Kleine Nager auf Sacksuche

Mein Mann kam gestern in die Küche und sagte, er hätte Löcher im Sack, daran sei eine Maus schuld.

Autsch, dachte ich, das klingt nicht gut. Dann zeigte er mir den kaputten Beutel, der tatsächlich von einer Maus in der Garage angefressen worden war. Nun braucht der Laubsauger einen neuen Sack. Für dieses Gerät mit Stromkabel gibt es jedoch keinen Ersatzsack zu kaufen. Und was nun?

Mein Mann wollte ohnehin in Zukunft lieber unabhängig von einem Kabel arbeiten, allerdings auch
ohne einen lauten und stinkenden Benzinmotor. Deshalb war schnell klar, für einen Neukauf kommt nur ein akkubetriebenes Gerät infrage, allerdings auch nur eins, bei dem mein Mann nicht wieder „an“gebunden ist. Außerdem soll nicht nur geblasen, sondern bei Bedarf auch gesaugt werden können. Luxus pur.

Also hielt er im Internet Ausschau und stellte fest, wenn er etwas nimmt, das leistungsstark ist und dabei nicht nur bläst, sondern auch saugt, geht das nicht ohne Anschluss. Ich meine Stromanschluss und Kabel. Alle akkubetriebenen Modelle mit den gewünschten Funktionen hatten schlechte Bewertungen und waren deshalb raus aus der „Verlosung“.

Das Ende vom Bläserlied: Mein Mann muss wohl oder übel warten, bis es ein Modell gibt, das bläst und saugt und das was taugt und bei dem er obendrein noch un“an“gebunden ist – also ein Gerät, das keine Steckdosen braucht, während er damit vorne und hinten beschäftigt ist. Ich meine im Garten!

Naja, solange muss er eben mit zusammengeflicktem Sack weitermachen. Zum Glück kann ich gut nähen. Jetzt brauchen wir nur noch eine Lösung für die Maus.

Zu hohe Abgaswerte bei Teezeremonie

Ein Kurztrip nach Ostfriesland sollte es werden. Wir wollten mit den Rädern am Wasser entlang fahren, typische ostfriesische Häuser sehen und die echt ostfriesische Tee-Zeremonie erleben. Das war der Plan.

Zuerst haben wir es in Leer und dann in Emden versucht, also dort, wo das alles möglich sein sollte.

In Leer konnten wir tatsächlich am Wasser fahren, aber hauptsächlich hinter dem Deich durch Schafsch… in verschiedenen Konsistenzen. Wir mussten ständig unsere Fahrräder durch schwergängige Gatter bugsieren – ein mühsames Geschäft.

Schöne friesische Häuser gab es auch, aber nur in der lauten Einkaufszone, die von vielen Menschen, bunt gemischt, bevölkert war. Sie saßen hauptsächlich in Cafés mit Bäckerei-Hintergrund. Womit wir beim Thema wären: keine Teestuben in Sicht. Hier wurde es wieder einmal bestätigt: Fußgängerzonen sehen im Grunde überall gleich aus, wären da nicht die wenigen historischen Gebäude, durch die sie sich unterschieden.

Am Hafen gab es eine Brücke, die nur einspurig befahrbar war. Deshalb stauten auf beiden Seiten Autos zu langen Schlangen. Sie bewegten sich nur dann, wenn sie die Brücke überqueren durften. Klappte die Brücke hoch, um ein Schiff durchzulassen, stand alles, Fußgänger, Fahrradfahrer, Autos, Laster und besonders die Luft. Sauerstoff Fehlanzeige, besonders bei der Hitze.

Und genau an diesem neuralgischen Punkt entdeckten wir eine ostfriesische Teestube mit ein paar Tischen vor der Tür. Ich sah die typischen Teekännchen mit der Friesenrose und mein Herz hätte eigentlich höher schlagen müssen, aber mir wurde sofort klar, dass sich die fast schon sichtbaren Abgaswerte und besonders der Geräuschpegel schlecht in Einklang mit einer gemütlichen Tee-Zeremonie bringen ließen – jedenfalls im Außenbereich.

Und vom Rauchen würde ich dort jedem abraten, auch wenn die Tische mit Aschenbechern bestückt waren. Wie viele Gäste hier wohl schon tot umgefallen sind. An solchen Stellen sollte das Aufstellen von Beatmungsgeräten und Defibrillatoren zum Pflichtprogramm gehören.

Dies war jedenfalls eindeutig nicht der Ort zum gemütlichen Genießen. Deshalb arbeiteten wir uns weiter durch die Menge und fuhren zum nahe gelegenen Schloss, das bezaubernd schön war. Nachdem wir es uns angesehen hatten, fuhren wir durch den wunderschönen Schlosspark zu einem großen Nebengebäude mit einem Café. Von dort aus konnten wir das Schloss nicht mehr sehen, aber ganz allein unter Bäumen im Halbschatten und an frischer Luft Flammkuchen essen und große alkoholfreie Hefeweizen trinken. Das war herrlich.

Nicht so herrlich war das Gäste-Toiletten-Verhältnis. Ein einziges WC war mit dem Ansturm einer Seniorengruppe, die sich zuvor im Schloss aufgehalten hatten vollkommen überlastet, zumal die Damen offenbar viel Bier getrunken hatten. Entsprechend lang war die Schlange vor der Toilette. Die WC-Abgaswerte waren hier aber nicht im lebensbedrohlichen Bereich, so wie die Autoabgase bei der einspurigen Brücke.

Anschließend fuhren wir mit dem Auto und den Rädern hinten drauf weiter nach Emden. Bei der Tourist-Information sagte man uns, es gäbe keine ostfriesische Teestube. Aber das konnte ich mir einfach nicht vorstellen und ich fragte zwei Damen, die sich gerade unterhielten, ob sie uns nicht helfen könnten. Die eine von beiden führte uns dann direkt zum modernen Henry Nannen Museum mit Kunsthalle und Café. Es war zwar keine Teestube, wie man sie sich sonst vorstellt, aber das Ambiente gefiel uns gut. So genossen wir auf einer modernen Terrasse an einem Wasserlauf sitzend unsere Teezeremonie. Es gab echten Ostfriesentee aus Kännchen (allerdings ohne Friesenrosen-Dekor), die auf Stövchen standen, dazu Kluntjes und Sahne mit Schöpflöffelchen, herrlich.

Es war angenehm ruhig, geradezu idyllisch, bis wir plötzlich von Weitem sehr laute Musik näherkommen hörten. Zwei junge rauchende Männer fuhren mit Ghettoblaster bewaffnet auf ihrem Motorboot langsam an uns vorbei. Die Bässe brachten das Teekännchen auf dem Stövchen zum Vibrieren. Ich hätte den Typen am liebsten den Aschenbecher, der auf unserem Tisch stand, an Deck geworfen. Aber ich war damit beschäftigt, mir die Ohren zuzuhalten.

Später fuhren wir über die Autobahn durch die Rauchwolke, die das brennende Moor im Moment hinterlässt, nach Hause. Der Traum von einer romantischen Radtour in Ostfriesland war ausgeträumt. Dafür sind wir am nächsten Tag mit unseren Drahteseln nach Dammsiel gefahren – immer am Wasser entlang. Dort angekommen, gab es ein herzhaftes Bauernfrühstück. Auf dem Rückweg kauften wir Sahne für eine ostfriesische Teezeremonie im eigenen Garten – natürlich mit Friesenrosen-Dekor.

Unterm Strich muss ich sagen, der zweite Tag war besser, auch wenn ich die Ökobilanz betrachte. Wir konnten die gesamte Strecke mit den Rädern fahren. Es war alles in der Nähe, sogar ein Schloss. Wie heißt es so schön: Our home is our castle!

Sexuelle Revolution an der Feinkostecke

Als ich mittags mit Besorgungen für meine Mutter aus der Stadt zurückkam, ging ich gleich zum türkischen Feinkost-Laden, um das Essen für meine Mutter und mich abzuholen, dass ihr sonst gebracht wird.

Heute gab es unser Lieblingsgericht: gefüllte Auberginen mit Mett, Paprika, hausgemachtem Tomatenpüree und Reis in besonderer Geschmacksnote und Konsistenz. Der natürliche Geschmack der einzelnen Zutaten wurde sehr fein abgeschmeckt. Meine Mutter lobte das Gericht während wir aßen ununterbrochen und blieb auch später dieser Meinung. Gäbe es einen Michelin-Stern für mediterrane Mittagstisch-Gerichte, wären speziell diese gefüllten Auberginen die heißesten Anwärter.

Der Eckladen bietet täglich zwei köstliche Gerichte, die man aber auch direkt dort verzehren kann. Das Feinkostgeschäft ist also gleichzeitig ein kleines Restaurant. Im Innenbereich können die Gäste gemütlich in einem Wintergarten-Vorbau sitzen. Vor der Tür sind auf beiden Seiten der Hausecke ein paar Tische und Stühle aufgebaut, die bei schönem Wetter immer gerne genutzt werden.

Bevor ich den Laden betrat, sah ich draußen zwei Best Ager mit kurzen silbergrauen Haaren nebeneinander am Tisch im Sonnenschein sitzen. Die beiden Frauen strahlten, während die Sonnenstrahlen ihre Herzen erwärmten. Ein idyllisches Bild. Ihre beiden Cappuccino Tassen als Stillleben davor.

Die eine Frau hatte ihren Kopf an die Schulter der anderen geschmiegt. Es wirkte herzerwärmend. Das nennt man wahre Zuneigung, dachte ich gleich, während ich an der Verkaufstheke stand und auf das Essen wartete.

Als ich den Laden wieder verlassen wollte, küssten sich die beiden Frauen leidenschaftlich eng umschlungen und lang anhaltend. Offensichtlich kamen sie kaum zum Kaffeetrinken, so vertieft, wie sie waren. Es lief also alles auf kalten Kaffee und heiße Liebe hinaus.

Ups, dachte ich, das ist mal eine extraordinäre Kiste – echt außergewöhnlich. Der Ladenbesitzer, der gerade wieder an einem anderen Tisch bedient hatte, muss ähnliche Gedanken gehabt haben. Er wirkte plötzlich ganz blass; der Kulturschock war ihm anzusehen. Musste die sexuelle Revolution der lesbischen Best Ager ausgerechnet mittags vor seinem Laden beginnen? Ihm fehlten die Worte.

Entgleisungen unter Wäscheleinen

Die Eisenbahnanlage auf unserem Dachboden spricht Bände. Es fing alles mit einem Weihnachtsgeschenk für meinen ältesten Bruder an, der damals noch nicht einmal ZWEI Jahre war! Damit gespielt hat mein Vater – also mit der elektrischen Eisenbahn, nicht mit meinem Bruder.

Vorher konnte man noch gut auf unserem Dachboden Wäsche aufhängen. Das beschränkte sich schleichend auf nur noch zwei Leinen über dem schmalen Gang vor der Eisenbahn-Anlage, die ständig wuchs und weiterentwickelt wurde. Überall Gleisanlagen, beschrankte Bahnübergänge, Bäume, eine komplette Kleinstadt, natürlich mit Bahnhof, Laternen, Straßen, beleuchteten Häusern, einer Tankstelle und einem angrenzenden Güterbahnhof.

Das Ganze zeigte sich vor einem riesigen Gebirge aus Pappmaschee mit mehreren Tunneldurchfahrten. Personenzüge hatten Innenbeleuchtung; Güterzüge mit rauchenden Schornsteinen konnten von einer Anlage mit Schüttgut, wie winzigen Kohlen, auf Knopfdruck befüllt werden. Mein Vater hatte ein Schaltpult mit Knöpfen und Kippschaltern, von wo aus er alle Weichen stellen und auch alles andere steuern konnte.

Wenn er alle Züge gleichzeitig fahren ließ, gab es schon mal die eine oder andere Entgleisung. Aber das war kein Problem für ihn. Er hatte sich eine flache Rollliege gebaut, mit deren Hilfe er, auf dem Rücken liegend, unter der Anlage hindurchfahren, in der dafür eingerichteten mittigen Öffnung auftauchen und die Züge wieder aufstellen konnte. Das Teil war sehr praktisch, auch beim Strippen Ziehen und Löten unterhalb der Anlage.

Wir Kinder nutzten die Rollliege gerne, um bis zu der Öffnung zu fahren und dort mitten in der Kleinstadt aufzutauchen und stehend zu beobachten, wie die Züge überall um uns herumfuhren. Und wenn wir Lust hatten, spielten wir dort mit den kleinen Modell-Autos.

Die Krönung war, wenn mein Vater abends oder wenn Gäste da waren, bei voller Nachtbeleuchtung der Anlage, alle Züge fahren ließ. Dann konnten wir sie in der Dunkelheit von der Mitte aus beobachten – ich meine die Züge, nicht die Gäste – während tausend kleine Lichter funkelten. Die Geräusche und das Tuten der Züge habe ich heute noch im Ohr. Es war überwältigend.

Aber der Dachboden hatte auch noch andere Reize. Manchmal fuhren wir komplett unter der Anlage durch und tauchten erst hinter dem Gebirge wieder auf. Dort stand ein großer Überseekoffer mit alten Klamotten, mit denen wir uns verkleiden durften. Das Gebirge war unsere Umkleidekabine, Höhle und Versteck zugleich. Die Stauballergie war zu dem Zeitpunkt noch nicht erfunden.

Dass meine Mutter kaum noch Wäsche aufhängen konnte, störte sie weniger als die Tatsache, dass mein Vater eines Tages meinte, dringend aufrüsten zu müssen. Militärfahrzeuge wie Panzer wurden angeschafft und bemalt. Kein Mensch verstand ihn, aber wie heißt es so schön: Manchmal muss ein Mann eben haben, was ein Mann eben haben muss.

Meine Mutter war not amused. Es kam zu bilateralen Gesprächen und harten Verhandlungen mit ausbleibender gemeinsamer Lösung. Die diplomatischen Beziehungen zwischen meinen Eltern wurden kurzzeitig abgebrochen.

Das nennt man Ehekrach.

Aber die Panzer waren bereits angeschafft und zierten wenig später die Anlage. Angesichts der angespannten Lage konzentrierte sich meine Mutter beim Wäscheaufhängen nur noch auf die gespannten Wäscheleinen.

Das nennt man Toleranz, was nichts anderes bedeutet als Duldung.

Was sagte meine Mutter vor Kurzem so treffend – in solchen Momenten zeigt die Demenz ihre angenehm komische Seite: „Was ist noch Scheidung? Ach ja, das ist, wenn einer der Teilnehmer nicht mehr mitmacht.“

Meine Mutter hatte bis zum Tode meines Vaters mitgemacht. Was zählen schon ein paar winzige Modell-Panzer gegen die Liebe.

Vom „Nieten-Puper“ zum Uhrenflüsterer

Mein Vater war technisch sehr begabt und tüftelte gern. Er wollte Ingenieur werden. Nach der Schule brauchte er sich aber keine Gedanken über seine Ausbildung zu machen; das übernahm die Wehrmacht. Danach ging es bald ab in den Krieg, als Funker, nacheinander an zwei verschiedenen Fronten. Beim ersten Mal hatte er Glück im Unglück, dass der Impfstoff, mit dem er geimpft wurde, verdorben war, und er deshalb, schwer krank mit Blutvergiftung und offener Wunde, kurz vor der feindlichen Übernahme, in einem Güterwaggon aus Russland zurücktransportiert wurde. Das Schild an seinem Lazarett-Bett mit der Aufschrift „nicht transportfähig“ hatte er mit letzter Kraft verschwinden lassen.

Irgendwann fand er sich in weißen Laken wieder. Das Gefühl hat er nie vergessen.

Nachdem er wieder gesund war, wurde er sofort wieder an die nächste Front geschickt und wurde von den Amerikanern „einkassiert“. Als er aus kurzer Gefangenschaft zurückkam, wurde er für das Nieten-Pupen eingeteilt – dabei musste er Nieten aus zertrümmerten Eisenbrückenteilen herausschlagen. Sein alter Freund Peter erlöste ihn bald von dieser eintönigen Arbeit, indem er ihn für bessere Aufgaben zu Siemens holte.

Mein Vater war kein Uhrmacher, aber er interessierte sich für Uhren. Eine riesige Uhr, die nicht lief, reparierte er nebenbei. Er hängte sie sich neben seinen Arbeitsplatz und beobachtete sie immer wieder, nachdem er daran herumgetüftelt hatte. Auf die Weise brachte er sich das Uhrmacher-Handwerk selbst bei und die Uhr wieder zum Laufen. Man stellte allgemein fest: Bei ihm tickte es ganz sauber.

Von dem Zeitpunkt an, war er der inoffizielle Uhren-Flüsterer von Siemens und wurde oft zu großen Uhren gerufen, die ihrer Zeit voraus waren oder gar nicht mehr liefen.

Später stattete mein Vater sein Elternhaus mit Uhren aus. Bis heute hängen in jeder Etage im Treppenhaus und in den Küchen und Bädern große Uhren, die von einer Zentraluhr im Keller gesteuert werden.

Beruflich hatte er mit Telefonanlagen zu tun. Deshalb stattete er unser Haus auch gleich großzügig mit diesem Fortschritt aus. In jedem Zimmer stand ein Haustelefon, mit dem wir interne Anrufe tätigen konnten. Ich hatte zwar nie ein eigenes Zimmer, aber solange ich denken kann, ein eigenes Telefon am Bett – genauso wie meine kleine Schwester, mit der ich mir das Zimmer teilen musste.

Unsere Mutter weckte ihre vier Kinder morgens telefonisch vom Küchenanschluss aus. Auch zum Essen musste man nicht auf Gong-Schlag erscheinen, sondern auf telefonische Einladung. Und eine Klingel-Gegensprechanlage mit automatischem Türöffner an der Haustür hatten wir schon, als andere von dem Begriff noch nie gehört hatten.

Auch hing schon damals in jedem Raum ein Lautsprecher an der Wand. Die wurden alle zentral von einem Radio gespeist. Ich hatte also keinen Einfluss auf die Wahl des Senders. Aber wozu auch? Vermutlich hätten die anderen Sender auch nur ein Programm zum Abschalten gebracht. Es kam mir so vor, als ob die wenigen Sender, die es damals gab, alles und jeden bedienten; sie sendeten Landfunk, Börsenberichte, Durchsagen für Hafenarbeiter, Schulfunk, Kochrezepte, Gottesdienste, Fußballkommentare, Hörspiele, Instrumentalmusik, Klassik und Wunschkonzerte in bunter Reihenfolge – also praktisch all das, was Kindern am Ohr vorbeigeht. Selten gab es sogenannte Unterhaltungsmusik wie Schlager. An bestimmten Feiertagen hätte man allein vom Radiohören Depressionen bekommen können.

Es bestand damals also nicht die Chance, dass man mit seiner Lieblingsmusik verwöhnt wurde, wenn man überhaupt welche hatte. Aber ich muss zugeben, andere Kinder in meinem Alter hatten noch nicht einmal einen eigenen Lautsprecher, geschweige denn ein Radio. Die konnten nicht mitreden, ich konnte immerhin ausschalten.

Und dann gab es da noch die Kontrollleuchte über der Badezimmertür. Wenn das kleine rote Licht brannte, mussten wir nicht erst die Türklinke drücken, um herauszufinden, dass sich bereits jemand im Bad aufhielt. Wir sahen schon von Weitem, dass wir noch warten mussten. Man kann sagen, technischer Fortschritt war unser zweiter Nachname. In dieser Hinsicht waren wir unserer Zeit weit voraus, aber in Sachen fortschrittliche Erziehung hinkten meine Eltern eher etwas hinterher. Aber das ist eine andere Geschichte.

Zwei Fliegen und ein Klo! Wer bekommt den Zuschlag?

Derzeit hängt eine wichtige Sanitärfrage im Raum bei uns – nicht im Bad, sondern so allgemein. Sollen wir oder sollen wir nicht. Ich sage nur: spülrandlos.

Natürlich besitzen wir eine funktionierende Toilette, aber die hatte schon vor Jahren Jubiläum und lässt sich nicht so einfach reinigen wie die neuen Modelle ohne Spülrand. Unser Kalk-Problem möchte ich in Zukunft nicht mehr von WC-Enten lösen lassen, wenn es doch auch umweltfreundlich geht. Ein Klempner, der das Klo günstig austauschen wollte, schickte uns gestern telefonisch schon mal zu einer Sanitär-Ausstellung. Wir verbanden die Tour mit einem kleinen Abstecher in ein Heide-Gebiet, das zum Spazieren gehen einlädt. Bei strahlendem Wetten konnten wir also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, auch wenn sich der eigentliche Grund unseres Ausflugs immer wieder in den Mittelpunkt schob. Sonst wären wir in unserer ausgelassenen Unterhaltung wohl kaum von Sonnenbrillen auf Klobrillen gekommen.

Es ist gerade Heideblütezeit, aber man sah nur stellenweise lila-blühende Flächen. Die Heide war leider größtenteils vertrocknet. Trotzdem ist die Landschaft wunderschön und idyllisch, mit einem winzigen glitzernden See, Kiefern, Ginster und weißen Birken. Ein Busch hatte sich schon knallrot verfärbt. Ich wäre gerne geblieben, aber wir mussten dringend ein Klo auf- und anschließend aussuchen.

Okay, das war dann erledigt. Wir haben uns für das neuste spülrandlose Modell entschieden.

Heute Nachmittag war dann der Klempner hier, um sich schon mal umzuschauen. Morgens hatte er sich seine Hand verletzt. Ein Arbeitsunfall, wie sich herausstellte. Er meinte fröhlich, dass er richtig Glück gehabt hätte, weil es im Großen Krankenhaus passiert sei. In nur zwei Minuten wäre er in der Notaufnahme gewesen.

Zum Glück wäre es seine linke Hand, meinte er erleichtert. Hoffentlich hat er nicht zwei linke Hände, dachte ich. Er war uns jedoch empfohlen worden und machte auch einen guten Eindruck: Frisch angezogen und frisch verbunden, eingehüllt in eine Wolke Discounter-Duft. Wo das hart verdiente Geld blieb, konnte man in seiner Hosentasche sehen. Da schauten keine billigen oder etwa selbst gedrehte Zigaretten heraus.

Er hätte schon mal so einen ähnlichen Unfall gehabt, erzählte er. Der Fingernagel wäre diesmal zwar ganz ab gewesen, aber vielleicht würde er ja wieder anwachsen. Ansonsten könne er lange was davon haben. Sie hätten ihn erst einmal wieder draufgelegt. Damit der Bluterguss besser ablaufen könne, müssten sie morgen vielleicht noch ein Loch hineinbohren – in den Nagel, nicht in den Finger. Ich bekam zuerst den Mund nicht mehr zu und dann weiche Knie. Er war bester Dinge.

Er könne es kaum erwarten bei uns anzufangen, sobald sein Heilungsprozess abgeschlossen sei und er die anderen Kunden, die noch vor uns „dran“ wären, abgearbeitet hätte. Er rechnete kurz. Dann sagte er gut gelaunt: „So in ein, zwei Monaten etwa oder unter der Hand in ein, zwei Wochen.“ Unter welcher Hand, dachte ich und sah mich schon mit ihm in der Notaufnahme. Beim Rausgehen sagten wir ihm, wir würden noch mal drüber schlafen – so ein, zwei Jahre.

Hätten wir doch gleich unseren Haus- und Hofklempner gefragt. Bei dem bekommen wir zwar auch nicht sofort einen Termin, aber wir haben ja Zeit. So hat auch alles seine Richtigkeit mit den Steuern und wir können sicher sein, dass alle Gliedmaßen des Handwerkers versichert sind. Man sollte nicht am falschen Ende sparen – bei der Keramik-Qualität tun wir das ja auch nicht – besonders bei solch einem wichtigen Teil.

Wir wissen nicht, wie lange wir noch leben? Aber eines steht fest, besonders in puncto Klo: Wer lange lebt, macht viel durch!

Zwetschgen mit Kirschlutscher-Aroma

Meine Mutter liebt Zwetschgen. Als sie noch ihren Schrebergarten hatte, verarbeitete sie die Früchte von drei Bäumen. Entsprechend viel Marmelade und Saft stand allen Familienmitgliedern zur Verfügung. Natürlich gab sie auch jedes Jahr mehrere Zwetschgenkuchen nach dem „Reinheitsgebot“: Hefeteig unter süßen Zwetschgen dicht an dicht.

Inzwischen kann sie nicht mehr backen und hat dazu auch keine Lust mehr. Aber so ein frischer Kuchen mit Zwetschgen steht nach wie vor hoch im Kurs. Deshalb überrasche ich sie bei meinen Besuchen gerne mit Zwetschgenkuchen, solange es die Früchte gibt. Während wir Kaffee tranken und im Fernsehen die Trödel-Show lief, wollten wir die beiden Stücke genießen, aber es wollte nicht so recht. Die aktuelle Variante war seeehr süß: Pudding unter Zwetschgen auf Keks-Boden mit Tortenguss-Topping in der Sorte Kirschlolly. Aber ich dachte, immer noch besser als die Variante von letzter Woche: saure Pflaumen auf bitterem Boden für Mülleimer.

Nach solchen Enttäuschungen frage ich mich jedes Mal, warum ich überhaupt noch Kuchen kaufe? Aber immer, wenn ich kurz davor bin, die Illusion völlig zu verlieren, gerate ich per Zufall an ein Genuss-Stück!

Aber freuen kann ich mich dann trotzdem nicht, denn meine Mutter isst es nur zur Hälfte auf, um den Rest aufzubewahren und im Kühlschrank alt werden zu lassen. Ihre falsche Bescheidenheit sorgt als letzte Instanz dafür, dass es dann doch kein gelungener Moment wird.

Und wenn ich beim nächsten Mal genau den gleichen Kuchen mitbringe, kann es mir passieren, dass sie ihn dieses Mal GAR NICHT mag und  ebenfalls angegessen in den Kühlschrank stellt. Die Lagerbereinigung bleibt natürlich an mir hängen. Dann heißt es Endstation Mülleimer.

Meine Gesamtsituation, nicht nur Kuchen betreffend, könnte man folgendermaßen auf den Punkt bringen:
Verzweifelte Einkäuferin in verwirrender Marktlage mit erheblichen Qualitätsunterschieden trifft auf schwierige Verbraucherin mit häufig wiederkehrender Konsumverweigerung.

Waschmonopol mit Klumpgarantie

Meine Mutter hat mit ihren 87 Jahren immer noch das Waschmonopol im Haus. Sie mag es nicht, wenn jemand für sie wäscht, egal ob ich mich anbiete oder ihre Reinigungskraft. Die Sorge, dass wir zu viel Waschpulver nehmen, ist einfach zu groß.

Dabei kann man nun wirklich nicht behaupten, das es ihr an Waschmittel mangelt, sie hortet es geradezu, damit sie in schlechten Zeiten wenigstens waschen kann. In ihrem Keller stehen eine Menge überdimensional großer Jumbo-Pakete mit herkömmlichem Pulver – die fließ-fähig grobkörnige, nicht klumpende Waschmittelvariante war wohl nie im Sonderangebot. Nach meinen Berechnungen werden mit diesem Vorrat noch Generationen waschen können. Dem jetzt schon steinhart gewordenen Inhalt der Packungen können sie eines Tages allerdings nur noch mit Hammer und Meißel beikommen. Berücksichtigen sollten sie dann allerdings, dass sich ein, auf diese Weise gewonnener Waschmittelstein, höchstwahrscheinlich nicht bereits im ersten Waschgang auflösen wird. So etwas nennt man verzögerte Freisetzung – spülen zwecklos!

Viel Spaß beim Waschen!