiff Tjalk. Für mich sieht es unheimlich interessant aus, mehr unheimlich als interessant.

Es ist Mittag, mein Mann steht am innovativen Induktionsherd und rührt in unserer innovativen Green-Pan-Pfanne das Dosen-Ragout fin (mit 42% Fleisch), während sich der Express-Reis-Beutel in der Mikrowelle dreht. Das nennt man Multitasking für Fortgeschrittene. Warum sollte er hier auch zeigen, was er beim Kochen wirklich drauf hat. Dazu ist in den Ferien die Zeit zu kostbar. Auch ich halte den Ball flach: Hier ein bisschen aufräumen und abwaschen, da ein bisschen die Bettdecke glatt zupfen und die Ameisen in Schach halten. Fertig! …

Ups, was baumelt denn da? Wie schön!!! Es ist die Seele. Bloß nicht mit dem Kopf dran stoßen; da ist schließlich der Verstand drin und den mag sie gar nicht. Wieso ist der überhaupt mitgekommen? Kein Mensch braucht den hier. Der macht nur Ärger, erinnert einen dauernd an Dinge, die noch zu erledigen sind, und will ständig irgendetwas denken. Kurzum, er stört einen zu den unpassendsten Zeiten. In Gedanken pfeife ich ihn zurück: Nun fahr mal runter, chill ab Alter. ICH melde mich, wenn ich dich brauche.

Trotzdem bin ich natürlich froh, dass er meine Nummer hat. Manchmal ist es echt wichtig, dass er sich im richtigen Moment meldet! Also will ich ihn mal nicht vergraulen.

 

Ich sehe ROT – auch in puncto Fönwelle

Um 5 Uhr sah ich das Morgenrot am Himmel. Ein wunderschöner Anblick. Aber es soll nichts Gutes verheißen, sagt man. Der Wetterbericht hatte auch tatsächlich Blitz und Donner vorhergesagt. Wir haben Donnerstag, das passt! Schon gestern Abend schien die Sonne nur noch zwischen einer graublauen Wolkendecke hervor, durch einen weißen Weichzeichner hindurch. Es wirkte wie kaltes Licht. Aber irgendwie schön. Deshalb sind wir nicht, wie sonst jeden Abend, zum Sonnenuntergang gegangen, sondern mit den Rädern durch das Ferienhausgebiet gefahren. Hier fahre ich gerne. Nicht wenige Häuser haben den Meerblick zu beiden Seiten. Man sieht sehr schöne Häuser und es duftet nach Blüten und Wald. Viele Kiefern und überall wuchernde blühende Heckenrosen, Holunder und Jelängerjelieber.

Dann fuhren wir auf der schönen ruhigen Hauptstraße zurück. Kann eine Hauptstraße ruhig sein? Wenn es sich, wie in diesem Fall, um eine Sackgasse handelt, schon. Plötzlich hörten wir ein ungewohntes Geräusch hinter uns. In regelmäßigen Abständen flitzten immer wieder einzelne Rennräder an uns vorbei. Am Jachthafen wurden sie beim Wenden von jemandem registriert. Ohne abzusteigen, flitzten sie dann mindestens zwanzig Kilometer wieder zurück zu ihrem Ausgangspunkt. Dieses Rennen findet alljährlich statt.

Wir radelten weiter in eine wunderschöne Bucht. Hier schmiegen sich die Häuser an einen Hang, sodass alle Bewohner Meerblick haben. Mir fiel wieder ein „rotes Anwesen“ auf. Eindeutig die Lieblingsfarbe der Besitzer: Dach, Klinker, Fenster, Haustür, Rollos, Eingangstor, alles ROT. Im Vorgarten blühten Mengen von roten Mohnblumen, daneben stand eine Jacht mit roter Persenning. Ja, sogar an der Naturstein-Hangbefestigung wucherten rotblättrige Steingewächse. Wie die Besitzer wohl das riesige Boot über den Steinhang vom Grundstück herunter ins Wasser bekommen? Durch das Tor passt es jedenfalls nicht. Müssen sie einen Kran bestellen?

Ein kleiner Hund kam bellend angelaufen. Aufrecht stehend kratzte er am roten Gartentor, legte sein Köpfchen schief und sah uns aus seinen kleinen Knopfaugen an, ohne weiter zu bellen. Wie süß! Das weiße Fell war rotbraun gefleckt. Herrchen und Frauchen waren demnach auch bei der Wahl ihres Hundes ihrer Lieblingsfarbe treu geblieben. Dieses „rote Anwesen“ ist außergewöhnlich für Dänemark. Aber die Besitzer scheinen nun einmal die Farbe ROT zu lieben. Ich stellte mir vor, wie sie sich abends mit Rotwein zuprosten. Darin würden sie sich allerdings nicht von den anderen Dänen unterscheiden.

Jetzt schaue ich in den riesigen Spiegel, der hinter dem winzigen Waschbecken angebracht ist, und denke: Warum kann mein Mann nicht Haare schneiden, so wie ich es bei ihm kann? Ich sehe bald aus wie Donald Trump. Howard Carpendale hat die Frisur besser gestanden. Aber seine Spuren verschwanden im Sand, während Tramps Spuren ins Weiße Haus führten. Wie ich gehört habe, mussten die zuständigen Damen und Herren lange nach einer Friseurin fürs Weiße Haus suchen, die dieses Föhnwellenunikat beherrscht; schließlich haben sie eine in Hollywood aufgetan. Sie ist nicht mehr die Jüngste und etwas dement, hat es aber noch voll drauf. Ja, braucht man überhaupt ein Kurzzeitgedächtnis für diese spezielle Frisur, so solange wie die schon unmodern ist? Ich glaube nicht. Und es besteht sicher auch nicht die Befürchtung, dass sie wieder modern wird.

 

Sankt Hans auf allen Hügeln

Heute haben wir Mittsommernacht. Das Wetter ist leider nicht so schön, wir hatten in letzter Zeit schon schönere erlebt. Gegen Abend gehen wir auf unseren Haushügel. Der Weg führt langsam hinauf. Es ist eine Steilküste mit einem Spazierweg. Von da oben können wir unser Auto sehen und ein wenig vom Hausdach. Die ziemlich steile Meeresseite des Hügels ist stark bewachsen mit Büschen und Bäumen. Nach hinten fällt das Land flach ab. Man sieht Weiden und im Hintergrund Buchten – und überall Meer. Es gibt hier mehr Strand als Land. Ganz oben am Ende angekommen setzen wir uns auf eine Bank und genießen den Ausblick.

Auf der nächsten Hügellandschaft liegt die Landspitze, von der wir immer den Sonnenuntergang beobachten. Vor zwei Jahren machte dort ein junger Mann Geräusche mit Klangschalen. Es war ein heißer Tag mit einem roten Sonnenuntergang und einer ganz besonderen Atmosphäre. Als wir zurückgingen und uns umsahen, sah es aus, als stünde der Hügel in Flammen.

Jetzt geht mein Blick nach oben. Wenige große Möwen schweben im Wind, ohne einen einzigen Flügelschlag zu tun. Sehr viele kleine Schwalben flattern blitzschnell hin und her. Ein junges Paar kommt die steile, mindestens zwanzig Meter hohe Holztreppe den Hügel hinauf. Hier gibt es einen Grillplatz mit großem Schwenkgrill. Hej! Sie lächeln etwas gequält und machen ein paar Schritte an uns vorbei. Dann gehen sie die Treppe wieder hinunter. Als wir wenig später wieder unten ankommen, gehen sie freudestrahlend mit ihrem Grillgut und ihren Getränken wieder hinauf.

Nach den Mengen zu urteilen, erwarteten sie noch Freunde und dachten bestimmt, gut, dass die Alten nicht auch grillen wollen. Zurzeit sind die Weißen Nächte. Es wird nie wirklich dunkel. Und heute zur Mittsommernacht wird in ganz Dänemark gefeiert. Hier heißt es Sankt Hans, nach Johannes dem Täufer.

Wir gehen zurück zu unserem Sommerhus. Es ist ein schwarzes Holzhaus. Aber wenn man es von vorne betrachtet, scheint es nur aus einer riesigen, weißen dänischen Quersprossen-Fensterfront und einem tiefschwarz glitzernden Walmdach zu bestehen. Das Dach hat dreieckige, ebenfalls glitzernde Längsleisten. Das Ganze besteht bestimmt aus so einer Art Luxus Dachpappe. Solche Dachbedeckungen sehe ich nur in Dänemark.

Wir sitzen wieder im Haus. Plötzlich rast erneut der rote Seenotrettungskreuzer vorbei. Ich sehe durch mein Fernglas. Nein, es ist gar kein Rettungskreuzer, es sind die Jungs von der Polizei, die da immer so schnell unterwegs sind und deren Boot in royalem Rot leuchtet. Ich kann deutlich die Aufschrift Politi lesen.

Überall an den Ufern sieht man jetzt große Feuer aufflackern. Eins ist sicher, heute gibt es einen triftigen Grund zum Trinken. Skål!

Survival Tour für Ignoranten

Heute Morgen war der Himmel noch blau. Inzwischen sehe ich auf eine fast geschlossene Wolkendecke. Ab und zu blitzt die Sonne durch. Dafür sorgt der kräftige Wind. Gestern beim Sonnenuntergang wurde es schon sehr windig. Als wir nach Hause kamen, fiel mir wieder der Aufkleber an der Türscheibe ins Auge. Auf ihm wird in drei Schritten symbolisch erklärt, wie man die Tür zuschließt. Im Grunde ist es ganz einfach, man muss die Türklinke nur hochziehen und sie während des Schließvorgangs in dieser Position halten. Das ist alles. Dann frage ich mich aber, warum gefühlt ALLE Ferienhäuser in Dänemark wackelige Türgriffe haben. Vor ein paar Tagen kam ich der Ursache auf die Spur: Es liegt daran, dass die Touristen grundsätzlich an den Türgriffen herumrackeln.
Wenn kein Aufkleber angebracht wurde oder dieser total verblasst ist, sage ich nur: Schwamm drüber, ihr hattet nun einmal Pech.

Aber wenn ein Aufkleber gut sichtbar angebracht war, und trotzdem gerackelt wurde, gibt es dafür folgende Gründe:

1. Die Leute haben keinen Verstand.

2. Die Leute haben Verstand, aber diesen im Urlaub kurzzeitig ausgeklinkt.

3. Die Leute haben Verstand, machen aber grundsätzlich erst einmal alles mit Gewalt.

Falls Grund eins und zwei zutrifft, schlage ich vor, in Zukunft lieber einen schönen Urlaub auf der Aida zu buchen. Falls Grund drei zutrifft, denke ich, man kann sich auch anders austoben; wie wäre es mit einer voll krassen Survival Tour?

Wenn wir die Tür abschließen, halte ich meinem Mann die Türklinke hoch, während er den Schlüssel herumdreht. Das nennt man Teamwork.

Manchmal darf der Verstand aussetzen

Gestern wurde es noch richtig herrlich, 26 Grad im Schatten und fast windstill! Und wir badeten im Meer!!!! Mein Mann war plötzlich drin. Da musste ich mich nicht lange überwinden. Schnell in den Badeanzug und in die Neoprenschuhe und ab durch die Mitte über die Steine ins Wasser, bis ich welligen Sand unter den Füßen spürte. Herrlich frisch, mit Betonung auf frisch. Abends, als wir zufrieden aufs Meer schauten, wurde es dann für kurze Zeit völlig windstill.

Die Grüntöne und das Sandgelb der Abbruchkante des anderen Ufers spiegelten sich im Wasser. Sich widerspiegelnde Farben im Meer? Das hatte ich noch nie gesehen, weil es eigentlich ständig in Bewegung ist. Selbst in der Augsburger Puppenkiste bewegt sich das Plastikfolienmeer immer.

Heute ist es soweit. Nach zehn Tagen müssen wir in den zwanzig Kilometer entfernten größeren Ort zum Einkaufen fahren. Zuerst führt uns der Weg an einer kleinen Bucht vorbei, an schönen kleinen Wohn- und Ferienhäusern – in Dänemark unterscheiden sich die Wohnhäuser in ihrer Größe kaum von den Ferienhäusern.  Dann geht es auf der Landzunge immer geradeaus. Rechts und links ist das Meer zu sehen. Die Straße führt durch eine hügelige Landschaft, es geht auf und ab. Wiesen und Felder wogen im Wind, manche glänzen besonders schön dunkelgrün in der Sonne. Ich genieße den Anblick des ebenmäßigen Schimmers, der dem eines Nerzmantels gleicht. Dies hier ist die Art von Luxus, die ich liebe!

Ab und zu sieht man ein hübsches Anwesen und einen hohen Mast mit der dänischen Flagge in Form eines sehr langen dreieckigen Wimpels. An Geschäften sieht man kleine rechteckige Flaggen. Dann kommt eine kleine Ortschaft. Die Häuser sind meist cremeweiß oder gelb gestrichen, die weißen Sprossenfenster sind immer auch noch weiß umrahmt. Einige Dächer sind mit Reet gedeckt. Manchmal sieht es so aus, als hätte ein Riese sein Spielzeughaus auf eine grüne Wiese gestellt. Nichts Störendes ist drum herum. Auch alles andere sieht sauber und ordentlich aus. Dafür sorgen nicht zuletzt die winzigen roten Dreirad-Pick-up-Trucks vom Straßenbauamt, die man ab und zu sieht.

Wir fahren weiter auf und ab. An den Feldrändern blühen blaue Kornblumen und am Straßenrand stehen Mengen von roten Mohnblumen, die in England Poppy heißen. Dort ist es sogar ein gebräuchlicher Mädchenvorname. Jetzt führt der Weg durch ein kleines Waldstück. Die Sonne strahlt durch die hohen Bäume herunter. Dann sehe ich in der Ferne einen Hügel, der mit kleinen Häusern übersät ist, und auf der anderen Seite das Meer. Hier beginnt die größere Ortschaft mit einem größeren Hafen, Supermarkt, Tourist-Information und Fußgängerzone. Dort ziehen wir uns am Automaten dänische Kronen, sehen kurz in die Schaufenster und erledigen unseren Großeinkauf im Supermarkt.

Zum Glück kennen wir uns aus mit dänischen Lebensmitteln. Schnell alles in den Einkaufswagen. Der Hunger erinnert uns daran: Wir dürfen auf keinen Fall Ribbesteg vergessen, also schnell an die Bratentheke. Vor zwei Jahren, als wir den Supermarkt noch genau inspizieren mussten, konnten wir an dieser Theke nicht einfach so vorbeigehen. Ich esse eigentlich kaum mal Schweinefleisch, aber bei diesem eingeritzten Krustenbraten setzt der Verstand aus. Ich habe noch nie beim Hineinbeißen, solch ein Geräusch und solch ein Gefühl im Mund gehabt. Vom Geschmack wollen wir gar nicht erst sprechen. Von Schweinebraten verstehen die Dänen was. Und vom Wein!

Man fragt sich: Ist das hier ein Supermarkt oder ein Weingroßhandel mit Lebensmittelabteilung? Samstags kaufen wir hier nicht mehr ein. Dann ist es sehr voll, obwohl man sagen muss, dass die meisten Kunden dann mit ihren Einkaufswagen hauptsächlich um die Weinregale und Weinverkaufsflächen herumschleichen. In ihren Einkaufswagen schieben sie in freudiger Erwartung auf das Wochenende 3-l-Weinkanister vor sich her. Ich habe noch nie so viele Wein-Pappkanister auf einmal gesehen. Aber es gibt natürlich auch jede Menge Weinflaschen. Über dem Nebeneingang des Supermarktes steht groß: Flasker. Es handelt sich um die riesige, angegliederte Leergutannahme. Der Braten ist heiß. Wir wollen schnell zurück, solange das Fett noch nicht durch die Tüte tropft.

Während wir die Traumstrecke zurückfahren, freue ich mich über meine günstige und wirklich schöne Neuerwerbung, einen Silikon-Schaber mit glasklarem Plastikgriff (perfektes Industriedesign aus China) und auf den perfekten Biss.

Kücheninspektion

Jedes Mal, wenn wir in einem Ferienhaus ankommen, sehe ich erst einmal in die Küchenschränke, um schnell alles zu optimieren. Mein Mann soll beste Arbeitsbedingungen vorfinden. Und es gibt immer etwas umzustellen und zu verbessern, glauben Sie mir. Und was ist dieses Mal zu tun?

Ups, wie sieht es denn hier aus? Plastikvorratsgefäße im Topfdrehschrank, ein dickes Holzschneidebrett ganz oben im Hängeschrank bei Tee und Zucker (wem soll das denn auf den Kopf fallen?), kein Schaber zu finden (man glaubt kaum, was man noch alles aus der Green-Pan-Pfanne raus schaben kann). Dann, oh Schreck, es piept beim Aufziehen einer Großraumschublade. Was soll das denn bedeuten? Wow, es ist ein Geschirrspüler.

Die Inspektion geht weiter: Kochlöffel in der Geschirrschublade zwischen den Tellern unter drei Rollen Frischhaltefolie versteckt. Drei Rollen? Wird nach jeder Vermietung einfach automatisch wieder eine Rolle nachgekauft oder sind das „Mitbringsel“ unserer Vorgänger und Vorvorgänger? Mich wundert es jedenfalls nicht, dass sie kaum gebraucht wird? Hier muss man nämlich nichts frisch halten. Hier wird einfach alles aufgegessen, was auf den Tisch kommt. In Konservendosen und Gefrierbeuteln ist nämlich alles portioniert, sprich rationiert. Und ich kann aus eigener Erfahrung sagen: „Seeluft macht hungrig!“