Kücheninspektion

Jedes Mal, wenn wir in einem Ferienhaus ankommen, sehe ich erst einmal in die Küchenschränke, um schnell alles zu optimieren. Mein Mann soll beste Arbeitsbedingungen vorfinden. Und es gibt immer etwas umzustellen und zu verbessern, glauben Sie mir. Und was ist dieses Mal zu tun?

Ups, wie sieht es denn hier aus? Plastikvorratsgefäße im Topfdrehschrank, ein dickes Holzschneidebrett ganz oben im Hängeschrank bei Tee und Zucker (wem soll das denn auf den Kopf fallen?), kein Schaber zu finden (man glaubt kaum, was man noch alles aus der Green-Pan-Pfanne raus schaben kann). Dann, oh Schreck, es piept beim Aufziehen einer Großraumschublade. Was soll das denn bedeuten? Wow, es ist ein Geschirrspüler.

Die Inspektion geht weiter: Kochlöffel in der Geschirrschublade zwischen den Tellern unter drei Rollen Frischhaltefolie versteckt. Drei Rollen? Wird nach jeder Vermietung einfach automatisch wieder eine Rolle nachgekauft oder sind das „Mitbringsel“ unserer Vorgänger und Vorvorgänger? Mich wundert es jedenfalls nicht, dass sie kaum gebraucht wird? Hier muss man nämlich nichts frisch halten. Hier wird einfach alles aufgegessen, was auf den Tisch kommt. In Konservendosen und Gefrierbeuteln ist nämlich alles portioniert, sprich rationiert. Und ich kann aus eigener Erfahrung sagen: „Seeluft macht hungrig!“

Pressefrei baumelt die Seele

Ich merke, dass mir das Schreiben Lebensfreude schenkt. Es lenkt mich vom ständigen Grübeln ab, wie nichts anderes. Ab und zu schafft das ein Buch. Aber wenn ich mal ein Buch finde, das mich fesselt, dann schmilzt es in meinen Händen dahin, wie Butter in der Sonne. In diesem Jahr habe ich die 52 abgelegten Frau im Spiegel-Ausgaben meiner Mutter nicht wie sonst zum Lesen mitgenommen, und es spricht alles dafür, dass ich sie zu Hause ungelesen einfach in die blaue Tonne drücken werde.

In den Jahren zuvor hatte ich den Urlaub immer dazu genutzt, neugierig sämtliche Informationen aus diesen Zeitschriften regelrecht aufzusaugen und war dadurch gedanklich in einer ganz anderen Welt und weniger bei mir selbst verhaftet. Was man da zwischen den Zeilen sehen und lesen kann ist hübsch hässlich und irre komisch, meist mehr irre als komisch.  Damit ist jetzt Schluss! Der Urlaub gehört ganz dem Seelenbaumeln und seit Neuestem auch dem Schreiben.

Heute ist es immer noch stürmisch. Das Meer ist übersät mit weiß gesäumten Wellen. Alles Grün im Vordergrund bewegt sich hin und her. Die Blätter glänzen im Sonnenschein. Eine einzelne weiße Möwe segelt am hellblauen Himmel. Über dem gegenüberliegenden Ufer unserer Bucht ist ein weißer Wolkenkranz. Sein Weiß ist am oberen Rand wie mit einem breiten Pinsel verwischt. Links sehe ich den kleinen Jachthafen, der gut geschützt in einer der vielen Einbuchtungen liegt. Dann kommen Hügel, einer mit sandfarbener steiler Abbruchkante; sie sind dunkelgrün bewaldet oder mit hell grünen Wiesen bedeckt. Hinter dem Haus vom steilen Hügel herunter zwitschern plötzlich Vögel. Es kommt mir so vor, als wollten sie sagen: „Es ist zwar stürmisch, aber wir singen dir trotzdem etwas vor, weil du es so liebst.“ Direkt vor mir liegt der steinige Strand. Abends spät gehen wir noch einmal die wenigen Schritte zum Wasser, von dem eine frische Brise herüberweht. Das Atmen fühlt sich an, als wenn gerade kühles Wasser einen schrecklichen Durst stillt.

Es wird kaum dunkel um diese Jahreszeit. Als wir zum Haus zurückgehen, entzünde ich in Gedanken ein Feuer am Strand, und zwar an einem Stapel Zeitschriften. Bevor er in Flammen aufgeht, kann ich gerade noch einen Star und seine riesige Hollywood-Villa sehen. Da überkommt mich ein wunderbares Gefühl. Ein Gefühl der Ruhe und Zufriedenheit hier in der Natur vor unserem Häuschen. Und dann hoppelt ein Hase vorbei und ich spüre, meine Seele ist angekommen.

Dänen lügen nicht

Ich erwache und habe das Gefühl, ich liege nicht, ich schwebe. Ist meine Schulter überhaupt noch da? Ich spüre keinerlei Druck oder Schmerz. Doch, sie ist noch da, sie war nur druckfrei versunken, und zwar in dem weichen dänischen randlosen Polsterbett, das auf einer Art Kufen steht. (Im Winter könnte man es vermutlich als Schlitten einsetzten, aber das ist eine andere Geschichte.)

Als Betten-Verkäufer würde ich es folgendermaßen anpreisen: „Bei diesem Modell handelt es sich um ein schulterschmerzfreies Slip-Modell mit pull and push Kufen-Funktion. Es ist 180 cm breit und lässt sich im Handumdrehen auf dem Boden vor und zurück und hin- und herschieben. So können Sie dahinter und darunter ganz leicht sauber machen und es RUNDUM frisch beziehen. Es wäre auch in Deutschland der Liebling aller Haus- und Putzmänner bzw. -frauen.“

Schade, bei uns quält man sich nach wie vor lieber mit unverrückbaren Riesenbettgestellen. Besonders beliebt ist derzeit das nicht handelbare Boxspring-Bett, immer nach dem Motto: Wenn schon unpraktisch, dann auch teuer – das nennt man dann Designer-Stück.

In den anderen dänischen Ferienhäusern hatten wir früher immer zwei nebeneinanderstehende 90 cm breite Versionen unseres heutigen Bettentraums. Sie wurden mit einer serienmäßig dazugehörigen Spange an den Kufen zusammengehalten. Es bestand nämlich sonst die Gefahr, dass im entscheidenden Augenblick einer der Partner (oder beide) zwischen den Betten verschwindet. Ich weiß, wovon ich spreche, denn in einem unserer Ferienhäuser fehlten die notwendigen Spangen, womit wir nicht gerechnet hatten. Was soll ich sagen, nur soviel – wir kamen aus dem Tal der Ahnungslosen …

Am nächsten Tag hatte mein Mann die Kufen mit einer Schnur zusammengebunden, damit wir keine bösen Überraschungen mehr erleben konnten. Erstaunlich, welchen Komfortgewinn so ein kleines Stück Schnur bewirkt.

Vor 26 Jahren – als wir unsere ersten Gehversuche in Sachen Dänemarkurlaub machten – mussten wir mit seeeeehr viel weniger Luxus auskommen. Wir hatten ein »Sommerhus« auf Seeland gebucht. Es gab noch kein Internet. Im Prospekt stand Die Kojen sind guten. Also sind die Betten gut, dachten wir. Aber die Betonung lag auf Kojen.

In der ersten Nacht lag ich oben, in einem sehr hohen Hochbett, auf das keine richtige Leiter führte. Die Besitzer mussten zweifellos Riesen sein und es selbst eingebaut haben. Das Bett war so hoch, dass ich am nächsten Morgen, beim Versuch rückwärts hinunterzukommen, mit den Hüftknochen auf der harten Kante auflag und weder vor noch zurückkam. Mein Mann musste mich befreien. Diese Schlafgelegenheit war eindeutig nicht zu empfehlen, höchstens für Masochisten oder Selbstmörder. Wir haben dann meine Matratze auf den Fußboden gelegt und den Urlaub trotzdem genossen. Was Betten in dänischen Ferienhäusern betraf, bestand also akuter Handlungsbedarf.

Wie wir jetzt wissen, hat sich in unserem Urlaubslieblingsland seitdem auf diesem Gebiet viel getan. Inzwischen kann ich sagen: „Dänen lügen nicht, wenn sie behaupten würden, uns bettentechnisch überholt zu haben!“

Angekommen

Ich blicke aufs stürmische Meer und genieße den stillen Frieden. Die Sonne kommt immer wieder durch und wärmt das Häuschen, das ein halber Wintergarten ist. Die riesige Fensterfront zur Südseite ist mit Meerblick, das findet man selten. Wir hatten früher nie ein so warmes Haus. Spätestens im Bad beim Duschen hatten wir gefroren und brauchten den Heizlüfter. Das Häuschen schmiegt sich an einen steilen Berg. Wenn wir oben spazieren gehen, können wir direkt auf unser Haus und Autodach schauen. Es ist das letzte Haus vor einem Naturschutzgebiet, das sich auf einer Landzunge befindet.

Wir gehen oft den Rundgang auf dieser Halbinsel. Dort ist teilweise Steilküste. Auf den Weiden grasen wunderschöne kleine braune Kühe mit großen Augen und auch Schafe. Überall blüht etwas, auch ganz karge Pflanzen haben die verschiedensten Blüten in den schönsten Farben, sogar am Strand. Der Duft ist einmalig wunderbar. Besonders intensiv betörend duften die pinkfarbenen Heckenrosen und der weiße Holunder. Vor dem Anfang des Rundwegs steht ein Verkehrsschild mit einem durchgestrichenen Moped und einem auf dänisch geschriebenen Zusatz, dass Moped fahren ab hier verboten ist. Als ich ein solches Verbotsschild bei einem unserer früheren Urlaube zum ersten Mal sah, konnte ich nicht mehr aufhören zu lachen. Mein Mann fragte mich damals, was ich denn hätte. Irgendwann konnte ich wieder sprechen: „Moped heißt auf dänisch knallert.“

Ich finde, das trifft es ganz genau!