Sitzflächen-Peinlichkeit

Es war wieder ein schöner Urlaub. Der Weg ist das Ziel, sagt man, aber für Dänemark trifft das nicht zu. Für uns heißt es immer: „Schnell hin- und ankommen. Dann nur noch genießen!“

Natürlich erlebt man nicht immer nur schöne Dinge, die die Seele erfreuen, sondern durchaus auch mal etwas Peinliches. Ich erinnere mich an eine Situation. Mein Mann und ich fuhren mit unseren Rädern zu unserem Sonnenuntergangs-Rundgang. Vor uns ging ein junges Paar; im Schlepptau hatten sie eine junge Frau, und bei dieser war ein großer roter Fleck auf der Sitzfläche ihres Kleides zu sehen. Wie peinlich, dachte ich, mit Tampax wäre das nicht passiert! Damit kann man nämlich laut Werbeaussage: schwimmen, surfen, reiten, Rad fahren … also fast alles.

Nur mit einem Handy kann man mehr: Musik hören, Radio hören, fernsehen, simsen, streamen, skypen, googeln, posten, twittern, daten, Musik aufnehmen, Sprachmemos sichern, filmen, fotografieren. Außerdem kann man mit Fotos angeben, mit dem Handy angeben, gut rüberkommen, schlecht rüberkommen, Nachrichten checken, Mails checken, das Konto checken, den Kalorienverbrauch checken, die Lage checken, Chancen checken, das Wetter checken, den Verkehr checken, die Uhr checken, die Tagesschau sehen, Spielfilme sehen, auf den Kalender sehen, in den Spiegel sehen, Schritte zählen, sich wecken lassen, etwas nachmessen, ausleuchten, rechnen oder spielen …

Habe ich noch etwas vergessen? Was? Whats App? Klar! Uh, ist mir warm geworden. Hat das Ding auch einen kleinen Ventilator? Ich fühle, dass ich noch etwas vergessen habe, irgendetwas Wichtiges, das mit Kommunikation zu tun hat. Moment, mein Handy klingelt!

Ach, jetzt fällt es mir ein, hätte ich gleich drauf kommen können: TELEFONIEREN!

Tierisches Dänemark – ein Iltis auf Futtersuche

Ich erinnere mich noch gut an einen Dänemark-Urlaub in einem Sommerhaus, das diese Bezeichnung nicht verdient hatte. Es handelte sich nämlich um ein kaltes Steinhaus mit tief heruntergezogenem Dach, das die Sonne einfach nicht hineinließ. Wenn Sie mich fragen, wurde es von seinem Besitzer selbst entworfen.

In der ersten Nacht schlief ich in meinem dicken Fleecebademantel mit Kapuze. Zum Duschen stellte ich mich in eine Schüssel, damit ich nicht auf den kalten Fliesen stehen musste. Aber am Tage konnte man das Leben genießen. Oft lag ich auf der halb überdachten Terrasse, entweder mit oder ohne Zudecke und unser Hund lag auf meinem Schoß, entweder auf oder unter der Zudecke, ganz nach Sonnen-Wolken-Lage. Das ließ sich aushalten. Täglich gingen wir am Nordseestrand spazieren und abends fuhren wir, wenn das Wetter passte, noch einmal zum Sonnenuntergang an den Strand.

Einmal sahen wir auf dem Rückweg einen Fuchs, der gemächlich die zum Strand führende Hauptstraße überquerte. Wieder im Ferienhaus angekommen hoppelte ein Hase auf dem Naturgrundstück vorüber und wenig später schlich ein Fuchs in dieselbe Richtung. Ich dachte, ob die beiden sich wohl gleich Gute Nacht sagen werden?

Tierische Erlebnisse der besonderen Art durften wir in Dänemark oft machen, auch mit unserer Hündin Jenny, die wir von Anfang an mit in den Urlaub nahmen. Als sie noch kein Jahr alt war, hatten wir auch wieder ein gemütliches Ferienhaus an der Ostseeküste gemietet. Schon nach ein paar Tagen wunderten wir uns über Jennys Riesenappetit. Zu Hause hatte sie ihren Napf nie leer gefressen. Das machte wohl die gute Seeluft, dachten wir. Als ich dann eines Abends eine Maus sah, die frech an einem Regal emporkletterte, während ich da saß und ein Buch vor der Nase hatte, war mir alles klar. Und jetzt dämmerte mir, weshalb ich Mausefallen gesehen hatte. Wohin die Maus verschwand, konnte ich nicht sehen. Das war mir auch egal. Und dort, wo sie herkam, gab es noch mehr von dieser Sorte, das war sicher. Meinetwegen konnten sie hier ruhig mit uns unter einem Dach leben. Aber eines wusste ich, in Zukunft musste ich aufpasssen und sie mussten ihren gerade erst umgestellten Speiseplan wieder ändern: Hundefutter ist aus!

Während eines anderen Dänemark-Urlaubs begegneten wir einem Iltis. Damals hatten wir gerade eine Bäckerei betreten, um uns mit einem leckeren Kuchenstück einzudecken, da beobachteten wir, wie der Vierbeiner seelenruhig durch den geöffneten Nebeneingang in das Geschäft tappte. Zielstrebig steuerte er in einen Nebenraum, als würde er sich auskennen. Mit Händen und Füßen versuchten wir, der Verkäuferin klar zu machen, was sich gerade hinter ihrem Rücken abgespielt hatte. Natürlich wussten wir nicht, was Iltis auf Dänisch heißt. Unsere Sprachkenntnisse beschränkten sich auf die typischen Wörter, die einem Touristen das Überleben sicherten – und dazu gehörte definitiv nicht die Bezeichnung dieses Eindringlings. Am Ende schafften wir es aber doch und die Verkäuferin bekam einen großen Schreck, als sie nachsah. Vielleicht hatte der Iltis gedacht: voll lecker, in diesen Kuchen könnte ich mich reinsetzen. Was er dann bestimmt auch getan hatte.

Dänemark hat wirklich tierisch viel zu bieten, zumindest, wenn man sich in der Abgeschiedenheit der Natur häuslich niederlässt. Hier kleine Schlangen, dort eine tote Robbe am Strand, hier ein Fuchs, dort ein Marder – von den Ameisen, Spinnen und Zecken mal ganz abgesehen. Und ein raues Klima gehört auch dazu. Wir fühlen uns immer wohl in Dänemark, lieben die Natur, Stille, Sonne, Wolken, Wind und Meer. Das ist LEBEN PUR!

Auf der falschen Spur beim Zuckergipfel

Auf unserer Dänemarkrückfahrt standen wir in diesem Jahr wieder einmal im Stau, allerdings nicht wie sonst üblich auf der deutschen Seite, sondern auf dänischem Grund und Boden. Ich konnte mir also in Ruhe die rubbelige Fahrbahn-Markierung auf der Autobahn anschauen. Wenn man hier vom rechten Weg abkommt und über die Markierung fährt, wird ein komisches Geräusch erzeugt. So werden die Fahrer mehr oder weniger sanft aus ihren (Tag-)Träumen gerissen und wieder auf die „richtige Spur“ gebracht.

Wir rollten langsam vor uns hin. Im Radio lief ein Country-Song. Er gefiel mir. Während sich meine Stimmung hob, merkte ich, dass der Text dänisch war. Dann sprach der Radio-Moderator etwas. Süß! Ich mag dieses leichte Lallen; es klingt so gemütlich. Immer wieder sagte er zwischendurch Oh Joh Jo Jo Jo. Die Zeit verging und ein dänischer Schlager nach dem anderen wurde gespielt. Das Ha Li Ha Lo in diesen Liedern scheinen wir mit den Dänen gemeinsam zu haben. Zwischendurch liefen Country-Songs und ich blieb gut gelaunt.

Vor uns rollte ein schokobrauner (eher Zartbitter, nicht Vollmilch) Mercedes-Benz. Laut fachmännischer Auskunft meines Mannes ein sündhaft teurer SL Roadster. Mir fiel der Wagen auf, weil auf dem Nummernschild keine Nummern, sondern Buchstaben angebracht waren; es war eindeutig dänisch.

Wer ist in Dänemark so reich und bekannt, dass er keine Nummern auf dem Nummernschild haben muss? Mein Gehirn fing sofort an zu rattern. Ich sah Silberlocken, ja, ein älteres Ehepaar mit Silberlocken. Die Ermittlungsstelle in meinem Gehirn kam zu folgendem Ergebnis. Es müsste sich bei den beiden um das dänische Königspaar handeln. Er hatte bestimmt zu ihr gesagt: „Margarethe, Cherie (er ist nämlich Franzose) es sind Ferien, die Krone ist in der Reinigung, die Dackel sind beim Aqua-Jogging. Setz dir eine Beton-Frisur-Perücke auf und lass uns heimlich eine Spritztour machen. Dorthin, wo der Wein herkommt. Wir sausen so durch …..Die Fantasie ging mit mir durch. Als wir später an den beiden vorbeirollten, sah ich, dass es sich eindeutig nicht um das dänische Königspaar handelte. Es handelte sich auch um kein anderes europäisches Königspaar. Ich kann das beurteilen. Aus mir spricht mindestens zehn Jahre Secondhand-Boulevard-Presse-Erfahrung. Die alten Frau im Spiegel Ausgaben meiner Mutter waren wirklich höchst interessant gewesen. Dort konnte man Kurioses, Peinliches und Unglaubliches sehen und lesen – besonders zwischen den Zeilen.

Während ich noch nach rechts schaute, rollten wir langsam weiter. Ich sah einen sogenannten „lebensbejahenden“ Autofahrer. Er setzte eine Colaflasche an die Lippen und ließ die süchtig machende, braune Zucker-Koffein-Figur-Killer-Flüssigkeit durch den Hals laufen. Manche würden bei dem Anblick fragen, durch welchen Hals?

Ich hatte ein paar Tage vorher gelesen, dass ein aktueller Zuckergipfel stattfinden sollte. Der G 20 Gipfel war mir ja ein Begriff, aber von einem Zuckergipfel hatte ich bisher nichts gehört. So, so, man kann wohl nicht länger ignorieren, dass das Thema Zucker und seine Folgen weltweit sehr ernst zu nehmen ist, dachte ich. Mit Ablenkung hatte die sogenannte Lebensmittel-Industrie es bis jetzt geschafft, die Probleme, die der Zuckerkonsum mit sich bringt, zu verdrängen. Und sie wird so weitermachen, wenn sie nicht gebremst wird.

Die Strategie ist eigentlich ganz einfach: Man lässt der Presse psychologisch ausgeklügelte, ablenkende Mitteilungen zukommen. Man finanziert ergebnisorientierte Studien (Unis brauchen Geld). Man lockt die Schlankheitswilligen mit irgendwelchen „fettarmen Diäten“ und „Sportanweisungen“ auf die falsche Fährte. Ich sage nur: Suggestion.

Lobbyisten sind sich einig mit dem Hinweis, früher hätte es doch auch dicke Kinder gegeben, Übergewicht hätte doch nur etwas mit Bewegungsmangel zu tun. Es bräuchte auch nicht unbedingt jeder gleich zu wissen, dass Cola mit dem schädlicheren Glucose-Fructose-Sirup hergestellt wird. Davon muss zwar mehr verwendet werden als vom Kristallzucker, er ist  jedoch viel billiger in der Herstellung.

Angeblich haben Politiker beim Zuckergipfel von den Herstellern freiwillige Maßnahmen gefordert, also wird sich erst einmal nichts ändern, schade!

Es gibt bestimmt auch den einen oder anderen Politiker, der etwas bewegen möchte. Aber immer, wenn es einer versucht, nimmt ihn jemand mit den Worten zur Seite: „Ganz fabelhaft, mein Lieber, großartige Arbeit. Sie haben Zukunftspotenzial. Ich habe eine andere, wirtschaftlich sehr vielversprechende Aufgabe für sie. Und eins sollten sie sich unbedingt merken in der Politik:  Wir arbeiten auf WAHL-ERFOLGS-BASIS.

Apropos Wahl: Ich hatte als Kind nicht die Wahl zwischen Cola und Wasser, Pizza und Eintopf, Gummibärchen und Obst, Nuss-Nugat-Creme und Marmelade, Milchschnitten und Butterbrot, Schokoriegel und Topfkuchen. Es gab in der Regel auch „nur“ drei Mahlzeiten, und die wurden portioniert. Junge Leute mögen dazu sagen: „Die hat es aber nicht leicht gehabt in ihrer Kindheit.“ Stimmt irgendwie, aber dafür kann ich heute LEICHT-gewichtig zur Wahl-Urne gehen. Weniger LEICHT fällt mir das positive Denken. Jetzt stupst mich etwas an und sagt:
„Hast du vergessen, Liebling, grübeln war gestern.“

Sonnenscheinkomplett-Paket inbegriffen

Heute ziehen kleine weiße Wolken schnell am hellblauen Himmel vorüber. Auch das Meer sieht ständig anders aus. Es hat, bedingt durch die Einstrahlung des Sonnenlichts und die Einwirkung des Windes, tausend Gesichter.

Gestern war es sehr stürmisch. Höhere Wellen mit Gischt rollten auf den Strand. Man konnte von Brandung sprechen. Gegen Abend blickten wir auf ein silbrig-weiß glänzendes Meer unter schwarzem Himmel. Die Sonne stand tief im Westen, rechts neben dem Haus. Ich liebe es, wenn die Sonne gegen eine dunkle Wolkenwand scheint. Dann wurde das Meer grün und der Himmel stahlblau. Die Sonne strahlte auch die Steilküste gegenüber an, sodass diese naturgelb leuchtete. Wir haben die Abbruchkante täglich vor Augen. Deshalb ist uns aufgefallen, dass ein großes Stück abgebrochen war. Dann flog eine große Möwe an unserem Fenster vorüber. Ihre Flügel waren von oben schwarz und von unten schneeweiß. Es sah aus, als hätte sie einen weiß gefütterten schwarzen Umhang an. Später sah man viele verschiedene Grautöne und Orangetöne am hellblauen Himmel. Ich sah auf die Uhr und konnte es kaum glauben; es war 22 Uhr.

In den letzten Wochen habe ich viele Schiffe vorbei fahren sehen. Alles Mögliche war dabei. Vom schnittigen, strahlend weißen Segelboot bis zum düsteren alten Vintage-Segler, von der Luxus-Hochglanz-Motorjacht bis zum Fischkutter, vom Polizeikreuzer bis zum Kahn mit Dixi-Klo-Aufbau. Mir gefällt alles hier und ich kann sagen: „Ich liebe Dänemark und ich passe hierher wie meine beiden Vornamen.“

–  ENDE eines wunderschönen Sommerurlaubs  –

Es gibt zwar viele Reiseführer über Dänemark, aber bei ihnen vermisse ich das Kleingedruckte. Hier mein Vorschlag für die Verleger:

WICHTIGE HINWEISE

Für alle, die einen Dänemarkurlaub planen, muss auf Folgendes hingewiesen werden: Alle Angaben sind ohne Gewähr! Ähnlichkeiten mit anderen Urlaubszielen sind rein zufällig. Farb- und Qualitätsabweichungen sind möglich. Kleine Unregelmäßigkeiten und oder sogenanntes Schlechtes Wetter sind kein Reklamationsgrund, sondern unterstreichen das charakteristisch-authentische Gesamtbild. Kleine Schäden im und am Sommerhus, die von Touristen durch unsachgemäße Behandlung verursacht wurden, sind zu ignorieren. Für psychische oder physische Schäden durch Spinnen, Zecken, Mäuse und Ameisen wird keine Haftung übernommen. Folgendes ist im Umfang nicht enthalten und muss in Eigenleistung erbracht werden: gute Laune und Lebensfreude.

Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie vorher sich UND Ihren Lebenspartner.

GARANTIE

Unsere Gewährleistung umfasst folgende Punkte:

– Himmel, einschließlich Sonnenscheinkomplett-Paket mit Sonnenauf- und Untergang, Wolken, Regen und Vögel. Sogenanntes schlechtes Wetter ist beabsichtigt und gehört zum authentisch-charakteristischen Erscheinungsbild.

– Meer, einschließlich Strand, Wellen und ständig wechselndem Erscheinungsbild

– Landschaft, einschließlich Küste, Hügeln mit weitem Ausblick, Pflanzen und Tieren

– Frische Luft, einschließlich Duft, Geräuschen, Wind bzw. Sturm

– Einkaufsmöglichkeit, einschließlich umfangreicher Weinabteilung und separater, geräumiger Leergutannahme

– Urlaubsfeeling (entsprechende Wahrnehmungsfähigkeit wird vorausgesetzt)

Für mangelnde Erholung und Entspannung, die durch unsachgemäße Wahrnehmung und/oder falsche Kleidung und/oder mangelhaften Sonnenschutz entsteht, wird keine Haftung übernommen.

Strandkohl als Flugsalat?

Es ist Nachmittag. Am Horizont ist es dunkel graublau, aber von oben scheint die Sonne herunter. Schaffen wir es noch vor dem Regen? Egal, wir haben ja Kapuzen. Wir machen einen Spaziergang weit um unseren Haushügel herum und gehen an der flachen landeinwärts liegenden Bucht entlang. Am Strand wächst hier der selten gewordene Strandkohl. Man möchte ihn ernten. Er ist essbar und sieht aus wie ein Salatkopf.

Lachend erinnern wir uns an unseren Flugsalat vor einigen Jahren in Dänemark. Mein Mann hatte fürs Abendessen Salat in einem Seiher gewaschen. In Ermangelung einer Salatschleuder, die man in einem Ferienhäuschen nun wirklich nicht erwarten kann, band er eine Schnur an die Griffe des Seihers.

Draußen schleuderte er das Ganze wie ein Lasso. Super, zunächst funktionierte alles reibungslos. Die Zentrifugalkraft schleuderte zuerst das überschüssige Wasser aus dem Salat, aber dann leider auch den kompletten Seiher auf das Hausdach. Die Konstruktion hatte also nicht das gehalten, was mein Mann sich von ihr versprochen hatte. Der Knoten war aufgegangen und wir mussten hemmungslos lachen! Da hatten wir nun den Salat. Die gute Nachricht: Das Dach ragte sehr weit herunter, sodass wir den Salat wieder absammeln konnten, nachdem uns der Seiher schon entgegengekullert war.

Seitdem haben wir immer ein altes, aber stabiles Einkaufsnetz in unserer Urlaubsbox, mit dessen Hilfe man den Salatseiher problemlos durch die Gegend schleudern kann. Das nennt man genial.

Zum Abendbrot gab es an diesem Tag also Flugsalat – frisch gepflückt vom eigenen Hausdach.

Winkearm im Dauerbetrieb

Wegen der Autoparade, die (heute allerdings wohldosiert) an unserem Haus vorbeirollt, denken wir über die Anschaffung eines solarbetriebenen Winkearmes nach. Man will ja nicht unhöflich sein. Und so etwas müsste es doch geben. Ich denke, die Queen wird nie ohne aus dem Palast gehen. In ihren diversen Kutschen und Karossen werden die fest installiert sein. Mein Mann googelt schon mal nach. Vielleicht gibt es ja auch das Modell Wackeldackel, dass man bei Bedarf nur anzuticken braucht.

Es ist nicht langweilig die Parade anzusehen. Sogar Oldtimer waren heute dabei: Eine dunkelbraune Faltdach-Ente mit aufgesetztem Kofferraum und ein offener amerikanischer Straßenkreuzer. Und man glaubt es kaum, ein Hund hat hergeschaut, während Herrchen und Frauchen zum Meer sahen. Die kommen hier wohl öfter vorbei, denke ich, denn normalerweise ist es umgekehrt, während Mann und Frau den Blick starr auf unser Haus gerichtet halten, schaut ihr Hund auf dem Rücksitz in die andere Richtung, nämlich aufs Meer. Wahrscheinlich denkt er sich in dem Moment: „Das ist zwar eine geile Hundehütte aber ich will jetzt SORORT ins Wasser!“

Seebestattung für ein neues Gebiss

Ich sehe am entfernten Strand zwei Surfer. Warum ist der Anblick nur so ungewohnt? Jetzt weiß ich warum. Sie stehen auf großen „altmodischen“ Surfbrettern und halten sich große „altmodische“ Segel vor den Körper. Ich frage mich, kann man das heute schon als Vintage bezeichnen? Sonst sieht man hier nämlich ausschließlich Kitesurfer.

Einer der beiden Vintage-Sportler fällt bei jedem Wendemanöver mitsamt seinem Segel ins seichte Wasser. Aber er kann immer wieder gut aufsteigen, so flach wie es dort ist. Ideal für Anfänger. Hier gibt es für jeden die passende Freizeitbeschäftigung.

Ein Segelboot schaukelt auf dem Meer wie ein Schaukelpferd. Am Jachthafen sieht man auch Wohnmobile. Viele bleiben dort stehen, weil sie nicht wissen, dass man bei uns vorbeifahren darf. Nach sechshundert Metern kommt ein großer Wendeplatz mit schöner Aussicht und dem Knallert-Verbotsschild. Erst hier ist die Sackgasse zu Ende. Andere wissen aber von diesem Geheimtipp; täglich fährt das eine oder andere Auto an unserem höher liegenden Haus vorbei, auch Wohnmobile oder Motorräder. Letztere sind in Dänemark viel leiser als bei uns. Die Dänen mögen wohl keinen Knallert-Krach. Also, geht doch!

Während der Fahrt schauen alle immer starr nach rechts auf unser Haus und auf mich. Soldaten bei einer Parade könnten ihren Blick nicht besser seitlich gerichtet halten. Ich möchte ihnen dann immer zurufen: „Halloho, auf der anderen Seite ist das Meer!“ Sie fahren weiter. Aber dann wird die Straße immer enger, zum Teil ragen dann auch noch hohe Büsche rechts und links in die Fahrbahn; und siehe da, viele Urlauber trauen sich nicht weiterzufahren und kommen rückwärts wieder bei uns vorbei. In diesem Fall sind sie in Gedanken wieder bei ihrem geliebten Wohnmobil und schauen eisern in ihre Rückspiegel.

Einmal fuhren immer wieder Autos vorbei, dann sogar ein Bus. Eigenartig: alltags vormittags, keine Freizeitkleidung. Nach einiger Zeit kamen sie alle im Konvoi wieder zurück. Was wollten die da? Mein Mann hatte eine Erklärung: Sie waren bei einer Seebestattung!

Da erinnere ich mich an den inzwischen verstorbenen Lebensabschnittsgefährten meiner Mutter, der sich bei einer stürmischen Seebestattung (inklusive Catering) übergeben musste. Sein neues Gebiss war dabei ebenfalls über Bord und für immer von ihm gegangen.

Auf der Rückfahrt war er dann sehr schweigsam, ich denke nicht nur aus Pietät und Takt.

Großinvestition für Erbtanten

Morgens um 5 Uhr, als ich wieder einmal auf die Toilette muss, sehe ich nach draußen. Es sieht rau aus. Der Wind zerrt an den Büschen. Alles ist grau. Man sieht noch keinen Horizont. Gestern Abend hatte es geregnet. Am Tage aber kam immer wieder die Sonne durch. Ein roter Rettungskreuzer raste in der Ferne dahin. Ich dachte, im Augenblick übt er wohl nur das Rasen. Ein bisschen Spaß muss sein. Mein Mann war kurz im Meer. Gegen Abend kreischten Möwen. Ein riesiger Vogel flog landeinwärts. Für eine Brieftaube war er definitiv zu groß.

Apropos, falls Sie Ihren Lieben zu Hause aus Dänemark Ansichtskarten schreiben möchten, sollten Sie Folgendes wissen: Wenn ein Däne sagt, dass er etwas aus der Portokasse bezahlt hat, sind die Leute mehr als beeindruckt! Sie denken bei sich, muss der Kohle haben. Das Porto hier ist nämlich Anfang 2016 dermaßen erhöht worden, dass die Dänen selbst erst einmal schlucken mussten. Da würden jetzt manche sagen, das tun die ja sowieso, weil in Dänemark alles Mögliche teurer ist als in Deutschland. Aber bei den aktuellen Portogebühren wurde wirklich übertrieben. Ein Beispiel gefällig?

Ein Silikon-Teigschaber kostet 20 Kronen. Ein Standardinlandsbrief wird für 19 Kronen zugestellt, und eine Briefmarke für eine Postkarte ins europäische Ausland kostet ganze 25 Kronen. Für eine Ansichtskarte plus Porto muss man demnach 4,17 Euro bezahlen.

Das Schreiben von Ansichtskarten ist also nicht unbedingt zu empfehlen. Aber Whats App sei Dank ist man ja nicht mehr aufs Kartenschreiben angewiesen. Bei einer Erbtante allerdings sollte man über diese Investition nachdenken.

Ragoutgefüllte Sandkasten-Förmchen

Heute flog ein Schwarm großer Vögel direkt über unserer Terrasse vorbei. Mit jedem Flügelschlag gaben sie ein schrilles, rufendes Geräusch von sich. Ich konnte sogar das Geräusch ihres Fahrtwindes hören. Ob das wohl Schwäne waren?

Weil heute Sonntag ist, haben wir unser Ragout fin mit dänischen Blätterteig-Pasteten gegessen. Sie sind zart und knusprig. Solche Tarteletter in Form von Sandkasten-Förmchen gibt es von Karen Volf. Diese Backwaren-Firma ist hier in Dänemark das, was die Firma Bahlsen bei uns ist. Während ich nachmittags meinenTee genieße, lässt sich mein Mann Kekse von Karen Volf, ein Stück Strang  und einen Kaffee schmecken.

Ich erinnere mich lächelnd daran, als mein Mann diesen Kuchen zum ersten Mal gekauft hatte. Das liegt schon viele Jahre zurück. Damals war er vom Brötchen holen zurückgekommen und sagte beiläufig, dass er sich einen Strang mitgebracht hätte. Aha, dachte ich, was ist das? Ich war ziemlich irritiert, denn irgendwie ist dieser Ausdruck nun einmal negativ besetzt. Erleichtert stellte ich dann aber fest, dass es sich bei einem Strang um einen langen flachen Hefe- oder Blätterteigkuchen handelt, der vom Grundgeschmack in etwa mit einem Butterkuchen zu vergleichen ist.

Allerdings wird Butterkuchen bei uns großflächig auf einem Blech gebacken und man versucht immer vergeblich gleichgroße und gerade Stücke zu schneiden, bevor die Gäste eintreffen. Meistens werden die Stücke vor Aufregung dann besonders schief und alles andere als gleich groß. Nicht so bei dem Strang. Denn er hat ja genau die Breite eines Kuchenstücks und „geht“ nur in die Länge. Man kann also entspannt das Messer ansetzten und sich die gewünschten Zentimeter Genuss pur abschneiden.

Alles ist gut durchdacht bei den Dänen. Beim Bäcker legen sie den Strang auf eine Pappe, die in der Länge exakt passt, aber an den Seiten breiter ist. An den eingearbeiteten Falzlinien muss die Pappe dann nur noch seitlich hoch geknickt werden. Zum Schluss wird das Ganze geschickt in eine exakt passende Tüte mit Sichtfenster geschoben, fertig! So lässt sich der Strang wunderbar transportieren und  schmeckt noch nach ein paar Tagen.

Es gibt von diesem leckeren Gebäck übrigens folgende, teilweise kombinierte Ausführungen: mit Zimt, Haselnussblättern, Vanille-Pudding, Äpfeln, Mazarin, Mandelblättern, Marzipan, Schoko- oder Zuckerguss. Bei dieser Auswahl findet wohl jeder seine Lieblingssorte. Mein Mann nascht vier Tage an so einem Strang. Das nennt man Ergiebigkeit.

So, jetzt läuft eine Ameise über meine Laptop-Tastatur. Ich muss unbedingt nach dem Strang sehen. Es ist Tea-time. Das passt.

Ruinierte Frisur nach Naturschauspiel

Ich schaue vom Bett aus in den hellgrauen Himmel. Mein Mann hat es gern, wenn ich noch liegen bleibe, damit er sich in Ruhe seinen Morgenritualen hingeben kann. Ich setze mich auf und sehe das hellgraue Meer, drücke das Fenster einen Spalt auf und lasse mich wieder zurückfallen. Die frische Brise streicht mir übers Gesicht. Langsam drückt der Wind das Fenster immer weiter auf.

Diese dänischen Fenster schwingen nicht an Scharnieren leichtgängig hin und her. Man kann das Fenster schwergängig stufenlos nach außen öffnen. Normalerweise bleibt es dann so weit geöffnet, wie man es aufgedrückt hat.

Mit seinem sportlichen Fahrradoutfit bekleidet, gibt mein Mann mir einen Kuss. Er will Brötchen holen fahren. Und weil die Wolkendecke an einer Stelle plötzlich ein kleines Stückchen vom Himmel freigibt, setzt er sofort seine sportlich-schneidige Sonnenbrille auf. Sonst ist er nicht so optimistisch.

Ich habe ein Samstagmorgengefühl, wie ich es von einem arbeitsfreien Samstag  kenne. Später stelle ich fest: Es ist Samstag. Alles klar. Als wir frühstücken, fliegen mehrere Schwärme von Schwalben vorbei landeinwärts. So viele Schwalben hatte ich noch nie auf einmal gesehen. Später peitscht ein wolkenbruchartiger Regen gegen die Scheiben – das war wohl nichts mit dem Optimismus meines Mannes.

Dieses Naturschauspiel ist wunderschön anzusehen. Zum Glück müssen wir nirgendwo hin, können einfach zu Hause bleiben und es uns gemütlich machen. Im Gegensatz zu denen da draußen, die in einem Segelboot gerade verzweifelt den schützenden Jachthafen ansteuern. Sie schaffen es ohne Schaden, denn sie haben das Segel rechtzeitig blitzartig hinuntergleiten lassen. Nun liegt es kreuz und quer auf dem Kajütendach und sie müssen es nach dem Unwetter nur wieder hochziehen.

Vor dem Auslaufen hatte man ihnen bestimmt Mast- und Schotbruch zugerufen, so wie man anderen Hals- und Beinbruch wünscht. Und es hat gewirkt. Es ist alles heil geblieben. Man kann sagen: „Sie sind noch einmal mit einer ruinierten Frisur davongekommen!“