Wenn Truthahnhälse in Wallung kommen

Bei meinem letzten Besuch saßen meine demente Mutter und ich im Wohnzimmer, und wir „unterhielten“ uns. Das muss man sich folgendermaßen vorstellen: Sie fragte, ich antwortete, wie bei einem Frage- und Antwort-Kartenspiel. Der Unterschied ist nur, dass es bei uns keine Karten gibt und es nicht wirklich Spaß bringt. Gäbe es Fragekarten, wären es nur sehr wenige. Da würde selbst das obligatorische Vertauschen der Antworten schnell langweilig werden. So ist das nun mal, wenn jemand in kurzen Abständen immer dieselben Fragen stellt.

Um abzulenken und ein wenig Pep in den Nachmittag zu bringen, erzählte ich meiner Mutter zwischendurch die eine oder andere „Neuigkeit“. Weil sie sofort alles wieder vergisst, ist für sie ja alles mehr oder weniger neu. Apropos: Unsere Öffentlich Rechtlichen Fernsehanstalten sollten bei ihrer Programmgestaltung unbedingt berücksichtigen, dass nicht alle ihre Zuschauer dement sind – und blöd sind sie schon gar nicht.

Während unserer Unterhaltung, fiel mein Blick auf ein paar Barthaare am Kinn meiner Mutter, die im Gegenlicht besonders deutlich sichtbar waren und immer dann in Bewegung gerieten, wenn sie sprach. Diese Haare wachsen bekanntlich nicht nur um den Mund herum, sondern auch am Hals und Doppelkinn, sofern vorhanden. Auch meine Mutter verfügt über ein solches Zusatzpolster, das allerdings nicht quer und prall am Hals sitzt, wie bei den meisten Menschen, sondern eher längs locker herunterhängt. Das nennt sich ganz offiziell Truthahnhals, und da sah ich Handlungsbedarf. Nicht was Sie jetzt denken. Für schönheitschirurgische Eingriffe ist bei meiner Mutter der Zug längst abgefahren.

By the way, warum nennt man das eigentlich „Schönheits“-Chirurgie? Wenn ich die einschlägigen Klatsch- und Tratschzeitschriften durchblättere, habe ich noch nie bemerkt, dass jemand nach einer solchen Operation schöner aussah. Oder zeigen die dort nur die „Kunst“fehler?

Für meine Mutter kamen solche Eingriffe noch nie infrage. Ich kenne keinen Menschen, der weniger eitel ist als sie. Aber lange helle Ziegenbarthaare am Truthahnhals? Da hört sogar bei ihr der Spaß bzw. die Pflegeverweigerung auf. Und so durfte ich, mit einer Pinzette bewaffnet, die unliebsamen Borsten jagen. Zumindest versuchte ich es. Denn immer, wenn ich zum Zupfen ansetzte, fing der Truthahnhals an zu beben, weil meine Mutter fürchterlich lachen musste. Dann ging das Beben in Vibration über. Jedes Mal, wenn ich die Pinzette wieder in Position brachte, gab es ein Nachbeben. Schließlich ließ auch ich meinem Lachen freien Lauf. Das Zupfen konnte ich erst einmal vergessen.

Worüber wir lachten? Es war zur Abwechselung eine wirklich neue Geschichte, die ich meiner Mutter beim Frage- und Antwortspiel erzählt hatte. Ich mag es kaum sagen. Ich berichtete ihr von einem älteren Herrn, der fast rund um die Uhr einen Nachrichtensender im Fernsehen schaut. Politik scheint seine Leidenschaft zu sein. Der Sender heißt Tagesschau 24.

Meine Mutter fand das interessant und wollte wissen, was er denn sonst so täte. „Pinkeln“ hörte ich mich sagen, woraufhin wir beide in Gelächter ausbrachen. „Und ab und zu geht was in die Hose, nicht nur in der Politik“, setzte ich lachend hinzu. Wir prusteten los und taten es auch während der Zupfaktion immer wieder. Der Tuthahnhals zuckte jedes Mal bevor er vom Beben ins Vibrieren überging. Es war köstlich!

Der ältere Herr möge mir verzeihen. Wir wollten uns nicht über ihn lustig machen. Aber das gemeinsame Lachen mit meiner Mutter tut so gut! Solche unbeschwerten Lichtblicke gibt es in unserer Betreuungskiste ohnehin viel zu selten. Da nutze ich jede Gelegenheit, den Truthahnhals in Wallung zu bringen.

Später wurde mir klar: Der alte Mann hat mindestens zwei Dinge mit meiner Mutter gemeinsam, eine schwache Blase und einen Fernseher, in den er ständig guckt. Das machte diese doppeldeutige Geschichte lustig und besonders reizvoll für uns. Es ist immer ein komisches Gefühl, wenn man auf jemanden stößt, der noch schlimmer ist als man selbst – in welcher Beziehung auch immer. Unterbewusst freut man sich, ohne darüber nachzudenken, dass einem gerade ein Spiegel vorgehalten wird. Aber das menschliche Auge sieht gern von sich auf andere, nicht auf sich selbst.

Als ich mich auf den Heimweg machen wollte, fragte mich meine Mutter mal wieder, wie alt sie jetzt eigentlich sei. Aber diesmal beantwortete sie sich die Frage selbst, noch bevor ich etwas sagen konnte, und zwar mit einem Lied. Fröhlich sang sie einen bekannten Udo-Jürgens-Song mit abgewandeltem Text: „Mit achtundachtzig Jahren, da fängt das Leben an, mit achtundachtzig Jahren, da hat man Spaß daran …“

Ja, unsere Mutter möchte, so wie ihr Onkel Wilhelm einhundertundvier Jahre alt werden. Da kann ich nur sagen: Besonders jemand, der die Hundert anpeilt, sollte in seinem Leben immer selbst für gute Stimmung sorgen, also für so genannte Good Vibrations! Geht übrigens auch ohne Truthahnhals, denn solche Schwingungen sind unsichtbar; sie lassen sich nur spüren.

Und eines steht fest: Sie machen das Leben erst lebenswert, oder?

Jetzt klickt’s beim Drücken

Meine Mutter hat jetzt eine neue Smart-Easy-Learning Fernseh-Fernbedienung für Senioren. Easy-Learning heißt, dass Funktionen von der alten Fernbedienung übernommen werden. Man bestimmt, was sie lernen soll, also die Fernbedienung, nicht meine Mutter. Da wären ohnehin Hopfen und Malz verloren.

So habe ich dem neuen Gerät also „gezeigt“, was es von der alten Fernbedienung übernehmen soll, also alles, was meine Mutter braucht: die Sender ARD, ZDF, NDR, die Laut- und Leisefunktion und das Ausschalten. Es ist wirklich ganz einfach, wenn man sich die Gebrauchsanweisung vorher in Ruhe durchgelesen hat. Deshalb hatte ich das auch bei uns zu Hause getan und sogar mit unserer Fernbedienung geübt, damit ich die „Programmierung“ beherrsche. Nicht, dass ich grundsätzlich ungeschickt oder schwer von Begriff wäre, aber mir war klar, dass ich es vorher drauf haben musste, bevor meine Mutter ständig dazwischen fragen würde. Meine Erfahrung hat mich nun einmal gelehrt: Sich in Gegenwart meiner Mutter zu konzentrieren, ist ungefähr genauso entspannt möglich, wie eine Banane im Affenkäfig zu essen.

Dank meiner Vorarbeit lief alles problemlos und die Fernbedienung war kurz vor fünfzehn Uhr bereit für ihren ersten Einsatz – also pünktlich zur Lieblingssendung meiner Mutter, die Trödel-Show Bares für Rares. Ich musste nur noch schnell die Augentropfen geben und die Brille meiner Mutter putzen. Dann reichte ich ihr die Fernbedienung und ließ sie das zweite Programm anschalten. Perfekt! Die großen Tasten der überschaubaren Fernbedienung sind gut sichtbar und klicken sogar beim Drücken. Für Senioren wirklich viel besser geeignet als die vielen winzigen weichen Gummitasten auf der alten Fernbedienung. Der erste Versuch klappte auf Anhieb. Also kochte ich Kaffee und wir aßen ein Stück Kuchen. Soweit so gut.

Fazit der Kaffeestunde: Der Trödelverkauf im Zweiten lief wie am Schnürchen, die Fernbedienung war voll zufriedenstellend, der Kuchen nicht, jedenfalls für meine Mutter. „Du hättest lieber Butterkuchen kaufen sollen“, meckerte sie. Da sie aber grundsätzlich über den Kuchen meckert, egal wie gut oder schlecht er auch sein mag, kann man trotzdem von einem sehr befriedigenden Gesamtergebnis dieses Nachmittags sprechen.

Warum ich überhaupt Kuchen kaufe? Sie verlangt grundsätzlich danach und das Meckern darüber gibt ihr ein wichtiges Gefühl der Kompetenz, denke ich.

Seitdem steht das Teil im Fokus – die Fernbedienung, nicht der Kuchen. Was sie mit dem neuen Handy solle, beschwert sie sich während ihrer ständigen Anrufe. Ich sage ihr jedes Mal, dass das eine neue Fernbedienung für ihren Fernseher ist. Worauf sie böse entgegnet, dass sie keine neue bräuchte, weil sie doch eine hätte. Theoretisch ja, denke ich dann erleichtert und freue mich, dass ich das alte Modell gleich mitgenommen habe.

Auch erinnere ich sie ständig daran, dass sie doch immer mal Probleme beim Ausschalten hatte oder sie sogar schon bei dem Bezahl-Sender Netflix gelandet war. Und so etwas könne passieren, wenn man so viele Tasten auf seiner Fernbedienung hätte. Für ungefähr dreißig Sekunden ist sie dann zufrieden, bis sie auf der Fernbedienung den Schriftzug easy learning liest. Dann werde ich regelmäßig gefragt: „Ist das eine Fernbedienung für Doofe?“ Am liebsten würde ich dann sagen: Nein, es ist eine Fernbedienung für nervige Omas und ihre verzweifelten erklärungsmüden Angehörigen, die damit vom Erschießen abgehalten werden.“ 

Aber anstatt mir die Kugel zu geben, flöte ich in den Hörer: „Die ist für Hotels, damit die Gäste nicht immer alles verstellen.“ Das leuchtet ihr dann ein und sie fühlt sich gut damit – jedenfalls für ungefähr dreißig Sekunden. Und dann beginnt das Gespräch wieder von vorne. Wenn ich keinen Themenwechsel hinbekomme.

Einmal rief sie an, um zu sagen, dass die neue Fernbedienung aber auch ein Handy wäre. Mit diesem Smart hätte sie schon telefoniert. Mit wem sie gesprochen hatte, wusste sie nicht mehr. Das war sicher ein traumhaftes Gespräch, dachte ich. Widersprach ihr aber nicht.

Gestern habe ich als Selbstschutzmaßnahme einen Aufkleber über den Schriftzug smart easy learning geklebt. Dort steht jetzt TV-Fernbedienung. Aha, sagte sie, telefonieren kann ich also nicht damit?“ Woraufhin ich sagte, dass das ja auch nicht notwendig wäre, weil sie bereits fünf Telefone hätte, zwei in der Küche, eines im Wohnzimmer, eines im Schlafzimmer und ein Handy im Strumpf mit Kordel zum Umhängen; das dürfte wohl genügen. Da konnte sie mir nur beipflichten. Das war zur Abwechselung mal ein schönes Gefühl für mich.

Dann träumte ich von einer Fernbedienung, mit der man meine Mutter bedienen könnte. Es gäbe eine Reset-Taste und ein Easy-Learning-Programm…. Aber dann wurde mir bewusst, was das bedeutet: So was nennt man künstliche Intelligenz. Autsch! Künstliche Intelligenz für Menschen? Nein danke! Der reinste Albtraum! Dann sollten die Menschen lieber so bleiben, wie sie sind. Und ich mache so weiter, wie bisher in meinem Leben. Auch wenn das für mich manchmal so angenehm ist, wie einen Besen zu fressen im Käfig voller Narren.

Der Himmel kann warten

Neulich spät abends rief meine Mutter verzweifelt bei uns an. Ihr Fernseher würde sich nicht mehr ausschalten lassen. Und auf dem Bildschirm würde das Wort Netflix stehen. Nachdem ich ihr vergebens Instruktionen gegeben hatte, wie sie den Fernseher wieder zum Laufen bekommen würde, schlug ich vor, dass sie ihren Mieter um Hilfe bitten sollte. Das scheint geklappt zu haben. Aber das ist natürlich keine Dauerlösung. Ich kann ihm unmöglich zumuten, dass er womöglich im Fünfminutentakt zu meiner Mutter runtergeht. Schließlich hat er noch ein eigenes Leben – auch jenseits vom Fernsehen.
 
Deshalb habe ich meiner Mutter jetzt eine Senioren-Fernbedienung Modell Oma und Opa bestellt. Netflix-Tasten gibt es da keine und ich denke, damit wird sie klarkommen.

Falls es auch mit diesem Modell eines Tages schwierig werden sollte, hoffen wir auf eine Weiterentwicklung der Fernbedienungen. Ich denke an ein Senioren-Modell mit der Bezeichnung Uroma und Uropa neunzig plus: An, Aus, Eins, Zwei, Drei, fertig Schluss. Alles andere könnten die Angehörigen auf Zuruf aus der Ferne mit einer App steuern. Das wär’s doch!

Am folgenden Samstag gegen 20:30 Uhr rief meine Mutter an, um zu sagen, dass sie den Fernseher ausgeschaltet hätte. Es gäbe überhaupt nichts. Im ersten Sport und im Zweiten einen ganz schrecklichen Krimi. Früher wären die Krimis viel besser gewesen, „mit schönen Morden“.

Upps! Schöne Morde? Wie auch immer, ich war erst mal froh, dass meine Mutter in dem Moment wieder mit ihrer Fernbedienung klar kam. Vor allem mit dem Ausschaltknopf. Dann warf ich einen Blick in die TV-Zeitung. Die Fotos des aktuellen Programms zeigten einen Skiläufer, böse dreinschauende Ermittler und Promis in einer Quiz-Show. Ich dachte nur, wenn das das Angebot des öffentlich-rechtlichen Fernsehens am Samstag zur besten Sendezeit ist, sollte ich schleunigst den neuen Handsender besorgen. Denn es könnte jederzeit wieder passieren, dass unsere Mutter den Ausschaltknopf bei ihrer alten Fernbedienung nicht findet. Und das kann sie sich bei DEM Fernsehprogramm nicht leisten.

Warum gibt es eigentlich keine Streaming-Dienste für Senioren 80+? Fernsehen was gefällt. Zum Beispiel Märchen. Ich meine natürlich nicht solche Märchen, die uns von Politikern erzählt werden.

Altersgerechtes Fernsehen mit Inkontinenz-Pausen präsentiert von Rheumasalben- und Abführmittel-Herstellern. Unaufregend, auch geeignet für den kleinen Schlummer zwischendurch. Fernsehen mit Senioren-Spaß-Faktor. Das wär´s doch!

Dieser Streaming-Dienst könnte sich zum Beispiel nennen: Granny Sky Ticket.  Aber nicht, dass das falsch verstanden wird: The Heaven can wait!

Was Angela Merkel und meine Mutter gemeinsam haben

Bei meinem letzten Besuch hatte ich meiner Mutter ihre vier Hosen zurückgebracht, die ich für sie frisch gewaschenen hatte. Die beiden neueren Exemplare sind eine Konfektionsgröße größer, weil die alten Hosen einfach zu eng geworden waren. Meine Mutter hatte zugenommen, so viel stand fest. Man kann sich kaum noch vorstellen, dass sie nach ihrem Krankenhaus- und Reha-Aufenthalt vor fünf Jahren nur noch Größe 38 hatte und jetzt wieder 46 trägt. Im Speiseraum der Reha-Klinik hatte sie sich als renitenter Suppenkasper in gewisser Weise einen Namen gemacht. Das Essen schmeckte ihr dort nie und sie dachte nur an das eine: „Ich will hier raus!“

Im Laufe der Zeit ist sie um mindestens drei Konfektionsgrößen gewachsen – natürlich nur in die Breite. Ansonsten ist sie eher geschrumpft. Deshalb hatte ich die neue Hose nach der Wäsche kürzen müssen, und das, obwohl ich extra eine Kurzgröße gekauft hatte!

Nun sollte meine Mutter also eine frische Hose anziehen. Zuerst zog sie die älteste an, die sie kaum schließen konnte und die trotz Komfortbund mit Gummizug sehr eng in der Taille sitzt. Dann zog sie die Hose wieder aus und probierte die neuere an. Aber die war ihrer Meinung nach wiederum viel zu groß, obwohl sie am Bauch genau richtig saß. Ich konnte sie auch nicht umstimmen. „Die Hosenbeine sind viel zu weit“, stellte sie fest. Und damit wollte sie die Diskussion beenden.

„Ja, wenn der Umfang der Beine nicht mit dem Umfang des Bauches mit wächst, sieht es eben so aus“, konterte ich und zeigte ihr ein Foto von der Bundeskanzlerin aus der aktuellen Tageszeitung. Da saß die Hose ganz genau so wie bei meiner Mutter. „Wenn es dich beruhigt“, sagte ich ihr, „die Bundeskanzlerin ist mit mehr Bauchumfang und weiteren Hosenbeinen überall in der Welt unterwegs.“

Die Antwort war klar. Nein, so wolle sie auf keinen Fall herumlaufen. Also zog sie die neue Hose wieder aus und die alte wieder an. Welch eine „Überraschung“, die ging sehr schwer zu. Ich fragte sie, ob sie vielleicht eine Zange benötigte, bekam aber keine Antwort. Während ich bei der einen Hose den abgesprungenen Knopf annähte und den Saum ausbesserte, probierte sie im ständigen Wechsel die beiden verschiedenen Hosen an. Gymnastische Übungen sind nichts dagegen. Aufstehen, Hose runterziehen, hinsetzen, ein Bein ausstrecken, wieder anwinkeln, das andere Bein ausstrecken, wieder anwinkeln, die Hose zur Seite legen, die andere Hose in die richtige Position bringen, ein Bein ausstrecken, wieder anwinkeln, das andere Bein ausstrecken, wieder anwinkeln, aufstehen, Hose hochziehen, hinsetzen, aufstehen, Hose runterziehen, Hinsetzen, Bein ausstrecken…….. So ging es eine Weile.

Es nützte auch nichts, wenn ich ihr sagte, dass sie schon mehrmals hin und her probiert hätte. Sie solle sich doch einfach für eine Hose entscheiden. Es gäbe nun mal keine Zwischengröße. Sie könne ruhig mit der größeren von beiden zum Frauenbund-Kaffeetrinken rüber gehen. Was sie dann schließlich auch tat.

Während sie drüben war, kümmerte ich mich noch um den Einkauf und die Mülleimer, in denen ich einiges verschwinden ließ, denn am folgenden Tag war Müllabfuhr. Vorher hatte ich mal wieder heimlich den Kühlschrank-Thermostat höher gedreht. Das steht ganz oben auf meiner Check-Liste. Meine Mutter ist nämlich der Ansicht, dass sie beim Kühlschrank Strom sparen und den Drehschalter auf die niedrigste Stufe einstellen müsse. So etwas hat natürlich Auswirkungen auf die Frische der Lebensmittel und auf den Wohlfühlfaktor der Salmonellen und Schimmelpilze. Während die Lebensmittel wieder runterkühlten, fuhr ich in der Hoffnung nach Hause, dass meine Mutter endlich auch das Stromsparen vergisst. Dann hätte der Gedächtnisschwund wenigsten mal einen positiven Effekt. Aber eines mussten wir im Laufe der letzten Jahre mit unserer Mutter feststellen: Es ist kein Verlass auf die Demenz!

Wenn die Nachtmusik durchs Haar pfeift

Meiner Mutter mussten dringend die Haare gewaschen und geschnitten werden. Letztes Jahr hatten meine Schwester und ich es noch geschafft, sie zum Friseur zu bekommen. Jetzt ist diesbezüglich nichts mehr zu machen. Aber zufrieden scheint sie mit ihrer Hippiefrisur nicht zu sein, denn ich fand Haare in ihrem Waschbecken; sie hatte sich ihren Pony mit der spitzen Nagelschere geschnitten. Auweia, das hätte auch ins Auge gehen können.

Ich fragte meine Mutter, ob sie nächste Woche mit dieser „Frisur“ zum Frauenbund-Kaffeetrinken rüber gehen wolle. Worauf sie nur trotzig entgegnete: „Wieso, das ist doch mal was anderes.“ Aber die netten Frauen würden vermutlich eher eine gepflegte Frisur als etwas anderes bezeichnen und nicht den bekannten muffigen Wischmopp.

Als ich die Mitarbeiterin vom ambulanten Pflegedienst kürzlich bei ihr antraf und das Haarewaschen ansprach, sah ich die Verzweiflung in ihren Augen – also in den Augen der Betreuerin, nicht in denen meiner Mutter. Kennen sie den Film »Harry und Sally«? Die Dame vom ASB schaute mit genau diesem hilflosen Blick, mit dem der Kellner Harry anschaute, während Sally ihre komplizierten Extrawünsche bestellte. Dagegen drückte der Blick meiner Mutter eher Entschlossenheit aus. Sie war wild entschlossen, sich nichts gefallen zu lassen. Als ob eine Haarwäsche lebensgefährlich wäre. Und – ja, ich weiß: Den Kriegswinter hätten sie auch ohne Haarewaschen überlebt.


Aber auch ich war an diesem Tag wild entschlossen nicht aufzugeben und hatte deshalb meine Haarschneideschere mitgebracht. Als meine Mutter und ich am Küchentisch saßen, trommelte sie wieder einmal mit allen Fingern auf dem Tisch herum, wie sie es oft macht, wenn sie lange Weile hat oder Aufmerksamkeit haben möchte. Ich fragte sie, ob sie gerne Schlagzeug spielen würde. Nein, sie ahmte das Klavierspielen nach, wie sie mir lächelnd versicherte. Leider ist sie wegen ihrer starken Finger-Arthrose nicht mehr in der Lage, das echte Instrument im Wohnzimmer zu spielen.

Früher hatte meine Mutter oft abends, wenn wir Kinder im Bett lagen, Eine Kleine Nachtmusik von Mozart erklingen lassen. Das war ihr Lieblingsstück. Und es war das Stück in ihrem Repertoire, das sie am besten beherrschte. Als ich jetzt am Küchentisch anfing die kleine Nachtmusik zu pfeifen, setzte sie augenblicklich mit ihrer trommelnden Begleitung ein. Das bereitete uns so viel Spaß, dass wir gar nicht mehr aufhören konnten.

Ich pfeife wirklich gern. Das scheine ich von meinem Vater übernommen zu haben. Wenn er im Sommer mit heruntergelassener Seitenfensterscheibe nach Hause kam, konnten wir sein Pfeifen schon hören, bevor wir sein Auto sehen konnten. Auch das Herannahen meiner Schwester heute ist oft kaum zu überhören. Das Pfeifen scheint bei uns in der Familie zu liegen.

Durch unser gemeinsames Pfeif-Konzert in der Küche war meine Mutter nun so gut gelaunt gewesen, dass ich die Gunst der Stunde nutzte und meine Haarschneideschere und einen Kamm aus der Tasche zog. „Nur ein wenig die Spitzen“, sagte ich, während ich ihr schnell ein Handtuch umlegte und  weiterpfeifend begann, das Haar zu schneiden. Das ist sozusagen Multitasking unter erschwerten Bedingungen, bei denen Pflegegrade mit im Spiel sind. Während ich die Haare kürzte, hörte ich immer wieder: „Nicht so viel, jetzt ist aber genug ab!“ Aber wenn ich erwiderte, dass ich doch gerade erst angefangen hätte zu schneiden, ließ sie mich gewähren. Ihr fehlendes Kurzzeitgedächtnis spielte mir sozusagen in die Hände und bescherte meiner Mutter endlich mal wieder eine Frisur. Ich war erleichtert.

Das Leben ist nicht leicht. Aber wie immer es auch läuft, manchmal ist man versucht zu sagen: „Was soll´s – Hauptsache die Haare liegen.“ Das hatte Mozart bestimmt auch so manches Mal gedacht – und sich seine weiße Perücke aufgesetzt.

Als ich fertig war, gingen wir gemeinsam ins Bad, um den Haarschnitt im Spiegel zu begutachten. Als sie sich so sah, war sie plötzlich einer Haarwäsche nicht mehr völlig abgeneigt. Ich ergriff auch hier wieder sofort die Gelegenheit und meine Mutter beim Schopfe. Sie genoss die Haarwäsche. Nach dem Föhnen sagte sie, dass es sich gut anfühlen würde. Ich durfte sogar noch ein paar Korrekturen vornehmen, während sie vor dem Fernseher saß. Natürlich hätte ich das muffige Haar lieber zuerst gewaschen und dann geschnitten, aber hohe Ansprüche darf man bei einem dementen Menschen nicht stellen. Ich konnte froh sein, dass es diesmal überhaupt geklappt hatte.

Für mich wäre es heute ein ziemlich erfolgreicher Nachmittag gewesen, wenn der Staubsauger, für den ich kürzlich extra neue Beutel gekauft hatte, nicht so stark geschwächelt hätte. Die Beutel hätte ich mir sparen und lieber gleich einen neuen Staubsauger kaufen können. Warum hat mir die Reinigungskraft denn nicht schon längst gesagt, mit welcher Krücke sie in der Wohnung meiner Mutter saugt. Ich hatte ihr doch angeboten, alles zu kaufen, was sie benötigt. Dieses Exemplar pfeift aber auch aus dem letzten Loch, statt richtig zu saugen. Ich meine den Staubsauger, nicht die Reinigungskraft.

Sie sehen, das Leben sorgt immer dafür, dass man auf dem Teppich bleibt. In diesem Fall blieben sogar die Haare drauf. Dafür, dass der Staubsauger sich beruflich bereits zur Ruhe gesetzt zu haben schien, sorgte er noch für viel Wirbel und machte einen Riesenkrach. Nah warte, dachte ich, in Kürze kannst du im Keller dem Zweitstaubsauber Gesellschaft leisten. Der befindet sich bereits wegen unbefriedigender Saugleistungen im Vorruhestand. Ja, so etwas kommt dabei heraus, wenn man am falschen Ende spart und billige Geräte kauft. Ich werde also demnächst ein neues leistungsstarkes Modell besorgen, dachte ich und wusste schon, was auf mich zukommen wird, nämlich tägliche Anrufe mit folgendem Inhalt in verschiedenen Variationen: „Hier ist ein Staubsauger, der mir nicht gehört! Wo ist mein Staubsauger? Ich will sofort meinen alten zurück! Der ging noch wunderbar. Ich weiß gar nicht, was ihr immer habt?“ Die Aussicht auf die unvermeidlichen Diskussionen war nicht prickelnd, aber nun musste ich erst mal irgendwie zusehen, wie ich die abgeschnittenen Haare vom Fußboden weg bekam.

Als ich mich später endlich wieder setzen konnte, kamen wir auf die Kleine Nachtmusik zurück. Meine Mutter gestand mir, dass sie sich früher hier im Hause kaum getraut hatte, andere Stücke zu spielen, weil sie befürchtete, die nicht gut genug zu beherrschen. Sie genierte sich vor ihrer Schwiegermutter, die ausgebildete Pianistin war und außerdem noch über das absolute Gehör verfügte. Schade eigentlich, denn meine Mutter spielte sehr gefühlvoll und meine Großmutter war ein sehr lieber und zufriedener Mensch; die hätte sich bestimmt gefreut und keine Kritik geübt.

Später begleitete mich Die Leichte Kavallerie nach Hause. Ich konnte nicht anders als laut mitzupfeifen, während ich über die Autobahn preschte. Diese großartige Ouvertüre von Franz von Suppé wäre für einen Film geeignet, in dem der Retter naht. Ich hatte heute keine große Tat vollbracht, aber mit Hilfe Einer Kleinen Nachtmusik habe ich den inneren Schweinehund und den äußeren Struwwelpeter meiner dementen Mutter in den Griff bekommen.

Mozart möge mir verzeihen, dass ich sein Werk dafür benutzt habe. Aber ich glaube, er hätte laut gelacht. Schließlich war er ja auch nur ein Mensch, und er war alles andere als zimperlich.

Fettnäpfchen sind nicht nur für Promis da!

„Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten?“ wurde im 19. und 20. Jahrhundert oft gesungen. Es ist ein Lied aus einer Aufbruchstimmung heraus, gegen die herrschende Willkür. Ihre Meinung kundzutun konnte man den Menschen damals verbieten, aber ihre Gedanken konnte ihnen niemand nehmen.

In Diktaturen wissen die Leute genau, was sie zwar denken können, aber niemals sagen dürfen.
In Demokratien ist das nicht ganz so „einfach“. „Die Gedankenfreiheit haben wir. Jetzt brauchen wir nur noch die Gedanken,“ sagte schon Karl Kraus (1874-1936). Aber keine Angst, zum Glück haben wir ja Journalisten, die unser Denken betreuen.

Sehen wir mal von der Politik ab. Rein menschlich gesehen kann jemandem schon mal etwas „rausrutschen“. Das nennt man „ins Fettnäpfchen treten“. Oder bei der Meinungsäußerung kann etwas komplett falsch rüberkommen. Das nennt man „sich um Kopf und Kragen reden“.

Prominente versuchen beides zu vermeiden. Deshalb engagieren sie teure Berater und Sprecher, die fleißig an dem Bild basteln, das die Öffentlichkeit von den Promis haben soll. Das nennt sich dann Public Relations. Das fantastisch gute Bild, das dabei herauskommt, schimpft sich Image. Und das hat oft mehr mit Fantasie zu tun, als mit Authentizität. Denn zum Leidwesen der Berater haben die Prominenten eigene Ansichten und Meinungen. Und es kann passieren, dass sie die nicht  für sich behalten.

Oft twittern sie einfach drauf los, ohne das vorher mit irgendjemandem abzusprechen. Solch ein unkontrollierter Schnellschuss auf Twitter oder Instagram kann schon mal ganz fürchterlich nach hinten losgehen. Zuerst wissen Millionen Follower Bescheid, dann – dank der Presse – die ganze Welt. Manch ein Promi hat sich auf diese Weise unbeliebt gemacht und oder seinen wahren Charakter gezeigt. Sogar die eine oder andere Karriere wurde auf diese Weise geschrottet.

Viele Promis wollen das um jeden Preis vermeiden und versuchen dem eigens für sie konstruierten Image zu entsprechen. Wenn dieses jedoch so gar nicht zu ihrem Charakter passt, haben sie ein Image-Problem. Psychologen können da auch nicht helfen. Das müssen sie schon alleine lösen. Am Ende des Tages muss sich jeder selber beim Blick in den Spiegel in die Augen schauen. Und das gilt nicht nur für diejenigen, die im Rampenlicht stehen.

Meistens haben die Augen jedoch viel zu viel in Bildschirme geschaut, sodass die Menschen gar nicht mehr spüren, wer sie sind und was sie ausmacht. Die eigene Persönlichkeit bleibt auf der Strecke und sie wissen auch nicht mehr so recht, was sie denken sollen. Manche sind dann richtig dankbar, wenn ihnen bestimmte Denkvorstellungen vorgegeben werden, und sie übernehmen die Ideologien anderer.

Teilweise gewöhnen sich die Menschen dann sogar daran, etwas anderes zu sagen, als sie wirklich denken. Und eventuell gewöhnen sie sich sogar daran, etwas anderes zu denken, als sie fühlen.

Die Beeinflussung durch Massenmedien ist allgegenwärtig. Das nennt man Manipulation. Ich werde davon natürlich auch nicht verschont.

So hörte ich viel Lob über Mehr-Generationen-Häuser und dachte gleich, ohne lange zu überlegen, ja das wäre für alle Beteiligten eine Bereicherung.

Ich hörte auch viel Lob über das Lied ’Kinder an die Macht‘, und ich dachte sofort, ja das klingt gut, vor allem der Satz ‘… denn sie berechnen nicht, was sie tun’ – spielerische Leichtigkeit statt böse Tyrannei.

Ich hörte den viel gepriesenen Satz: Wenn nur noch Frauen an der Macht wären, gäbe es weniger Willkür und Krieg, und ich dachte, ja endlich hätten nicht mehr die dominanten Männer das Sagen.

Warum glauben wir Menschen eigentlich solchen Aussagen? Weil wir uns theoretisch vieles schön und gut vorstellen? Bei mir meldete sich jedoch bald mein Grübelhirn:

„Schön und gut, aber deine Erfahrungen sagen dir etwas ganz anderes. Du hast 17 Jahre mit Mann und Kind unter einem Dach mit deiner Schwiegermutter gelebt, also mit drei Generationen. Also was sagt dir deine schmerzliche Erfahrung darüber?
Nein danke, Leute, ich bin desillusioniert!

Du hast drei Geschwister und bist zur Schule gegangen. Also hattest du viel Berührung mit Kindern, bist geärgert, gehänselt und gehauen worden. Manchmal fühltest du dich wie Karen allein zu Haus, nur ohne dass deine Familie verreist war. Also, was sagt dir dein Gefühl über Kindermacht?
Bullshit!

Du hast eine dominante Mutter, die alles besser weiß und allen sagen will, wo es lang geht, und dabei selbst die meisten Fehler macht. Manchmal hat sie den Blick der Bundeskanzlerin. Als Kind fühltest du dich wie die Meggie in dem Roman Die Dornenvögeln, nur ohne Pater Ralph. Und was sagt die Geschichte über Frauenmacht? Katharina die Große, Katharina von Medici, Elisabeth die I. … Also, was denkst du wirklich über Frauenmacht?
Nicht um jeden Preis!

Vielleicht ist unser Optimismus daran „schuld“, dass wir grundsätzlich erst mal viele Dinge gut finden und dabei unsere negativen Erfahrungen völlig außer acht lassen? Es ist auch viel leichter, sich von vorherrschenden Meinungen leiten zu lassen und diese nicht zu hinterfragen, also dem Mainstream zu folgen. Erst wenn die Realität uns eingeholt hat, fängt die Ideologie ganz schnell an zu bröckeln, und uns wird klar, dass wir eigentlich ganz anders über dies und das denken.

Ein alter Spruch sagt ’Denken ist Glückssache. Das sollte man den Pferden überlassen, die haben die größeren Köpfe.‘ Den Pferden sollte man es zwar nicht überlassen, aber das Denken ist tatsächlich Glücksache, scheint mir. Es hängt von vielen Faktoren ab, die uns geprägt haben. On top kommt die ständige Suggestion durch Medien. Aber an ehrliches Insider-Wissen kommen wir selten heran.

In Fachkreisen heißt es: „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast!“ Überall trifft man auf ergebnisorientierte Studien, die zur „Meinungsbildung“ in Auftrag gegeben wurden. Alles seriös? Denkste Puppe! Durch die Massenmedien überlassen wir heute das Denken einschließlich Meinungsbildung anderen, ohne dass wir uns dessen wirklich bewusst sind. Das nennt sich Outsourcing und es ist gefährlich und folgenschwer.

Fassen wir noch einmal zusammen: Unsere Vordenker sind Eltern, Lehrer, Ideologen, Journalisten, Lobbyisten, Großkonzerne, Politiker und Prominente. Da bleibt nur noch zu hoffen, dass wir uns auf den Satz verlassen können:
Der Mensch denkt, Gott lenkt  – soweit das bei der wachsenden Komplexität überhaupt noch möglich ist.

Neue Herrenkollektion: rosa Unterwäsche

Meine Mutter war mal wieder der Ansicht, dass sie kein Waschpulver hätte, was sie mir telefonisch mitteilte. Aber ich wusste es besser und versprach, bei meinem nächsten Besuch im Keller danach zu schauen. Und, was soll ich sagen, dort zählte ich ELF Kartons Vollwaschmittel und mindestens doppelt so viele Packungen mit Pulver und Tabs für den Geschirrspüler.

Auch an Küchenrollen und Toilettenpapier mangelte es nicht. Aber in diesem Punkt, war ich am Telefon darauf hereingefallen und hatte beides mitgebracht.

Damit in Zukunft immer Küchenrollen griffbereit sind, habe ich mich durchgesetzt und gegen den Willen meiner Mutter im Küchenschrank Platz gemacht, um dort mehrere Rollen verstauen zu können. So werde ich bei erneuten SOS-Anrufen dieser Art telefonisch für Nachschub sorgen können, indem ich ihr einfach sage, sie soll in den Küchenschrank schauen und sich dort bedienen.

Während ich im Keller mal wieder Inventur machte – sofern das in dem Durcheinander, das man nicht verändern darf, überhaupt möglich ist – war meine Mutter damit beschäftigt auf ihrer orangeroten Küchentischdecke mit der grünen Seite ihres gelben Topfschwammes weiße Flecken aus ihrer schwarzen Cordsamthose zu scheuern.

Als ich dazu stieß und sah, wie sie den schwarzen Stoff regelrecht misshandelte, atmete ich erst einmal tief durch. Kein Grund sich Blau zu ärgern, dachte ich nur. Und bevor mir das Ganze zu bunt werden konnte, nahm ich die Hose kurzerhand an mich und versuchte die weißen Flecken unter fließendem Wasser heraus zu gekommen. Vergeblich, wie sich herausstellte.

Was kann das nur sein, dachte ich, Zahnpasta, Scheuermilch, ein Vogelschiss? Aber das würde sich doch alles problemlos herauswaschen lassen. Es ist doch wohl keine weiße Wandfarbe, oder? Meine Mutter hatte schon immer lieber die Zimmer gestrichen als Hausarbeit verrichtet, aber Wandfarbe hätte sie erst kaufen müssen und das wäre mir definitiv aufgefallen.

Vielleicht haben SIE noch Tipps, um welchen ominösen Fleck es sich handeln könnte; dann immer her damit. Die Hose habe ich jedenfalls vorsichtshalber in Sicherheit gebracht. Schauen wir mal, was sich machen lässt, in meiner Waschmaschine im Schonwaschgang mit Feinwaschmittel. Denn auf die Spezialbehandlung mit dem grünen Schwamm muss jetzt nicht noch unbedingt eine Kochwäsche folgen.

Welche verheerenden Folgen zu heißes Waschen mit sich bringen würde, habe ich als Jugendliche oft genug erfahren müssen. Einmal ist ihm mein Angorapullover zum Opfer gefallen. Da war nichts mehr zu machen. Der war noch nicht einmal mehr als Puppenpullover zu gebrauchen. Und ein anderes Mal war unsere Unterwäsche plötzlich rosa gefärbt, was besonders meine Brüder und meinen Vater auf die Palme brachte.

Aber solche Unfälle nahm meine Mutter stets gelassen hin und meinte nur: „Das wäscht sich mit der Zeit wieder raus.“ Wahrscheinlich wäre meine Mutter ohne ihren grenzenlosen Optimismus schon längst unter der Erde. Also seien wir dankbar, dass sie so ist, wie sie ist.

Waschen zum Mondscheintarif

Meine Mutter hat einen zweiten Urenkel bekommen. Als ich sie besuchte, brachte ich eine süße Glückwunschkarte mit. Die gefiel ihr auf Anhieb auch so gut, wie ich es mir vorgestellt hatte. Aber sie könne nicht mehr schreiben, sagte sie. Das solle ich für sie erledigen, weil meine Schrift besser wäre als ihre. Ich sagte ihr, dass das überhaupt nicht darauf ankommen würde. Ich nahm ein Blatt Papier und schrieb erst einmal alles auf, was meiner Mutter als Text so einfiel. Ich kam mir vor wie eine Sekretärin. Allerdings benahm sich meine Mutter nicht wie eine Chefin mit Durchblick.

Immer wieder sagte sie, dass man dem Kleinen doch nicht zu seiner eigenen Geburt gratulieren könne, was wir ja auch nicht tun wollten. Die Eltern und der große Bruder sollten die Glückwünsche erhalten und das Baby ein Geschenk. Dann fragte sie ständig, für welches Kind die Karte wäre und ich wiederholte in Dauerschleife, dass es sich bei dem Neuzuwachs um ihren zweiten Urenkel handeln würde und der erste schon drei Jahre alt sei.

Dann redete ich ihr gut zu und gab ihr einen neuen Kugelschreiber, den ich extra mitgebracht hatte. Schließlich kenne ich den Kugelschreiberverschleiß meiner Mutter. Ich hatte ihr in der Vergangenheit schon wer weiß wie viele Kugelschreiber geschenkt. Aber die würden angeblich alle nicht gut „gehen“. Jedenfalls behauptet sie das.

Als sie endlich mit dem Schreiben anfing, erkannte ich sofort ihr Problem. Meine Mutter kratzte regelrecht den vorgefassten Text auf die Glückwunschkarte. Kein Wunder, denn sie hielt den Kugelschreiber viel zu weit oben und setzte viel zu schräg zum Schreiben an. Auf diese Weise konnte die kleine Kugel gar nicht richtig rollen und ihre Fassung kratzte auf dem Papier. Aber der Text war niedlich und entsprach genau dem, was meine Mutter an Freude ausdrücken wollte über den kleinen Fidibus. So konnte ich später zu Hause die Karte „eintüten“, mit der Adresse versehen und losschicken.

Bevor ich wieder ging, wollte ich noch den Pullover meiner Mutter zum Waschen mitnehmen. Dazu hätte sie ihn natürlich erst einmal ausziehen müssen. Aber sie fühlt sich so wohl in ihrem Lieblingspullover, den sie täglich trägt, dass sie sich nicht von ihm trennen kann. Ich schlug vor, sie könne doch so lange ihren anderen flauschigen Pullover anziehen, der ihr doch auch gefallen würde. Woraufhin sie entgegnete:

„Meinen Pullover brauche ich nicht zu waschen, den hänge ich mal an die frische Luft in den Sonnenschein oder in den Mondschein. Dann ist er wieder wie neu.“ Gut, ich habe es noch nicht ausprobiert, ob der Mond getrocknetes Eigelb und Kaffeeflecken per Lichtenergie entfernt, aber ehrlich gesagt, setze ich bei Flecken und Waschmitteln lieber darauf, dass die Chemie zwischen ihnen stimmt.

Geisterbahngefühle im Elternhaus

Als mein Mann und ich nach Hause kamen, blinkte der Anrufbeantworter, wie immer. Aha, dachte ich sofort, wahrscheinlich hat meine Mutter mal wieder eine neue Anfrage-Serie nach ihrer Sparkassenkarte gestartet. Aber es war meine Schwester, die sich Sorgen machte, weil unsere Mutter telefonisch einfach nicht erreichbar war und auch die Tür nicht geöffnet hatte für die angekündigte Lebensmittellieferung vom Supermarkt um die Ecke.

Mir wurde ganz anders und ich rief meine Schwester zurück. Wir beschlossen, dass ich mich sofort auf den Weg machen würde, um nach unserer Mutter zu schauen. Mein Mann bot gleich an, mich hinzufahren, was ich gerne annahm. Ich schnappte mir meine Betreuungstasche und wir fuhren los. Unterwegs ging mir alles Mögliche durch den Kopf: Vielleicht funktioniert nur ihr Telefon nicht. Aber die Klingel wird nicht gleichzeitig kaputt sein. Liegt meine Mutter vielleicht auf dem Fußboden? Hoffentlich hat sie sich dann nichts gebrochen. Gut, dass sie so viele Teppiche hat. Wie lange könnte sie da womöglich schon liegen? Mittagessen hatte sie höchstwahrscheinlich noch bekommen, sonst hätten die vom Feinkostladen angerufen. Habe ich die Telefonnummer vom Hausarzt? Ja! Und wie hieß noch das Beerdigungsinstitut, das meinen Vater unter die Erde gebracht hatte? Ich spürte Tränen in mir aufsteigen, konnte mich aber schnell wieder fangen. Nur die Ruhe, sagte ich mir, du musst jetzt einen klaren Kopf behalten, denn genau da drin ist die wichtigste Telefonnummer gespeichert, die 112.

Wir rasten über die Autobahn. Zum Glück war kein Stau. In der Stadt kam man wegen des beginnenden Berufsverkehrs und der vielen Ampeln nur langsam voran. Die Fahrt kam mir endlos vor. Meine Unruhe wuchs unaufhörlich, bis wir endlich da waren.

Während mein Mann einen Parkplatz suchte, lief ich sofort zur Haustür. Vor Aufregung konnte ich im Halbdunkel zunächst den Haustürschlüssel nicht finden. Es sind so viele Schlüssel am Schlüsselbund. Als ich endlich im Haus war, ging ich wie in Trance durch das Treppenhaus. Meine Hände zitterten, als ich an der Wohnungstür stand. Jetzt hatte ich zwar den richtigen Schlüssel zur Hand, aber Schwierigkeiten ihn ins Schlüsselloch zu bekommen. Mein Mann war noch draußen. Mir schlug das Herz bis zum Hals. Langsam öffnete ich die Tür und hörte plötzlich laute Geräusche.

Als ich das dunkle Wohnzimmer betrat, herrschte eine gespenstische Atmosphäre. Ich fühlte mich wie in einem Albtraum, der in einer Geisterbahn stattfindet. Die einzige Lichtquelle war der große neue Fernseher, der an beiden Seiten von blauen Lämpchen gesäumt ist. Vom Bildschirm flimmerte mir die bunte und laute Reizüberflutung entgegen. Dann sah ich meine reglose Mutter im Fernsehsessel. Ihr Körper war in sich zusammengesunken, der Kopf nach vorne gefallen. Mich überkam ein beklemmendes Gefühl. Plötzlich ein Schrei. Ich zuckte zusammen. Der Filmthriller Psycho war in meinem Kopf wieder präsent. Ich hatte das Gefühl, mein Herz bleibt stehen. Plötzlich bewegte sich meine Mutter und rief laut: „Hast du mich erschreckt.“

Ich schnappte nach Luft und brachte mit trockener Kehle nur ein Wort heraus: „Mama“. Dann ging ich zu ihr und nahm sie in die Arme. Ein Gefühl der Erleichterung und Freude überkam mich. Dann schaltete ich erst einmal das Licht ein und rief meine Schwester an, um ihr zu sagen, dass alles in Ordnung wäre. Meine Mutter bekam schnell mit, dass wir uns Sorgen um sie gemacht hatten.

„Was macht ihr euch eigentlich immer für Gedanken,“ meinte sie keck. “Ihr müsstet doch wissen, dass ich immer am ersten Mittwochnachmittag im Monat beim Frauenbund drüben bin. Dann fügte sie noch tadelnd hinzu: „Das könnt ihr euch mal hinter die Ohren schreiben.“ Gott sei Dank, dachte ich, ihr scheint es gut zu gehen, sie meckert sogar. Man könnte  auch sagen: Zuerst „das kleine Fernsehnickerchen“,  dann „die große Klappe“.

Sonst weiß sie grundsätzlich nie, welchen Tag wir gerade haben. Aber dieses Mal hatte sie recht, es war Mittwoch, und zwar nicht nur der erste im Monat, sondern sogar der Erste im Jahr. Am Tag zuvor war Neujahr und deshalb hatte ich die Wochentage irgendwie nicht auf dem Schirm. Meine Mutter natürlich auch nicht, aber sie wurde von der netten Vorsitzenden des Frauenbundes für alkoholfreie Kultur abgeholt und wieder zurückgebracht, wie ich später erfuhr.

Silvester, also vor zwei Tagen, fragte mich meine Mutter noch: „Welchen Tag haben wir heute.“ Als ich ihr sagte, dass Silvester vor der Tür stünde, war ihr einziges Problem, dass sie keinen Sekt zum Anstoßen im Haus hatte. So viel also zur alkoholfreien Kultur! In diesem Punkt hatte es meine Mutter noch nie so genau genommen und immer mit echtem Sekt angestoßen – Vereinsmitglied hin oder her. Das will sie sich auch jetzt nicht nehmen lassen, obwohl ich ihr sage, dass sich Alkohol nicht mit ihren Medikamenten verträgt. Aber ihr Motto war schon immer: Ein Glas Sekt, Bier oder Wein hat noch niemandem geschadet.

Der Ansicht war sie offenbar schon, als sie mit den beiden Töchtern meiner Schwester vor vielen Jahren einen Mallorcaurlaub gebucht hatte. (Damals war sie keineswegs dement!) Sie bestellte den beiden Mädchen doch glatt einen ganz normalen Cocktail und dachte sich nichts dabei. Omas haben am Ballermann eben nichts zu suchen, schon gar nicht mit süßen Mädels.

Aber ich schweife ab. Meine Mutter saß nun also quietschfidel da und fragte, weshalb ihr eigentlich Lebensmittel geliefert werden sollten. Das könne sie sich doch alles selber einholen. Wie ihre jüngste Tochter überhaupt dazu käme, ihr von Bayern aus Lebensmittel zu bestellen. Die solle sich nicht immer dazwischen stecken. Am Tag zuvor hatte sie noch abends ganz kleinlaut bei meiner Schwester angerufen, um ihr zu sagen, dass sie kaum noch etwas zu essen im Hause hätte. Aber davon wusste sie natürlich nichts mehr. Durch ihre Demenz lebt sie nur im Hier und Jetzt und in der weit zurückliegenden Vergangenheit. Da müssen wir wohl oder übel irgendwie durch.

Eines habe ich an diesem Spätnachmittag aber gelernt: Wenn meine Mutter weder ans Telefon geht noch ihre Lebensmittel annimmt – keine Panik, es könnte am Frauenbund liegen.

Schauen wir mal, was uns die nächsten Monate noch für Überraschungen mit unserer Mutter bringen. Mein Bedarf an Thrill ist jedenfalls gedeckt. Wird es vielleicht noch Fortsetzungen geben? Nah dann: Prost Neujahr!

Weihnachten in Schwarz Weiß

Am ersten Weihnachtstag wollte ich, wie geplant, meine Mutter zu mir holen. Damit sie sich schon mal bereit machen konnte, rief ich vorher an. Aber sie sagte nur, dass es ihr sehr schlecht ginge und sie lieber zu Hause bleiben würde. Sie hätte Bauchweh. Zu ihren ständigen Rückenschmerzen waren nun also noch Bauchschmerzen und Durchfall hinzugekommen.

Das liegt vermutlich an ihrem unkontrollierten und unregelmäßigen Essen, besonders in der Woche zwischen Weihnachten und Neujahr, in der IHR Feinkostladen kein Essen liefert. Sie stopft alles Mögliche in sich hinein und vergisst zu allem Überfluss auch noch, dass sie schon gegessen hat. Außerdem wird die Kühlkette der Lebensmittel im Grunde ständig unterbrochen. Oft vergisst sie nämlich die Lebensmittel in den Kühlschrank zurückzustellen und isst dann sogar halb verdorbene Sachen.

Also schnappte ich mir unseren Angurate Tee und fuhr los. Nachdem ich ihr einen Becher Tee hingestellt hatte, sah ich, in welcher beschissenen Situation sie sich befand und machte schnell ein wenig sauber. Ich wollte auf keinen Fall, dass meine Mutter an diesem Tag alleine zu Hause sitzt.  Also lautete die Devise: Abwarten und Tee trinken. Nachdem wir das getan hatten, ging es meiner Mutter tatsächlich ein wenig besser und sie war bereit mitzukommen. Jetzt musste ich sie nur noch ein wenig herrichten. Was hätte ich dafür gegeben, wenigstens einmal in meinem Leben die bezaubernde Jeannie sein zu dürfen. Aber ich musste improvisieren, wie immer.

Zunächst suchte ich die gute, neue, weite, schwarze Feincordhose meiner Mutter. Aber ich fand sie einfach nicht. Schließlich sah ich, dass die gesuchte Hose bereits am „Mann“ bzw. an der Frau war. Tatsächlich, meine Mutter trug diese Hose, was ich aber nicht erkennen konnte, weil das gute Stück inzwischen alles andere als gut, neu, weit und schwarz aussah.

Eines ist mir sofort klar geworden: Meine Mutter hat die von ihr zunächst abgelehnte Hose inzwischen voll ins Herz geschlossen. Sie trägt keine andere mehr, allein schon deshalb, weil ihr fast alle anderen Hosen zu klein geworden sind. Ich werde ihr bald eine neue Hose kaufen müssen.

Als wir das geklärt hatten, wollte sie den bunten Jacquard Pullover mit Norweger-Muster partout anbehalten. Okay, dachte ich, dann nehme ich die weiße Bluse, die schwarze Glitzerweste und die dicke schwarze mehrreihige 50er Jahre Schmuckstein-Halskette eben mit und versuche es bei uns zu Hause noch mal mit dem Umziehen. Vielleicht kann ich sie dann noch ein bisschen aufpeppen. Früher hatte sie sich an Weihnachten immer gerne in Schwarz Weiß gekleidet.

Als wir schließlich bei uns ankamen, war es schon sehr spät und ich hatte sofort, trotz Vorbereitung und Hilfe meines Mannes, alle Hände voll zu tun, das Mittagessen auf den Tisch zu bringen. Unsere Tochter und ihr Freund nahmen sich meiner Mutter an und beantworteten bereitwillig und unaufhörlich dieselben Fragen. Als Ablenkung zeigten sie ihr auch immer wieder alle Geschenke.

Als wir am Mittagstisch saßen, sagte meine Mutter aus dem Nichts heraus zu meinem Mann, dass er den dicken Schinken aber unmöglich mit ins Bett nehmen könne. Das wäre viel zu anstrengend, den die ganze Zeit hochzuhalten. Welchen Schinken?, dachten wir. Es gab Rinderbraten und im Bett wird sowieso nicht gegessen. Wir sahen uns irritiert an, bis wir begriffen hatten, wovon sie eigentlich sprach. Sie meinte das dicke Buch, dass mein Mann von unserer Tochter bekommen hatte. Ja, demente Menschen bekommen Gedankensprünge hin, da kommt kein Normalsterblicher hinterher.

Nach dem Mittagessen ging es meiner Mutter viel besser und ich schaffte es, ihr die weiße Bluse anzuziehen. Als sie in den Spiegel sah, fiel ihr auf, wie sauber und weiß die Bluse strahlte. Ich sagte ihr, dass ich das gute Stück neulich bei mir eingeweicht und gewaschen hätte. Dann sah sie wieder in den Spiegel und meinte: „Aber mein Haar brauche ich nicht zu waschen, das ist weiß genug.“ Da kann ich nur sagen, wo sie recht hat, hat sie recht. Der muffige wild gewordene Handfeger auf ihrem Kopf ist weiß genug. Ihr wesentlich jüngerer Bruder brachte es einmal folgendermaßen auf den Punkt: „Wie siehst du denn aus, Margret, hast du dich von deinem Freundeskreis verabschiedet?“

Gut, dass man eine Familie hat, die einen liebt. Sie sagen zwar unbequeme Wahrheiten, aber man ist nicht so allein, was an Weihnachten besonders bitter wäre. So saßen wir also  alle in schwarz weiß gekleidet friedlich am Kaffeetisch. Ich war froh und erleichtert, dass wir ohne weitere Zwischenfälle  soweit gekommen waren. Alles war festlich geschmückt und erstrahlte im Glanz der Lichter. Wer denkt in einem solch kostbaren Moment schon an die Frisur.

­­Abends spät konnte ich endlich auf der Couch sitzen und durchatmen. Meine Mutter hatte ich inzwischen wieder nach Hause gebracht, umgezogen und vor den Fernseher gesetzt. In meinem Handy sah ich nun Weihnachtsgrüße und -fotos mit ganzen Familien in bunten Weihnachtspullovern mit Tannenbaum-Hintergrund. Und mir wurde schlagartig klar, dass meine Mutter mit ihrem Pullover voll trendy gewesen wäre. Ich fragte mich, warum ich ihr eigentlich die festliche schwarz-weiße Kleidung angezogen hatte. Manchmal sollte man den Dingen einfach ihren Lauf lassen.

Als ich meine Mutter am nächsten Tag anrief, sagte sie, es gäbe gerade einen schönen Film im Fernsehen. Es ist mit Fiffy. Ach, ein netter Hundefilm, dachte ich, und wollte sie nicht stören. Dann sah ich in die Programmzeitung und musste laut lachen. Zu Weihnachten gab es natürlich Sissi, was sonst. Ich hätte es wissen müssen. Jedes Jahr läuft im Grunde dasselbe Fernsehprogramm. Auch an Silvester. Da heißt es dann wieder: Dinner for one. Natürlich in Schwarz Weiß, ohne bunten Weihnachtspullover, eben ganz klassisch.

Ich frage mich nur, ob die Mitglieder des Frauenbundes für alkoholfreie Kultur dieses beliebte Bühnenstück überhaupt anschauen und darüber lachen dürfen. Ich werde es jedenfalls gemeinsam mit meinem Mann tun. In diesem Sinne: Prosit Neujahr!!!