Ich sehe ROT – auch in puncto Fönwelle

Um 5 Uhr sah ich das Morgenrot am Himmel. Ein wunderschöner Anblick. Aber es soll nichts Gutes verheißen, sagt man. Der Wetterbericht hatte auch tatsächlich Blitz und Donner vorhergesagt. Wir haben Donnerstag, das passt! Schon gestern Abend schien die Sonne nur noch zwischen einer graublauen Wolkendecke hervor, durch einen weißen Weichzeichner hindurch. Es wirkte wie kaltes Licht. Aber irgendwie schön. Deshalb sind wir nicht, wie sonst jeden Abend, zum Sonnenuntergang gegangen, sondern mit den Rädern durch das Ferienhausgebiet gefahren. Hier fahre ich gerne. Nicht wenige Häuser haben den Meerblick zu beiden Seiten. Man sieht sehr schöne Häuser und es duftet nach Blüten und Wald. Viele Kiefern und überall wuchernde blühende Heckenrosen, Holunder und Jelängerjelieber.

Dann fuhren wir auf der schönen ruhigen Hauptstraße zurück. Kann eine Hauptstraße ruhig sein? Wenn es sich, wie in diesem Fall, um eine Sackgasse handelt, schon. Plötzlich hörten wir ein ungewohntes Geräusch hinter uns. In regelmäßigen Abständen flitzten immer wieder einzelne Rennräder an uns vorbei. Am Jachthafen wurden sie beim Wenden von jemandem registriert. Ohne abzusteigen, flitzten sie dann mindestens zwanzig Kilometer wieder zurück zu ihrem Ausgangspunkt. Dieses Rennen findet alljährlich statt.

Wir radelten weiter in eine wunderschöne Bucht. Hier schmiegen sich die Häuser an einen Hang, sodass alle Bewohner Meerblick haben. Mir fiel wieder ein „rotes Anwesen“ auf. Eindeutig die Lieblingsfarbe der Besitzer: Dach, Klinker, Fenster, Haustür, Rollos, Eingangstor, alles ROT. Im Vorgarten blühten Mengen von roten Mohnblumen, daneben stand eine Jacht mit roter Persenning. Ja, sogar an der Naturstein-Hangbefestigung wucherten rotblättrige Steingewächse. Wie die Besitzer wohl das riesige Boot über den Steinhang vom Grundstück herunter ins Wasser bekommen? Durch das Tor passt es jedenfalls nicht. Müssen sie einen Kran bestellen?

Ein kleiner Hund kam bellend angelaufen. Aufrecht stehend kratzte er am roten Gartentor, legte sein Köpfchen schief und sah uns aus seinen kleinen Knopfaugen an, ohne weiter zu bellen. Wie süß! Das weiße Fell war rotbraun gefleckt. Herrchen und Frauchen waren demnach auch bei der Wahl ihres Hundes ihrer Lieblingsfarbe treu geblieben. Dieses „rote Anwesen“ ist außergewöhnlich für Dänemark. Aber die Besitzer scheinen nun einmal die Farbe ROT zu lieben. Ich stellte mir vor, wie sie sich abends mit Rotwein zuprosten. Darin würden sie sich allerdings nicht von den anderen Dänen unterscheiden.

Jetzt schaue ich in den riesigen Spiegel, der hinter dem winzigen Waschbecken angebracht ist, und denke: Warum kann mein Mann nicht Haare schneiden, so wie ich es bei ihm kann? Ich sehe bald aus wie Donald Trump. Howard Carpendale hat die Frisur besser gestanden. Aber seine Spuren verschwanden im Sand, während Tramps Spuren ins Weiße Haus führten. Wie ich gehört habe, mussten die zuständigen Damen und Herren lange nach einer Friseurin fürs Weiße Haus suchen, die dieses Föhnwellenunikat beherrscht; schließlich haben sie eine in Hollywood aufgetan. Sie ist nicht mehr die Jüngste und etwas dement, hat es aber noch voll drauf. Ja, braucht man überhaupt ein Kurzzeitgedächtnis für diese spezielle Frisur, so solange wie die schon unmodern ist? Ich glaube nicht. Und es besteht sicher auch nicht die Befürchtung, dass sie wieder modern wird.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*