Vom Gerstenkorn zum Plätt-Problem

Mein Gerstenkorn will sich einfach nicht so recht verabschieden. Das nennt man Anhänglichkeit. Da wurde mein Lippenherpes regelrecht eifersüchtig und meinte, er müsse sich auch mal wieder blicken lassen. Vielleicht hatte ich einfach zu viele andere Dinge um die Ohren, außer dem täglichen Wahnsinn einer Betreuerin.

Zu allem Überfluss meinte meine Mutter, sie müsse sich mal wieder auf ihren Frust über ihren finanziellen Kontrollverlust konzentrieren und fuhr telefonisch alles auf, was das Thema hergab, einschließlich der Androhung, zu ihrer Rechtsanwältin zu gehen. Der Anrufbeantworter glühte förmlich.

Aber sie beschäftigte mich zwischendurch auch noch anderweitig, in dem sie behauptete, dass ihr etwas nicht gehören würde. Diesmal war es das Bügeleisen einschließlich Bügelbrett, das ganz brav an der dafür vorgesehenen Stelle stand. Jemand hätte beides umgetauscht, behauptete sie. Im Vergleich zum üblichen Geld-Thema, empfand ich diese fixe Idee als reinste Entspannung und ich ließ mich auf ein Gespräch mit ihr ein. Nein, sie wolle nicht bügeln, sagte sie barsch, aber es gehe ums Prinzip. Sie wolle wissen, wer ihre Sachen gegen andere ausgetauscht hätte. Ich beruhigte sie, dass niemand an ihren alten „Plätt-Sachen“ interessiert wäre und dafür auch noch neue hinstellen würde.

Solche und ähnliche Diskussionen führe ich des Öfteren mit ihr. Neulich behauptete sie sogar, dass ihr jemand Tischdecken und Kristallvasen untergejubelt hätte, also Dinge, die ihr nicht gehören würden. Ich konterte, dass das für sie als Kristallvasen-Freak ja märchenhaft fantastische Zustände wären. Das überzeugte sie und sie freute sich für einen kurzen Moment über ihre schönen neuen Vasen.

Zum Glück übernimmt mein Anrufbeantworter in der Regel die meisten Beschwerdeanrufe dieser Art. Er ist es auch, der sich täglich den neuesten Stand der Such- und Auffindungsaktion der Krankenversicherungs-Karte per Dauerschleife „reinziehen“ muss. Neulich streckte er dann mal wieder die Flügel und verweigerte jede weitere „Nahrungs“-Aufnahme.

Ich atme dann immer durch, lösche die Anrufe und sage mir, dass ich alles im Griff habe, einschließlich der gültigen Version der Versicherungskarte meiner Mutter.

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