Seit Tagen habe ich einseitige Kopfschmerzen, was sich verstärkt, wenn ich an den Kopf fasse oder mir die Haare bürste. Deshalb habe ich mir selber den Rat gegeben, nicht mehr dran zu fassen und mir nur noch im Notfall die Haare zu bürsten. Es stellt sich die Frage: Wie scheiße darf ich aussehen, damit es ein Notfall ist?
Außerdem schmerzt die Seite auch, wenn ich nachts draufliege, was mich vorübergehend wieder zum Kopfkissen greifen ließ. Wenn die Schmerzen nicht nachlassen, muss ich wohl dem Rat meiner Mutter folgen und den Arzt fragen, ob man „mit so was leben kann“. Er wird sagen, dass er es tun würde. Deshalb beschloss ich, die Schmerzen zu ignorieren und das Leben und besonders diesen Tag in vollen Zügen zu genießen. Da kam die geplante Brauerei-Besichtigung mit anschließend reichlicher Bierverkostung gestern Nachmittag wie gerufen. Mein Mann, meine Tochter, ihr Freund und ich hatten viel Spaß und ICH ziemlich schnell „einen sitzen“. Das kommt davon, wenn man sonst so gut wie nie Alkohol trinkt.
Nach der Veranstaltung gingen wir fröhlich lachend durch den lauschigen Abend an der Weser entlang. Bei unserer Tochter wartete dann noch eine reichhaltige Käseplatte mit Baguette auf uns. So ein Nachtisch kommt bei mir immer gut an. Mmh, das hatte gemundet und ich war schnell wieder nüchtern. Spät abends zu Hause tat mir der Kopf nun beidseitig weh, sogar ohne dass ich „dran fassen“ musste.
Heute im Laufe des Vormittags fühlte ich mich zwar noch nicht wirklich gut, aber wer feiern kann, muss auch arbeiten, sagte ich mir und bereitete mich seelisch und moralisch auf die Fahrt zum »Frauenbund für alkoholfreie Kultur« vor. Es ging mal wieder nach Grambke, und als vorbildliche Tochter, wollte ich meine Mutter natürlich hinfahren und begleiten. Beim Frauenbund-Treffen erwartete mich dann noch ein kleines Highlight, als ich hörte, wie eine Frau meine Mutter fragte: „Margret, bist du mit deiner Enkelin gekommen?“ Oh, das ging runter wir Öl!
Als alle Frauen ihre Plätze eingenommen hatten, begrüßte uns die erste Vorsitzende ganz herzlich zum ”Advent-Kaffeetrinken“ und sorgte damit für allgemeine Belustigung. Denn es handelte sich natürlich um das Erntedank-Kaffeetrinken, das bei sage und schreibe 25 Grad im Schatten stattfand. Sie war ihrer Zeit eben ein wenig voraus. Kein Wunder, wenn es schon Ende August Lebkuchen in den Regalen gibt. Da kann man sich schon mal vertun.
Während der anschließenden mühsamen Unterhaltung vermied ich es tunlichst, meinen feuchtfröhlichen Ausflug vom Vortag zu erwähnen. Ich bin zwar kein Mitglied dieses Vereins, und deshalb auch nicht zum Abstinentsein verpflichtet, hielt es aber trotzdem für keine gute Idee, dass die netten Damen von meinen Kater-Kopfschmerzen erfuhren. Am Ende hätten sie mich noch bekehren und als Neuzugang akquirieren wollen.
Beim Kaffeetrinken fragte meine Mutter immer und immer wieder das Gleiche, z.B. wer den kleinen Kürbis mit lila Hut aus Tonpapier gebastelt hätte, den jeder als Geschenk vor sich stehen hatte. Wir sagten ihr immer und immer wieder, dass es die Lilo im lila Shirt vom Nebentisch war – eine Frau, die ihren besonderen Hang zu der Farbe Lila nicht leugnen konnte.
Die anderen Frauen an unserem Tisch waren im Gegensatz zu meiner Mutter nicht dement, aber mehr oder weniger schwerhörig oder in andere Gespräche vertieft. Dadurch ging die ewige Fragerei nach dem besagten Kürbis zum Glück ein wenig unter bzw. ich konnte schnell antworten oder ablenken. Der hohe Geräuschpegel im Gemeindesaal tat sein Übriges.
Das gemeinsame Singen eines Herbstliedes und ein kleiner Vortrag ließen mich zwischendurch ein bisschen durchatmen. Und das Singen hat meiner Mutter besonders viel Freude bereitet.
Unterm Strich wurde ich mit der Flatrate-Fragerei vor und während der gemeinsamen Hinfahrt, ungefähr zwei Stunden im Saal und während und nach der gemeinsamen Rückfahrt beschallt. Ich sage nur so viel: Da kommt auch eine gute Schmerztablette an ihre Grenzen.
Auf meiner Heimfahrt genoss ich die Stille im Auto und spürte die Freude in mein eigenes Herz zurückkehren, die ich meiner Mutter vorher mit diesem Ausflug geben konnte.