Von Bremsspuren in der Coronakrise

Das Leben in den Zeiten von Corona scheint bei den Menschen eine starke Sehnsucht nach Normalität zu wecken. Es ist das natürliche Verlangen, alles seinen stinknormalen Gang gehen zu lassen, ohne dass es Spuren hinterlässt. Und das lässt offenbar Klopapier in ihrem Unterbewusstsein aufploppen. Anders kann ich mir den Umstand nicht erklären, dass der Klopapier-Umsatz dermaßen explodiert ist. Der Pro-Kopf-Verbrauch ist sozusagen durch die Decke gegangen. Dabei hat Klopapier gar nichts mit dem Kopf zu tun.

Wo wir uns schon gedanklich unter der Gürtellinie befinden, muss ich an meine fast neunzigjährige Mutter denken. Die Damen vom Pflegedienst hatten mir vor ein paar Tagen geraten für meine Mutter statt der Inkontinenz-Vorlagen, so genannte Inkontinenz-Pants zu besorgen. Die Vorlagen würden nicht mehr reichen, es ging immer mehr in die Hose.

Als ich die Info erhielt, hatte ich die üblichen Vorlagen allerdings schon beim Vertragshändler der Krankenkasse bestellt und dieser Firma auch schon die dafür notwendige ärztliche Verordnung geschickt. Da der Corona-Virus offenbar auch in diesem intimen Bereich seine ganz eigenen Bremsspuren hinterlässt, gab es Lieferschwierigkeiten bei den „Vorlagen“. Glück gehabt, dachte ich so bei mir, als ich zum Telefonhörer griff, um die Bestellung zu ändern

Der Vertragshändler für Medizinprodukte hat übrigens den wohlklingenden Namen Corona Medical. (Heute würden die natürlich auch einen anderen Namen wählen, aber damals hatten die ja noch keine Ahnung, was im März 2020 auf sie zukommen würde.) Sie können sich vorstellen, was bei dieser Firma momentan los ist und wie genervt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind. Weil ich nicht durchkam, hatte ich zunächst geglaubt, dass die ihre Telefonnummer geändert hätten. Ich hörte auch ständig einen völlig unbekannten Ton – also auch kein Besetztzeichen. Aber laut Google war die Telefonnummer immer noch dieselbe. Also probierte ich es wieder und wieder. Als ich endlich durchgekommen war, beeilte ich mich, meine Kundennummer durchzugeben und nach Mustern zu fragen. Ich wollte von vorne herein klar stellen, dass es sich bei MEINEM Anruf nicht um einen Corona-Krisen-Hilferuf handelte. 

Die Dame am Telefon war froh über meine einfache Nachfrage nach Artikeln, die auch noch dazu verfügbar waren. Die Lieferung ließ auch nicht lange auf sich warten und wir konnten in die Testphase übergehen. Schließlich kann ich meiner Mutter langfristig nicht irgendetwas „unterschieben“, es soll auch das Richtige sein – und die Auswahl ist groß, sozusagen eine Wissenschaft für sich; allein die Pants unterscheiden sich in Passform, Größe, Aufnahme-Kapazität und Qualität. Die Krankenkasse zahlt natürlich nur die billigste Variante und erhebt zusätzlich noch eine Zuzahlung. Aber die Qualität ist sehr wichtig; und allein, schon weil meine Mutter immer so bescheiden ist und sich sonst nichts gönnt, soll sie den Rolls Roys aus der Welt der Hygiene unter sich spüren. Darum fiel die Entscheidung federleicht.

Nun ist die Ware bestellt. Es ist allerdings zu befürchten, dass es auch bei diesem Artikel zur Zeit Lieferengpässe gibt, weil sich die Luxus-Pants in einem dieser LKWs befinden, die momentan an den Grenzen ewig im Stau stehen müssen. Auch wenn die armen LKW-Fahrer zum Teil von Soldaten mit Essen und Getränken versorgt werden, können sie einem leidtun. Und die Frage darf erlaubt sein: „Was ist, wenn die mal müssen?“

Immerhin könnte UNSER Hygieneartikel-Fahrer saugstarke „kleine und große Helfer in der Not“ verteilen. Ob die richtig sitzen, ist die zweite Frage. Aber es passt eben nicht immer alles so perfekt und im Leben geht eben immer mal was daneben.

Apropos, Hygiene … Womit wir auch wieder beim ach so aktuellen Thema Klopapier angekommen wären. Die Leute scheinen zu glauben, die Corona-Krise nur mit Bergen von Klopapier überstehen zu können. Komisch! Sie fahren kaum noch Auto, haben aber panische Angst davor, Bremsspuren zu hinterlassen. Wozu die enormen Hamsterkäufe? Wir alle sollten in dieser schweren Zeit solidarisch zusammenstehen – natürlich mit eineinhalb Metern Abstand, besser zwei. 😉

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