Ein Kurztrip nach Ostfriesland sollte es werden. Wir wollten mit den Rädern am Wasser entlang fahren, typische ostfriesische Häuser sehen und die echt ostfriesische Tee-Zeremonie erleben. Das war der Plan.
Zuerst haben wir es in Leer und dann in Emden versucht, also dort, wo das alles möglich sein sollte.
In Leer konnten wir tatsächlich am Wasser fahren, aber hauptsächlich hinter dem Deich durch Schafsch… in verschiedenen Konsistenzen. Wir mussten ständig unsere Fahrräder durch schwergängige Gatter bugsieren – ein mühsames Geschäft.
Schöne friesische Häuser gab es auch, aber nur in der lauten Einkaufszone, die von vielen Menschen, bunt gemischt, bevölkert war. Sie saßen hauptsächlich in Cafés mit Bäckerei-Hintergrund. Womit wir beim Thema wären: keine Teestuben in Sicht. Hier wurde es wieder einmal bestätigt: Fußgängerzonen sehen im Grunde überall gleich aus, wären da nicht die wenigen historischen Gebäude, durch die sie sich unterschieden.
Am Hafen gab es eine Brücke, die nur einspurig befahrbar war. Deshalb stauten auf beiden Seiten Autos zu langen Schlangen. Sie bewegten sich nur dann, wenn sie die Brücke überqueren durften. Klappte die Brücke hoch, um ein Schiff durchzulassen, stand alles, Fußgänger, Fahrradfahrer, Autos, Laster und besonders die Luft. Sauerstoff Fehlanzeige, besonders bei der Hitze.
Und genau an diesem neuralgischen Punkt entdeckten wir eine ostfriesische Teestube mit ein paar Tischen vor der Tür. Ich sah die typischen Teekännchen mit der Friesenrose und mein Herz hätte eigentlich höher schlagen müssen, aber mir wurde sofort klar, dass sich die fast schon sichtbaren Abgaswerte und besonders der Geräuschpegel schlecht in Einklang mit einer gemütlichen Tee-Zeremonie bringen ließen – jedenfalls im Außenbereich.
Und vom Rauchen würde ich dort jedem abraten, auch wenn die Tische mit Aschenbechern bestückt waren. Wie viele Gäste hier wohl schon tot umgefallen sind. An solchen Stellen sollte das Aufstellen von Beatmungsgeräten und Defibrillatoren zum Pflichtprogramm gehören.
Dies war jedenfalls eindeutig nicht der Ort zum gemütlichen Genießen. Deshalb arbeiteten wir uns weiter durch die Menge und fuhren zum nahe gelegenen Schloss, das bezaubernd schön war. Nachdem wir es uns angesehen hatten, fuhren wir durch den wunderschönen Schlosspark zu einem großen Nebengebäude mit einem Café. Von dort aus konnten wir das Schloss nicht mehr sehen, aber ganz allein unter Bäumen im Halbschatten und an frischer Luft Flammkuchen essen und große alkoholfreie Hefeweizen trinken. Das war herrlich.
Nicht so herrlich war das Gäste-Toiletten-Verhältnis. Ein einziges WC war mit dem Ansturm einer Seniorengruppe, die sich zuvor im Schloss aufgehalten hatten vollkommen überlastet, zumal die Damen offenbar viel Bier getrunken hatten. Entsprechend lang war die Schlange vor der Toilette. Die WC-Abgaswerte waren hier aber nicht im lebensbedrohlichen Bereich, so wie die Autoabgase bei der einspurigen Brücke.
Anschließend fuhren wir mit dem Auto und den Rädern hinten drauf weiter nach Emden. Bei der Tourist-Information sagte man uns, es gäbe keine ostfriesische Teestube. Aber das konnte ich mir einfach nicht vorstellen und ich fragte zwei Damen, die sich gerade unterhielten, ob sie uns nicht helfen könnten. Die eine von beiden führte uns dann direkt zum modernen Henry Nannen Museum mit Kunsthalle und Café. Es war zwar keine Teestube, wie man sie sich sonst vorstellt, aber das Ambiente gefiel uns gut. So genossen wir auf einer modernen Terrasse an einem Wasserlauf sitzend unsere Teezeremonie. Es gab echten Ostfriesentee aus Kännchen (allerdings ohne Friesenrosen-Dekor), die auf Stövchen standen, dazu Kluntjes und Sahne mit Schöpflöffelchen, herrlich.
Es war angenehm ruhig, geradezu idyllisch, bis wir plötzlich von Weitem sehr laute Musik näherkommen hörten. Zwei junge rauchende Männer fuhren mit Ghettoblaster bewaffnet auf ihrem Motorboot langsam an uns vorbei. Die Bässe brachten das Teekännchen auf dem Stövchen zum Vibrieren. Ich hätte den Typen am liebsten den Aschenbecher, der auf unserem Tisch stand, an Deck geworfen. Aber ich war damit beschäftigt, mir die Ohren zuzuhalten.
Später fuhren wir über die Autobahn durch die Rauchwolke, die das brennende Moor im Moment hinterlässt, nach Hause. Der Traum von einer romantischen Radtour in Ostfriesland war ausgeträumt. Dafür sind wir am nächsten Tag mit unseren Drahteseln nach Dammsiel gefahren – immer am Wasser entlang. Dort angekommen, gab es ein herzhaftes Bauernfrühstück. Auf dem Rückweg kauften wir Sahne für eine ostfriesische Teezeremonie im eigenen Garten – natürlich mit Friesenrosen-Dekor.
Unterm Strich muss ich sagen, der zweite Tag war besser, auch wenn ich die Ökobilanz betrachte. Wir konnten die gesamte Strecke mit den Rädern fahren. Es war alles in der Nähe, sogar ein Schloss. Wie heißt es so schön: Our home is our castle!