Express-Beutel für Fortgeschrittene

Ich schaue über den Laptop und sehe zwei uralte Vintage Segelschiffe hintereinander in Richtung Hafen fahren. Dunkles Holz, dunkelrote Segel, holländische Flagge. An den Seiten sind zwei Schwerter befestigt, die sie bei Bedarf herunterlassen können. Sie haben keinen Kiel, so dass sie auch in seichtem Wasser fahren können. Beide ziehen ein kleines Beiboot hinter sich her. Wie praktisch, so können sie vor Anker gehen und müssen keine Liegegebühren zahlen. Wir googeln schnell nach. Man nennt dieses Segelschiff Tjalk. Für mich sieht es unheimlich interessant aus, mehr unheimlich als interessant.

Es ist Mittag, mein Mann steht am innovativen Induktionsherd und rührt in unserer innovativen Green-Pan-Pfanne das Dosen-Ragout fin (mit 42% Fleisch), während sich der Express-Reis-Beutel in der Mikrowelle dreht. Das nennt man Multitasking für Fortgeschrittene. Warum sollte er hier auch zeigen, was er beim Kochen wirklich drauf hat. Dazu ist in den Ferien die Zeit zu kostbar. Auch ich halte den Ball flach: Hier ein bisschen aufräumen und abwaschen, da ein bisschen die Bettdecke glatt zupfen und die Ameisen in Schach halten. Fertig! …

Ups, was baumelt denn da? Wie schön!!! Es ist die Seele. Bloß nicht mit dem Kopf dran stoßen; da ist schließlich der Verstand drin und den mag sie gar nicht. Wieso ist der überhaupt mitgekommen? Kein Mensch braucht den hier. Der macht nur Ärger, erinnert einen dauernd an Dinge, die noch zu erledigen sind, und will ständig irgendetwas denken. Kurzum, er stört einen zu den unpassendsten Zeiten. In Gedanken pfeife ich ihn zurück: Nun fahr mal runter, chill ab Alter. ICH melde mich, wenn ich dich brauche.

Trotzdem bin ich natürlich froh, dass er meine Nummer hat. Manchmal ist es echt wichtig, dass er sich im richtigen Moment meldet! Also will ich ihn mal nicht vergraulen.

 

Ich sehe ROT – auch in puncto Fönwelle

Um 5 Uhr sah ich das Morgenrot am Himmel. Ein wunderschöner Anblick. Aber es soll nichts Gutes verheißen, sagt man. Der Wetterbericht hatte auch tatsächlich Blitz und Donner vorhergesagt. Wir haben Donnerstag, das passt! Schon gestern Abend schien die Sonne nur noch zwischen einer graublauen Wolkendecke hervor, durch einen weißen Weichzeichner hindurch. Es wirkte wie kaltes Licht. Aber irgendwie schön. Deshalb sind wir nicht, wie sonst jeden Abend, zum Sonnenuntergang gegangen, sondern mit den Rädern durch das Ferienhausgebiet gefahren. Hier fahre ich gerne. Nicht wenige Häuser haben den Meerblick zu beiden Seiten. Man sieht sehr schöne Häuser und es duftet nach Blüten und Wald. Viele Kiefern und überall wuchernde blühende Heckenrosen, Holunder und Jelängerjelieber.

Dann fuhren wir auf der schönen ruhigen Hauptstraße zurück. Kann eine Hauptstraße ruhig sein? Wenn es sich, wie in diesem Fall, um eine Sackgasse handelt, schon. Plötzlich hörten wir ein ungewohntes Geräusch hinter uns. In regelmäßigen Abständen flitzten immer wieder einzelne Rennräder an uns vorbei. Am Jachthafen wurden sie beim Wenden von jemandem registriert. Ohne abzusteigen, flitzten sie dann mindestens zwanzig Kilometer wieder zurück zu ihrem Ausgangspunkt. Dieses Rennen findet alljährlich statt.

Wir radelten weiter in eine wunderschöne Bucht. Hier schmiegen sich die Häuser an einen Hang, sodass alle Bewohner Meerblick haben. Mir fiel wieder ein „rotes Anwesen“ auf. Eindeutig die Lieblingsfarbe der Besitzer: Dach, Klinker, Fenster, Haustür, Rollos, Eingangstor, alles ROT. Im Vorgarten blühten Mengen von roten Mohnblumen, daneben stand eine Jacht mit roter Persenning. Ja, sogar an der Naturstein-Hangbefestigung wucherten rotblättrige Steingewächse. Wie die Besitzer wohl das riesige Boot über den Steinhang vom Grundstück herunter ins Wasser bekommen? Durch das Tor passt es jedenfalls nicht. Müssen sie einen Kran bestellen?

Ein kleiner Hund kam bellend angelaufen. Aufrecht stehend kratzte er am roten Gartentor, legte sein Köpfchen schief und sah uns aus seinen kleinen Knopfaugen an, ohne weiter zu bellen. Wie süß! Das weiße Fell war rotbraun gefleckt. Herrchen und Frauchen waren demnach auch bei der Wahl ihres Hundes ihrer Lieblingsfarbe treu geblieben. Dieses „rote Anwesen“ ist außergewöhnlich für Dänemark. Aber die Besitzer scheinen nun einmal die Farbe ROT zu lieben. Ich stellte mir vor, wie sie sich abends mit Rotwein zuprosten. Darin würden sie sich allerdings nicht von den anderen Dänen unterscheiden.

Jetzt schaue ich in den riesigen Spiegel, der hinter dem winzigen Waschbecken angebracht ist, und denke: Warum kann mein Mann nicht Haare schneiden, so wie ich es bei ihm kann? Ich sehe bald aus wie Donald Trump. Howard Carpendale hat die Frisur besser gestanden. Aber seine Spuren verschwanden im Sand, während Tramps Spuren ins Weiße Haus führten. Wie ich gehört habe, mussten die zuständigen Damen und Herren lange nach einer Friseurin fürs Weiße Haus suchen, die dieses Föhnwellenunikat beherrscht; schließlich haben sie eine in Hollywood aufgetan. Sie ist nicht mehr die Jüngste und etwas dement, hat es aber noch voll drauf. Ja, braucht man überhaupt ein Kurzzeitgedächtnis für diese spezielle Frisur, so solange wie die schon unmodern ist? Ich glaube nicht. Und es besteht sicher auch nicht die Befürchtung, dass sie wieder modern wird.

 

Sankt Hans auf allen Hügeln

Heute haben wir Mittsommernacht. Das Wetter ist leider nicht so schön, wir hatten in letzter Zeit schon schönere erlebt. Gegen Abend gehen wir auf unseren Haushügel. Der Weg führt langsam hinauf. Es ist eine Steilküste mit einem Spazierweg. Von da oben können wir unser Auto sehen und ein wenig vom Hausdach. Die ziemlich steile Meeresseite des Hügels ist stark bewachsen mit Büschen und Bäumen. Nach hinten fällt das Land flach ab. Man sieht Weiden und im Hintergrund Buchten – und überall Meer. Es gibt hier mehr Strand als Land. Ganz oben am Ende angekommen setzen wir uns auf eine Bank und genießen den Ausblick.

Auf der nächsten Hügellandschaft liegt die Landspitze, von der wir immer den Sonnenuntergang beobachten. Vor zwei Jahren machte dort ein junger Mann Geräusche mit Klangschalen. Es war ein heißer Tag mit einem roten Sonnenuntergang und einer ganz besonderen Atmosphäre. Als wir zurückgingen und uns umsahen, sah es aus, als stünde der Hügel in Flammen.

Jetzt geht mein Blick nach oben. Wenige große Möwen schweben im Wind, ohne einen einzigen Flügelschlag zu tun. Sehr viele kleine Schwalben flattern blitzschnell hin und her. Ein junges Paar kommt die steile, mindestens zwanzig Meter hohe Holztreppe den Hügel hinauf. Hier gibt es einen Grillplatz mit großem Schwenkgrill. Hej! Sie lächeln etwas gequält und machen ein paar Schritte an uns vorbei. Dann gehen sie die Treppe wieder hinunter. Als wir wenig später wieder unten ankommen, gehen sie freudestrahlend mit ihrem Grillgut und ihren Getränken wieder hinauf.

Nach den Mengen zu urteilen, erwarteten sie noch Freunde und dachten bestimmt, gut, dass die Alten nicht auch grillen wollen. Zurzeit sind die Weißen Nächte. Es wird nie wirklich dunkel. Und heute zur Mittsommernacht wird in ganz Dänemark gefeiert. Hier heißt es Sankt Hans, nach Johannes dem Täufer.

Wir gehen zurück zu unserem Sommerhus. Es ist ein schwarzes Holzhaus. Aber wenn man es von vorne betrachtet, scheint es nur aus einer riesigen, weißen dänischen Quersprossen-Fensterfront und einem tiefschwarz glitzernden Walmdach zu bestehen. Das Dach hat dreieckige, ebenfalls glitzernde Längsleisten. Das Ganze besteht bestimmt aus so einer Art Luxus Dachpappe. Solche Dachbedeckungen sehe ich nur in Dänemark.

Wir sitzen wieder im Haus. Plötzlich rast erneut der rote Seenotrettungskreuzer vorbei. Ich sehe durch mein Fernglas. Nein, es ist gar kein Rettungskreuzer, es sind die Jungs von der Polizei, die da immer so schnell unterwegs sind und deren Boot in royalem Rot leuchtet. Ich kann deutlich die Aufschrift Politi lesen.

Überall an den Ufern sieht man jetzt große Feuer aufflackern. Eins ist sicher, heute gibt es einen triftigen Grund zum Trinken. Skål!

Survival Tour für Ignoranten

Heute Morgen war der Himmel noch blau. Inzwischen sehe ich auf eine fast geschlossene Wolkendecke. Ab und zu blitzt die Sonne durch. Dafür sorgt der kräftige Wind. Gestern beim Sonnenuntergang wurde es schon sehr windig. Als wir nach Hause kamen, fiel mir wieder der Aufkleber an der Türscheibe ins Auge. Auf ihm wird in drei Schritten symbolisch erklärt, wie man die Tür zuschließt. Im Grunde ist es ganz einfach, man muss die Türklinke nur hochziehen und sie während des Schließvorgangs in dieser Position halten. Das ist alles. Dann frage ich mich aber, warum gefühlt ALLE Ferienhäuser in Dänemark wackelige Türgriffe haben. Vor ein paar Tagen kam ich der Ursache auf die Spur: Es liegt daran, dass die Touristen grundsätzlich an den Türgriffen herumrackeln.
Wenn kein Aufkleber angebracht wurde oder dieser total verblasst ist, sage ich nur: Schwamm drüber, ihr hattet nun einmal Pech.

Aber wenn ein Aufkleber gut sichtbar angebracht war, und trotzdem gerackelt wurde, gibt es dafür folgende Gründe:

1. Die Leute haben keinen Verstand.

2. Die Leute haben Verstand, aber diesen im Urlaub kurzzeitig ausgeklinkt.

3. Die Leute haben Verstand, machen aber grundsätzlich erst einmal alles mit Gewalt.

Falls Grund eins und zwei zutrifft, schlage ich vor, in Zukunft lieber einen schönen Urlaub auf der Aida zu buchen. Falls Grund drei zutrifft, denke ich, man kann sich auch anders austoben; wie wäre es mit einer voll krassen Survival Tour?

Wenn wir die Tür abschließen, halte ich meinem Mann die Türklinke hoch, während er den Schlüssel herumdreht. Das nennt man Teamwork.

Manchmal darf der Verstand aussetzen

Gestern wurde es noch richtig herrlich, 26 Grad im Schatten und fast windstill! Und wir badeten im Meer!!!! Mein Mann war plötzlich drin. Da musste ich mich nicht lange überwinden. Schnell in den Badeanzug und in die Neoprenschuhe und ab durch die Mitte über die Steine ins Wasser, bis ich welligen Sand unter den Füßen spürte. Herrlich frisch, mit Betonung auf frisch. Abends, als wir zufrieden aufs Meer schauten, wurde es dann für kurze Zeit völlig windstill.

Die Grüntöne und das Sandgelb der Abbruchkante des anderen Ufers spiegelten sich im Wasser. Sich widerspiegelnde Farben im Meer? Das hatte ich noch nie gesehen, weil es eigentlich ständig in Bewegung ist. Selbst in der Augsburger Puppenkiste bewegt sich das Plastikfolienmeer immer.

Heute ist es soweit. Nach zehn Tagen müssen wir in den zwanzig Kilometer entfernten größeren Ort zum Einkaufen fahren. Zuerst führt uns der Weg an einer kleinen Bucht vorbei, an schönen kleinen Wohn- und Ferienhäusern – in Dänemark unterscheiden sich die Wohnhäuser in ihrer Größe kaum von den Ferienhäusern.  Dann geht es auf der Landzunge immer geradeaus. Rechts und links ist das Meer zu sehen. Die Straße führt durch eine hügelige Landschaft, es geht auf und ab. Wiesen und Felder wogen im Wind, manche glänzen besonders schön dunkelgrün in der Sonne. Ich genieße den Anblick des ebenmäßigen Schimmers, der dem eines Nerzmantels gleicht. Dies hier ist die Art von Luxus, die ich liebe!

Ab und zu sieht man ein hübsches Anwesen und einen hohen Mast mit der dänischen Flagge in Form eines sehr langen dreieckigen Wimpels. An Geschäften sieht man kleine rechteckige Flaggen. Dann kommt eine kleine Ortschaft. Die Häuser sind meist cremeweiß oder gelb gestrichen, die weißen Sprossenfenster sind immer auch noch weiß umrahmt. Einige Dächer sind mit Reet gedeckt. Manchmal sieht es so aus, als hätte ein Riese sein Spielzeughaus auf eine grüne Wiese gestellt. Nichts Störendes ist drum herum. Auch alles andere sieht sauber und ordentlich aus. Dafür sorgen nicht zuletzt die winzigen roten Dreirad-Pick-up-Trucks vom Straßenbauamt, die man ab und zu sieht.

Wir fahren weiter auf und ab. An den Feldrändern blühen blaue Kornblumen und am Straßenrand stehen Mengen von roten Mohnblumen, die in England Poppy heißen. Dort ist es sogar ein gebräuchlicher Mädchenvorname. Jetzt führt der Weg durch ein kleines Waldstück. Die Sonne strahlt durch die hohen Bäume herunter. Dann sehe ich in der Ferne einen Hügel, der mit kleinen Häusern übersät ist, und auf der anderen Seite das Meer. Hier beginnt die größere Ortschaft mit einem größeren Hafen, Supermarkt, Tourist-Information und Fußgängerzone. Dort ziehen wir uns am Automaten dänische Kronen, sehen kurz in die Schaufenster und erledigen unseren Großeinkauf im Supermarkt.

Zum Glück kennen wir uns aus mit dänischen Lebensmitteln. Schnell alles in den Einkaufswagen. Der Hunger erinnert uns daran: Wir dürfen auf keinen Fall Ribbesteg vergessen, also schnell an die Bratentheke. Vor zwei Jahren, als wir den Supermarkt noch genau inspizieren mussten, konnten wir an dieser Theke nicht einfach so vorbeigehen. Ich esse eigentlich kaum mal Schweinefleisch, aber bei diesem eingeritzten Krustenbraten setzt der Verstand aus. Ich habe noch nie beim Hineinbeißen, solch ein Geräusch und solch ein Gefühl im Mund gehabt. Vom Geschmack wollen wir gar nicht erst sprechen. Von Schweinebraten verstehen die Dänen was. Und vom Wein!

Man fragt sich: Ist das hier ein Supermarkt oder ein Weingroßhandel mit Lebensmittelabteilung? Samstags kaufen wir hier nicht mehr ein. Dann ist es sehr voll, obwohl man sagen muss, dass die meisten Kunden dann mit ihren Einkaufswagen hauptsächlich um die Weinregale und Weinverkaufsflächen herumschleichen. In ihren Einkaufswagen schieben sie in freudiger Erwartung auf das Wochenende 3-l-Weinkanister vor sich her. Ich habe noch nie so viele Wein-Pappkanister auf einmal gesehen. Aber es gibt natürlich auch jede Menge Weinflaschen. Über dem Nebeneingang des Supermarktes steht groß: Flasker. Es handelt sich um die riesige, angegliederte Leergutannahme. Der Braten ist heiß. Wir wollen schnell zurück, solange das Fett noch nicht durch die Tüte tropft.

Während wir die Traumstrecke zurückfahren, freue ich mich über meine günstige und wirklich schöne Neuerwerbung, einen Silikon-Schaber mit glasklarem Plastikgriff (perfektes Industriedesign aus China) und auf den perfekten Biss.

Kücheninspektion

Jedes Mal, wenn wir in einem Ferienhaus ankommen, sehe ich erst einmal in die Küchenschränke, um schnell alles zu optimieren. Mein Mann soll beste Arbeitsbedingungen vorfinden. Und es gibt immer etwas umzustellen und zu verbessern, glauben Sie mir. Und was ist dieses Mal zu tun?

Ups, wie sieht es denn hier aus? Plastikvorratsgefäße im Topfdrehschrank, ein dickes Holzschneidebrett ganz oben im Hängeschrank bei Tee und Zucker (wem soll das denn auf den Kopf fallen?), kein Schaber zu finden (man glaubt kaum, was man noch alles aus der Green-Pan-Pfanne raus schaben kann). Dann, oh Schreck, es piept beim Aufziehen einer Großraumschublade. Was soll das denn bedeuten? Wow, es ist ein Geschirrspüler.

Die Inspektion geht weiter: Kochlöffel in der Geschirrschublade zwischen den Tellern unter drei Rollen Frischhaltefolie versteckt. Drei Rollen? Wird nach jeder Vermietung einfach automatisch wieder eine Rolle nachgekauft oder sind das „Mitbringsel“ unserer Vorgänger und Vorvorgänger? Mich wundert es jedenfalls nicht, dass sie kaum gebraucht wird? Hier muss man nämlich nichts frisch halten. Hier wird einfach alles aufgegessen, was auf den Tisch kommt. In Konservendosen und Gefrierbeuteln ist nämlich alles portioniert, sprich rationiert. Und ich kann aus eigener Erfahrung sagen: „Seeluft macht hungrig!“

Leidenschaft für schöne Häuser

Ich erwache und schaue zum Meer, aber es ist weg. Alles sieht weiß aus und ist diesig, als ob es weder den Himmel noch das Meer gäbe. Ich fühle mich irgendwie schwach und lege mich wieder hin. Ich denke an den gestrigen wolkenlosen Sonnenuntergang. Als wir wortlos an der Landspitze standen, wehte nur ein zartes Lüftchen. Es fühlte sich angenehm frisch an. Vom Aufstieg war mir sehr warm geworden. Nachdem die Sonne verschwunden war, blickte ich mich zum Land um. Zwischen grünen Hügeln lagen Buchten. Es sah aus wie eine Seenlandschaft. Wiesen, Büsche, windschiefe Bäume. Auf einer Weide galoppierten drei Kühe ausgelassen herum. Ihre Artgenossen waren mit wichtigeren Dingen beschäftigt, nämlich mit dem Grasen.

Am Tage hatten wir auf dem kleinen Rasen neben dem Haus gesessen bzw. gelegen. Über uns flogen kleine Schwalben emsig hin und her. Mal segelten sie, mal schlugen sie so schnell mit den Flügeln, wie ein nasser Hund sich schüttelt. Auf dem Meer flitzte ein Motorboot. Man konnte hören, wie der Bug in kurzen Abständen auf das Wasser schlug. Am späten Nachmittag hörten wir immer wieder einen Kuckuck aus der Ferne. Nachdem wir abends ins Haus gegangen waren, setzte ich mich auf das Ikea Ektorp Sofa und blickte entspannt nach oben.

In diesem Walmdach-Bungalow kann man direkt bis unter das Dach gucken. Alles ist offen. Über dem kleinen Schlafzimmer, dem Bad und der offenen Küche befindet sich eine Art Galerie mit einer Schiffsreling davor. Dort oben liegen Matratzen und Auflagen. Hier können also noch mehr Feriengäste schlafen. Aufrecht gehen und stehen ist auf der Galerie aber nicht möglich. Wir nutzen den Platz vor allem, um unsere Transportboxen gut zu verstauen. Eine Leitertreppe, die mit einem dekorativen Messinghaken an der Wand befestigt ist, führt direkt nach oben. Man muss nur den Haken lösen, schon kommt sie einem entgegen.

An der hinteren Dachseite befindet sich ein großes Velux Fenster, das man mit einer Fernbedienung öffnen und schließen kann, falls es mal innen zu heiß werden sollte. Wir sind das dritte Jahr in diesem Haus. Bis jetzt hat es immer gereicht, die beiden Türen offen stehen zu lassen. Der Wind weht dann angenehm durch das Haus. Tatsächlich hat das Haus zwei Eingangstüren, die direkt gegenüberliegen. Und vor jeder Tür befindet sich eine gepflasterte Terrasse und eine kleine Rasenfläche.

Oft blicke ich nach oben durch das Dachfenster, an dem steilen Hügel entlang, der sich direkt hinter dem Haus befindet, hinauf in den blauen Himmel. Dann denke ich, ist es mein Haus? Ja, ich habe es mir gewählt. Ich liebe es mit seinen Ameisen und all seinen kleinen Unzulänglichkeiten.

Liebevoll lege ich Tücher um das Mundspülbecken. Was heißt schon perfekt. Nichts und niemand ist perfekt. In mein geliebtes Sommerhus möchte ich mit meinem Mann jedes Jahr zur Mittsommerzeit zurückkehren.

Schöne Häuser sind meine Leidenschaft. Ich empfinde tiefe Sehnsucht, wenn ich ein schönes Haus sehe. Ich schaue Filme an, nur wegen der darin vorkommenden Häuser. Ich erwache manchmal aus einem Traum, in dem ich wunderschöne Häuser sehnsüchtig angeschaut hatte. Ich sehe jedes Detail. Wenn ich ein Haus anschaue, weiß ich sofort, was man verbessern und optimieren könnte. Bei manchen sehe ich leider nur eine Abrissbirne. Da kommt jede Hilfe zu spät. Zu viel wurde daran verschlimmbessert. Bei manchen Neubauten fragt man sich, was ein Architekt für Geld alles aushalten und mitmachen muss. Was manche Leute nicht zu wissen scheinen: Häuser sollten wiederverkäuflich sein. In England kennt jeder den Wert seines Hauses, auch wenn er es nie verkaufen wird. Bauherr zu werden, scheint heutzutage eine ziemlich sichere Methode zu sein, um sich unglücklich zu machen. Aber im Hier und Jetzt denke ich nur an dieses Häuschen. Es war Liebe auf den ersten Blick!!!

P. S. Der Puppenkisten-Bootsmann ist inzwischen wieder unterwegs. Oh, je! Hat er etwa zugenommen? Dann könnte er gleich mit seinem Boot abgluckern. Fraglich ist, ob er sich dann mit seinem angefutterten Rettungsring über Wasser halten kann?

Kleines Bad mit Mundspülbecken

Es ist noch früh, aber ich kann nicht mehr schlafen, habe schon im Kopf, was ich heute schreiben will und brenne darauf, es in den Laptop zu tippen. Das Fenster war die ganze Nacht weit geöffnet. Es wird von Tag zu Tag sommerlicher und wärmer. Der Himmel ist wolkenlos und der Holunderzweig guckt herein und sagt: „Dann steh doch auf!“

Mein Mann ist schon mit dem Fahrrad unterwegs und mich hält nichts mehr im Bett. Wenig später stehe ich an der Spüle vor dem breiten Küchenfenster und lasse mich genussvoll von der Morgensonne wärmen, während ich meinen grünen Tee trinke. Mein Blick geht nach rechts durch die riesige Fensterfront übers Meer. Ein weißes Segelboot ist schon unterwegs. Ich frage mich, kann man näher am Meer wohnen? Zwischen Haus und Meer sehe ich nur Lavendel, ein paar Büsche, Heckenrosen und hohes, im Wind wogendes Gras. Eine Libelle fliegt vor dem Fenster hin und her, wie ein Hubschrauber, der einen Landeplatz sucht. Gestern haben im Jachthafen viele Boote festgemacht und es war auch schon eine Schar von Menschen zu sehen. Die Saison beginnt.

Nun frühstücken wir an dem großen rechteckigen Esstisch, den wir quer vor die Fensterfront gestellt haben. Gemütlich sitzen wir nebeneinander und vor uns stehen unsere beiden Ferngläser, mit deren Hilfe wir die schöne Umgebung genau beobachten können. Wenn einer von uns zum Fernglas greift, greift der andere automatisch sofort ebenfalls zu, denn dann muss da etwas Interessantes zu sehen sein.

Während wir essen, sticht ein Segelboot nach dem anderen in See, ich zähle sechszehn. Mein Blick geht weiter, links am Ufer entlang. Dort sehe ich etwas, kann es aber nicht richtig erkennen. Also greife ich zum Fernglas. Ein großer schwarzer Hund rennt vom Strand ins Wasser, um einen Stock zurückzubringen. Herrchen streckt den Arm aus, aber der Hund will den Stock nicht hergeben. Immer wieder legt er ihn ab. Schließlich gibt er ihn Frauchen. Sie schleudert das Holzstück zurück ins glitzernde Wasser, während der Hund schon erwartungsvoll losläuft. Herrchen und Frauchen umarmen sich. Es ist ein schon etwas älteres Ehepaar. Sie schlendern Hand in Hand weiter und finden ein weiteres Stück Treibgut. Der Hund kann vor lauter Aufregung kaum abwarten, es gleich aus den Fluten zu holen.

Wenn man das Bad in unserem Häuschen zum ersten Mal sieht, fragt man sich: Wo ist die Dusche? Dann wird einem klar: Das Bad selbst ist die Dusche. Ich schätze, der Raum ist etwa 1,5 Meter tief und 2 Meter breit. Auf der einen Seite kommt ein Schlauch mit einem Brausekopf aus der Wand und im Fußboden ist ein Abfluss. Gegenüber befinden sich die Toilette und das Waschbecken. Vorsichtig lasse ich das Wasser über meinen Körper laufen und bin erleichtert, dass
– die Wände (die jetzt vollspritzen) nicht gestrichen oder holzverkleidet sind, wie in manchen Ferienhäusern, sondern gefliest.
– das Wasser nicht gleichzeitig über Waschbecken und Klo läuft, wie in manchen Ferienhäusern,
– der Abfluss nicht verstopft ist!!!

Ich stehe mit Badelatschen in einer Wasserlache auf dem gefliesten Boden und freue mich, dass in diesem Sommerhaus alles so EINFACH ist – und warm. In anderen Ferienhäusern hatte ich früher immer spätestens im Bad gefroren und einen Heizlüfter gebraucht.

Beim Zähneputzen fällt mir ein, dass ich vergessen habe, das Waschbecken zu beschreiben: Man stelle sich das kleine Mundspülbecken beim Zahnarzt vor, aber einen Tick größer. Es steht hier wie eine Schüssel auf einem kleinen Unterschrank, so wie es heute modern ist. Es gibt keine Mischbatterie. „Heiß“ und „kalt“ müssen getrennt bedient werden, fließen jedoch aus einem schön geschwungenen Wasserhahn, nicht wie wir es in England häufig gesehen haben, aus zwei separaten Wasserhähnen. Das Ganze sieht sehr stylish aus. Kein Zweifel, es handelt sich bei dieser Waschgelegenheit um ein Designerstück, schön aber unpraktisch. Beim Waschen geht grundsätzlich Wasser daneben.

Aber ich bin froh darüber, dass der Unterschrank aus Kunststoff besteht und nicht aus (sich durchweichendem) Holz, wie in manchen anderen dänischen Ferienhäusern. Wir haben nämlich die Erfahrung gemacht: So wie in Deutschland, wird auch in Dänemark viel Kunststoff verwendet. Aber in unserem Urlaubslieblingsland kann man sich meistens darauf verlassen, dass ausgerechnet die Küchen- oder Badoberflächen, die öfter ab- und trocken gewischt werden müssen, aus Materialien bestehen, die Feuchtigkeit und Schmutz ganz in sich aufnehmen, wie z. B. Holz. Das ist wirklich eigenartig und vor allem unpraktisch.

Aber mit den Augen der Liebe, sieht man nun mal nur das Schöne und über alles andere hinweg. Also gebe ich mein Bestes bei der Schadensbegrenzung, denn ich liebe dieses Sommerhaus.

»Chili Texas Topf« für angehende Vegetarier

Ich erwache und blicke in einen wolkenlos blauen Himmel. Ich rieche das Meer und muss sofort einen Blick darauf werfen. Es glitzert im Sonnenschein, so wie es abermillionen Edelsteine nicht besser könnten. Ein Vogel fliegt auf und verliert etwas aus dem Schnabel. Nein, er fliegt immer wieder auf und lässt eine Muschel hinunter fallen, um sie zu knacken. Wie schlau! Ein paar Vögel fliegen vorbei, nein, ich glaube, es sind Enten. Wenn man sie malen wollte, bräuchte man ein Lineal, so schnurgerade sind ihre Körper, als hätte jede von ihnen einen Stock verschluckt. Ob das wohl Stockenten sind? Grins! Die Flügel stehen im rechten Winkel zu den Körpern und sind entweder über oder unter den Tieren zu sehen. Die Abstände zwischen den Enten sind auch immer genau gleich. Das wäre ein Fall für einen technischen Zeichner. Jetzt fliegt der kleine Schwarm wieder ganz dicht über der Meeresoberfläche – ein wunderschönes Bild.

In der Ferne höre ich das Tuten eines großen Schiffes. Auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht liegt eine Werft, was man am Tag kaum wahrnimmt. Aber nachts, wenn der Himmel sich ein wenig abdunkelt, leuchten von dort viele Lichter herüber. Wenn die Sterne und der Mond mal nicht zu sehen sind, haben diese Lichter am Horizont eine besondere Anziehungskraft. Aber jetzt sitze ich auf der Terrasse und genieße den Lavendel, seine Farben, seinen Duft. Ja, man glaubt es kaum: Vor der gesamten bodentiefen Glasfront des Hauses, das sogar noch um die Ecken herum geht wie ein Erker, blüht Lavendel. Dann plötzlich sehe ich das Segel eines Kitesurfers ziemlich dicht am Haus. Und schon wendet er und lässt sich wieder auf die Weite des Meeres zurückziehen. Eine Möwe kreischt. Das hört man hier nicht so oft.

Gestern öffneten wir eine Dose »Chili Texas Topf«, verbesserte Rezeptur stand groß drauf. Beim Essen spürte ich weiche Würstchenstücke auf der Zunge, zumindest dachte ich das. Anschließend sah ich mir die Zutatenliste genau an. Sie stand hinten auf der Dose im Kleingedruckten: Fleischwurst 4,2 %. Mit solch einer Zahl kann man bei den Verbrauchern natürlich nicht punkten. Deshalb befindet sich vorne auf der Dosenbanderole ein gut sichtbar hervorgehobenes Hinweisschild mit allen möglichen Informationen, die den Käufer positiv stimmen sollen. Als Hersteller muss man das wohl heute so machen. Ich las: ohne künstliche Farbstoffe (braucht man die in einer Tomatensoße?), ohne Geschmacksverstärker (braucht man die bei dieser höllischen Schärfe?), ohne Konservierungsstoffe (braucht man die in einer Konserve?) Meines Wissens sind die meistens ohnehin nicht erlaubt.

Um das Ganze zu krönen, prangte oben rechts noch ein schwungvoll gebogenes grünes Blatt, daneben stand: „Natürlich!“ Alles klar, dachte ich: Bio, vegetarisch, vegan, glutenfrei, lactosefrei, Low-Carb, ökologisch, fair trade zertifiziert … hätte man sicher auch noch gerne abgehakt; ging aber nicht. Aber irgendetwas musste doch noch abzuhaken sein. Natürlich! Mit diesem wohlklingenden Wort kann man praktisch nichts falsch machen. Was bedeutet es schon? Ist nicht alles irgendwie natürlich?

Außerdem handelt es sich nicht um einen geschützten Begriff, oder? Natürlich nicht !!!!!

 

Puppenkistenwetter für Übergewichtige

Heute ist der Himmel übersät mit weißen Wattebäuschen. Die hübschen Wölkchen sehen teilweise aus wie Rohrnudeln, die auf einem hellblauen Blech aufgereiht sind. Man kann sie aber auch mit Sixpacks vergleichen. Apropos: Mein Mann macht schon Gymnastik auf seiner Matte. Ich spüre das extrem weiche 140 cm breite Polsterbett unter mir. Es wird von zwei riesigen Holzkufen getragen. Wenn diese nicht quer angebracht wären, könnte man das Bett im Schnee von einem Pferd wie einen Schlitten ziehen lassen. Hier haben inzwischen die meisten Häuser diese Betten.

Die Ameisen haben übrigens wieder bei uns angeklopft. Das von den Nachbarn angebotene Dosenfutter mögen sie nicht. Also haben wir uns mit ihnen arrangiert oder sie mit uns. Jedenfalls bleiben sie nun, von Ausnahmen abgesehen, auf ihrer Seite des Hauses. Diese befindet sich unter den Fußbodenleisten, besonders in der Nähe des Kühlschranks.

Das Meer sieht aus wie das der Augsburger Puppenkiste, also wie eine Plastikfolie, die ganz sachte auf- und abbewegt wird. Ein winziges Boot fährt langsam auf der glatten Oberfläche. Sein Bug ragt sehr weit aus dem Wasser; es wirkt so, als ob das halbe Boot über der Wasseroberfläche schweben würde. Gespannt warte ich darauf, dass der Mann, der in dem Boot sitzt und ganz offensichtlich übergewichtig ist, gemeinsam mit seinem Außenbordmotor hinten abgluckert. Aber nichts dergleichen passiert. Ganz im Gegenteil, der Mann fährt gemächlich wieder zurück und genießt seinen Schönwetter-Ausflug. Eines steht fest, wenn er beim Bootfahren in Zukunft nicht mehr auf Puppenkistenwetter angewiesen sein möchte, hat er zwei Möglichkeiten:

Entweder kauft er sich ein XXXL-Boot oder er überdenkt seine Ernährung und nimmt ab. Aber er wartet wohl lieber auf das passende Wetter, denke ich. Immer nach dem Motto: „Don’t change a winning horse.“ Das Pferd darf nur beim Warten nicht zunehmen!

Es ist alles sehr modern hier. Der Jachthafen mit seinem kleinen rot-weißen Leuchtturm hat neuerdings Selbstbedienung und es gibt natürlich auch Slipanlagen, auf denen jeder sein Boot selbst ins Wasser gleiten lassen kann. Neben den Anlegern steht ein Kassenhäuschen, in dem man seine Liegegebühren bargeldlos entrichten kann. Das Ticket wird einfach hinter der Windschutzscheibe des Bootes sichtbar angebracht, wie man es vom Parken gewohnt ist.

Gestern sind wir natürlich wieder an den Weiden entlang unter leuchtend orangegelbem Himmel zum Sonnenuntergang gegangen. Die abgezäunten Weiden haben grundsätzlich schräg gebaute Gatter, die von selbst wieder zufallen, damit die Kühe nicht weglaufen können und womöglich die Klippe herunterfallen. Die Gatter selbst sind alle in einem schönen Rot gestrichen und mit kleinen, sorgfältig angebrachten Schildern versehen; auf ihnen ist ein wirklich gut getroffenes Symbol der königlichen Krone zu sehen. Es ähnelt den Briefkästen der königlichen Post. Ja, auch das knallert freie Naturschutzgebiet untersteht dem Schutz der Krone. Königin Margarethe lässt grüßen. Seufzer.

Ich finde es absolut richtig und wichtig, dass wir in Deutschland keine Monarchie haben. Aber wenn ich das hier sehe, muss ich sagen: „So eine Krone hat was!“